Vielen Unternehmern, besonders solchen, die im Gastgewerbe und in der Hotellerie tätig sind, geht es derzeit wie gesetzestreuen Waffenbesitzern seit vielen Jahren: Sie können noch so brav jedem Bocksprung der Behörden folgen, jede Menge Kosten und Mühen auf sich nehmen (z. B. für die immer strenger regulierte Registrierung und Verwahrung ihres Eigentums) – am Ende sind sie aber doch die Dummen. Eine neue Richtlinie aus Brüssel, ein dadurch motivierter Federstrich des Ministers – und sie sind entrechtet und enteignet.
So haben etwa Gastwirte und Betreiber von Beherbergungsbetrieben unter dem Eindruck der von der WHO ausgerufenen Pandemie die Auslastung ihrer Etablissements drastisch reduziert, für große Abstände zwischen den Tischen gesorgt, Desinfektionsmittel bereitgestellt und den – selbstverständlich unbezahlten – Aufwand der Kundenregistrierung auf sich genommen, um nun zum Dank von der Regierung erneut zum Zusperren gezwungen zu werden.
Für die Betreiber von Fitnessstudios gilt Ähnliches: Auch sie haben rigoros auf die Zahl der Trainierenden geachtet, ausreichende Abstände zwischen den Trainingsgeräten sichergestellt und die Einhaltung der Maskenpflicht gewissenhaft überwacht – gleichfalls vergebens. Und das, obwohl es keine einzige Meldung über Infektionscluster in derartigen Betrieben gibt. Die bislang vorliegenden Daten besagen, dass in den Hotels und in den Fitnessstudios – anders als bei feuchtfröhlichen privaten Feten – nur ein sehr geringes Ansteckungsrisiko besteht. Es mutet daher an wie blanker Hohn, wenn ausgerechnet diesen Unternehmen nun zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres die wirtschaftliche Basis entzogen wird. Für Unternehmensberater, Schausteller, Künstler und viele andere Berufsgruppen gilt übrigens nichts anderes.
Die Philosophin und Bestsellerautorin Ayn Rand hat schon vor Jahrzehnten die haarsträubende gesellschaftliche Schieflage kritisiert, die eintritt, wenn Nichtproduzenten darüber zu befinden haben, ob Produzenten etwas produzieren dürfen oder nicht. Ist es daher nicht blanke Ironie, dass es ausgerechnet die Berufsgruppen, die von den Lockdowns wirtschaftlich nicht betroffen sind – nämlich Politiker, Staatsbedienstete und Journalisten – in der Hand haben, den Ruin vieler anderer herbeizuschreiben oder zu dekretieren?
Um zu erkennen, dass auch ihr Einkommen von einer erfolgreichen, privatwirtschaftlich organisierten Güter- und Dienstleistungsproduktion abhängt, müssten diese Damen und Herren mit der Gabe gesegnet sein, über den Tellerrand hinausblicken zu können. Das ist bedauerlicherweise nicht der Fall.
Der Umstand, dass viele Staaten der Dritten Welt – namentlich solche in Afrika – wirtschaftlich so außerordentlich mies dastehen, ist vor allem dem dort herrschenden Mangel an Rechtssicherheit geschuldet. Denn erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit setzt Rechts- und Planungssicherheit voraus. Wie aber sollen Gastwirte, Hoteliers oder andere Unternehmer sinnvoll planen und wirtschaften, wenn sie sich heute nicht darauf verlassen können, dass die Gesetzeslage in zwei, drei Monaten oder in einem halben Jahr nicht völlig anders aussehen wird? Wird die Regierung, wenn ihr danach ist oder dubiose "Experten" es ihr einreden, nach dem zweiten auch einen dritten und einen vierten Lockdown verfügen? Und kann jemand allen Ernstes glauben, dass es unter derartigen Umständen möglich sein wird, mit Aussicht auf Erfolg ein Unternehmen zu gründen oder zu führen?
Nicht, dass man die Gefährlichkeit der Covid-19-Pandemie bagatellisieren sollte. Aber man sollte die Proportionen nicht aus den Augen verlieren: Es handelt sich nämlich weder um die Pest noch um Ebola (mit Todeswahrscheinlichkeiten von bis zu 90 Prozent). Panik ist also nicht angezeigt.
Diejenigen, die so lautstark und unerbittlich auf der Rettung jedes einzelnen Menschenlebens bestehen, sollen gefälligst auch dazusagen, mit welchem Geld sie das zu bewerkstelligen gedenken, wenn demnächst auf breiter Front die Steuerzahler infolge von Masseninsolvenzen ausfallen! Leben ist eben lebensgefährlich und die Welt ist kein Ponyhof.
Auch wenn die Frage noch so grausam klingt, so ist sie doch zu stellen: Rechtfertigt es die Rettung einiger Tausend multimorbider Rentner, durch wiederholtes Niederfahren der Betriebe den herrschenden Wohlstand nachhaltig zu beschädigen und damit schwere, möglicherweise auch gewaltsam verlaufende Verteilungskämpfe heraufzubeschwören?
Und selbst wenn sie sich auf ein Hasardspiel einlassen und in Rekordzeit ein Wunderpräparat aus dem Hut zaubern sollte, ist noch lange nicht gesagt, dass die Menschen sich freiwillig dem Risiko aussetzen werden, sich mit einem Medikament behandeln zu lassen, dessen Risiken und Nebenwirkungen nicht genügend evaluiert sind. In meinem Umfeld findet sich jedenfalls keiner, der derart tollkühn wäre. Der Staat müsste schon zu Zwangsmaßnahmen greifen und eine Impfpflicht verordnen, wie man sie von der Viehhaltung kennt.
Die Politik übt sich in Zweckoptimismus. Das Gelaber über einen "demnächst verfügbaren Impfstoff" hat den Charakter des sprichwörtlichen Pfeifens im Wald: Es soll die Angst vertreiben und Mut machen. Gegen allenfalls dräuende Gefahren wappnen kann es indes nicht. Einen sicheren, in ausreichender Menge zur Verfügung stehenden Impfstoff wird es so bald nämlich nicht geben, falls die Pharmaindustrie nicht in ein Minenfeld zu laufen beabsichtigt.
Fazit: Wir werden, vielleicht sogar noch auf Jahre hinaus, mit dem Virus leben müssen. Auch die Wirtschaft. Die Betriebe brauchen – mit oder ohne Impfstoff – Rechts- und Planungssicherheit. Die derzeit herrschende, prekäre Situation mit einer völlig ungewissen künftigen Rechtslage wird einerseits den weltweit tätigen Umsatzriesen wie Amazon zu einem weiteren Höhenflug verhelfen. Allerdings wird sie andererseits Tausenden Mittelstandsbetrieben den Garaus machen. Weil die aber den Großteil der Arbeitsplätze bieten, kann und darf das der herrschenden Klasse nicht egal sein.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.