Für Sebastian Kurz öffnet sich bis Weihnachten ein Window of Opportunity. Auf die Islamische Glaubensgemeinschaft sollte man hingegen eher nicht setzen.
Erste T-Shirts sind bereits in Produktion: "#SchleichdiduOaschloch" dürfte den Kampf um die historische Markierung des Wiener Terroranschlags gewonnen haben. Und nach "#jesuischarlie", "#soydemadrid" oder "#prayforlondon" eine wirkliche gute Wahl.
Es ist aber nicht die Vulgarität, die den Wienern jetzt wieder ein leises Lächeln auf die Lippen zaubert, die den Spruch zu einer wirklich guten Wahl macht. Es ist der Fokus auf diejenigen, denen wir bislang außer Sonntagsreden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben: Den Arschlöchern, die in unser Land kommen, um es zu zerstören.
Und es ist die klare Handlungsaufforderung "Schleich di!", die mir Hoffnung gibt, dass es über Verbalinjurien hinaus eine echte Debatte über auch rechtsstaatlich unangenehme Konsequenzen aus dem Wiener Wahnsinn gibt. Zugegeben: Viele, die jetzt den herzhaften Schrei aus einem Wiener Innenstadtfenster feiern, wären wohl deutlich weniger euphorisch, würden sie diese Implikationen bis zum Ende denken.
Zusammenhalten als Chiffre fürs Nichtstun
Kurzfristig bestand die Gefahr, dass eine der üblichen staatstragenden Floskeln zum Schlagwort der Terrornacht werden würde. "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen"; "wir werden uns unseren Lebensstil nicht nehmen lassen"; "wir lassen uns nicht spalten"; "unser Zusammenhalt ist unsere Stärke" – diese Sätze waren so erwartbar wie unsere Übelkeit, die sie auslösen. Zu oft haben wir sie gehört, als dass wir sie noch glauben könnten. Zu bewusst ist uns, dass es in Paris und Brüssel weiter Stadtteile gibt, in die sich die Polizei nicht mehr hineintraut – trotz der immerselben Beteuerungen nach jedem Terrorakt.
Wenig überraschend war es Sebastian Kurz, der in seinem politischen Instinkt erkannt hat, dass die Bevölkerung mehr hören will als die üblichen Zusammenhaltsappelle. Dass "zusammenhalten" für viele signalisiert, dass man nichts ändern will. Kurz spricht von einem "Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei".
Und taktisch wie inhaltlich richtig hält er fest, dass der Feind der islamische Extremismus sei und nicht alle Muslime. Es gehe nicht um eine "Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen". Kurz hat erkannt, dass es der islamische Terror genau darauf anlegt, jene Muslime zur Erhebung gegen der verteufelten westlichen Lebensstil zu motivieren, die sich im Moment mit unserer Ordnung arrangiert haben – und genau diese Grauzone umwirbt er offensiv. Da tut es gut, dem islamischen Täter zwei Moslems gegenüberstellen zu können, die mutig einen Polizisten aus der Gefahrenzone gerettet haben.
Doch Kurz wird deutlich deutlicher werden müssen, wenn er das Problem des islamischen Terrors wirklich lösen will. Denn so klar die sprachliche Grenzziehung zwischen Moslems und Islamisten ist, so schwierig ist sie in der Praxis.
Noch immer in der Opferrolle
Das zeigte sich bereits beim ersten Interview mit dem IGGÖ-Präsidenten Ümit Vural. Nachdem er mit belegter Stimme seine Abscheu vor dem Attentat zum Ausdruck brachte, stellte er bei der Frage nach der Zusammenarbeit mit der neuen "Dokumentationsstelle gegen den politischen Islam" wieder reflexartig die Nackenhaare auf. Er zeigt nach wie vor keinerlei Problembewusstsein für den Fokus auf seine Glaubensgemeinschaft. Dabei würde ihm ein ehrlicher Blick auf die Statistik helfen: Während beileibe nicht jeder Moslem ein Terrorist ist, muss man einfach eingestehen, dass fast jeder Terrorist ein Moslem ist.
Diesem Problem müsste sich idealerweise die Islamische Glaubensgemeinschaft selbst stellen. Wenn es ein ehrliches Interesse gibt, diese Grauzone nicht zu verlieren, wird man sich viel öfter und viel deutlicher abgrenzen müssen von den Extremisten, die sich auf den Islam berufen. Die Mahnwache vor der Favoritner St.-Antons-Kirche nach den Attacken vor ein paar Tagen gibt diesbezüglich ein wenig Hoffnung.
Warum es eine Spaltung braucht
Aber nach wie vor ist die Beteiligung an derartigen Aktionen so überschaubar, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass Adressat nicht die eigenen Glaubensgenossen, sondern die zunehmend beunruhigte Mehrheitsbevölkerung ist. Dass es nicht darum geht, muslimische Gewalttäter auf ihren Irrweg hinzuweisen, sondern die Christen zu kalmieren.
Man wird es noch deutlicher sagen müssen als Sebastian Kurz: Wir brauchen eine Spaltung der Gesellschaft. Und zwar eine Spaltung, die mitten durch die muslimische Glaubensgruppe geht. Gewalt, Extremismus, Parallelgesellschaften dürfen hier keinen Platz haben.
Sich von diesen Gruppen zu emanzipieren, ist unzweifelhaft schmerzhaft und angesichts der heterogenen Struktur der Glaubensgemeinschaft alles andere als einfach. Auch das Fehlen einer zentralen theologischen Instanz im Islam macht es schwierig, den Extremisten entgegenzutreten. Aber das darf nicht zur Ausrede verkommen: Mit derselben Vehemenz, mit der sich Österreicher und Deutsche gegen jedes kleinste Aufflackern einer vor 75 Jahren krachend gescheiterten Ideologie auflehnen, müsste die islamische Community jede Sympathiebekundung für den politischen Islam schärftens verurteilen, der Europa immer mehr in Angst und Schrecken versetzt.
Aber diese Abgrenzung würde voraussetzen, dass man sich viel detaillierter festlegt, welche muslimischen Praktiken – von der Scharia bis zum Friedensrichter, vom Kopftuchzwang bis zur Zwangsheirat – man hierzulande nicht akzeptieren wird. Und man müsste damit die schmerzliche Abnabelung von den Finanziers in Ankara und Riad provozieren. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die islamische Community dazu die Kraft hat.
Entfesselung des Rechtsstaates
Bleibt der Rechtsstaat, der noch viel deutlicher dem islamischen Extremismus den Nährboden entziehen müsste. Dies muss er einerseits viel energischer machen bei der Frage, wer nach Österreich kommen bzw. hier bleiben darf. Hier darf man nicht länger davor zurückscheuen, den ideologischen Hintergrund jedes Zuwanderers viel intensiver und viel ehrlicher zu untersuchen. Die Integration klappt in Österreich derzeit so schlecht, dass man die Annahme unserer wesentlichen westlichen Werte nicht für später erwarten darf, sondern vor der Aufnahme voraussetzen muss.
Daneben muss man sich aber auch ehrlich eingestehen, dass sich Zuwanderer auch nachträglich radikalisieren können und dieser Radikalisierungsprozess immer schwerer zu entdecken ist. Um zum Extremisten zu werden, braucht es heutzutage keinen fehlgeleiteten Imam mehr, sondern nur einen Internetzugang. Umso wichtiger ist es, den österreichischen Verfassungsschutz aus dem Wachkoma zu holen und massiv aufzurüsten. Und man wird auch manche Ermittlungsmethoden wieder zulassen müssen, die derzeit unter dem Deckmantel des Daten- und Persönlichkeitsschutzes verpönt sind.
Die größere Herausforderung besteht aber darin, wie man mit den entdeckten Gefährdern umgeht. Anfang des Jahres reichte der koalitionäre Konsens nur so weit, dass man auffällig gewordene Asylwerber in Schubhaft nehmen könnte. Kurz beharrte aber darauf, dass auch Österreicher, die "Gewaltverbrechen begangen haben und eine Drohung aussprechen", in Sicherungshaft genommen werden können sollen. Aber selbst das hätte den Wiener Attentäter nicht umfasst. Nach den letzten Tagen muss klar sein: Auch eine Verurteilung nach den zahlreichen neuen Terrorismustatbeständen muss für eine Sicherungshaft ausreichen.
Was jetzt schon geht
Die Frage bleibt: Was tun mit Menschen, von denen nachweislich eine hohe Gefahr ausgeht, die aber bislang nie strafrechtlich in Erscheinung getreten sind? Auf diese Frage gibt es in einem Rechtsstaat keine einfache Antwort. Stellen sollte man sie trotzdem.
Aber diese notwendige Diskussion sollte uns nicht daran hindern, in vielen Bereichen rasch nachzuschärfen, wo das rechtsstaatlich jederzeit möglich wäre: Beim subsidiären Schutz und beim Bleiberecht, wo die Integrationsprognose bislang zu wenig berücksichtigt wird. Bei der Aberkennung von Doppelstaatsbürgerschaften – es ist vollkommen unverständlich, warum Kujtim F. nach der versuchten Ausreise nach Syrien nicht der österreichische Pass entzogen werden konnte. Beim Jugendstrafrecht, das derzeit so streichelweich ist, dass oft jeglicher Abschreckungseffekt dahin ist. Bei vorzeitigen Haftentlassungen, wo man anscheinend allzu optimistisch ist. Und wo hier das Verfassungsgericht mit seiner weltfremden Judikatur entgegensteht, sollte man sich nicht scheuen, auch die Verfassung anzupassen.
In all diesen Bereichen öffnet sich jetzt ein Window of Opportunity – wenn es Kurz aber bis Weihnachten nicht nutzt, wird "Schleich di, du Oaschloch!" ein frommer Wunsch geblieben sein.
Mag. Florian Unterberger ist Pressesprecher bei einer internationalen Anwaltskanzlei, Vater von vier Kindern und kirchlich engagiert.