Das Führen von Kriegen ist für eine Regierung stets reizvoll, denn ein Krieg – gegen wen oder was auch immer er geführt wird – schart das Volk stets um seine Führer und vergrößert deren Macht. Wer sich in Kriegszeiten gegen ihre Politik stellt, ist ein schäbiger Wicht, ein Verräter, ein "Gefährder", oder, wie eine sozialistische deutsche Spitzenpolitikerin es so ungemein elegant ausdrückt: ein "Covidiot".
Die österreichische Bundesregierung führt, nach Aussagen von Kanzler Kurz, gegenwärtig an drei Fronten Krieg: zur Rettung von Covid-19-Patienten, zur Rettung von Betrieben und zur Rettung von Arbeitsplätzen. Dass die beiden letztgenannten Kriege weniger total geführt werden müssten, wenn die Regierung sich etwas professioneller verhalten und nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte (Stichwort Lockdown), blendet Herr Kurz geflissentlich aus. Wie dem auch sei: Das Thema Arbeit wird nun zur Chefsache erklärt.
In der Tat verursacht das Covid-19-Virus ja nicht nur erhebliche Gesundheitsschäden, sondern bringt auch ganze Branchen in arge Bedrängnis, etwa das Gastro- und Tourismusgeschäft. Das AMS meldet entsprechend alarmierende Daten: Knapp 410.000 Arbeitslose und rund 450.000 in Kurzarbeit befindliche Personen gegen Ende September sind schon ein Grund zur Sorge – insbesondere deshalb, weil nach Auslaufen der Hilfsprogramme zu Beginn des Jahres 2021 mit einer neuen Pleitewelle und zusätzlicher Abnahme der Beschäftigtenzahlen zu rechnen ist. Dann werden auch viele der eingegangenen Bundesgarantien schlagend werden und das Budget zusätzlich belasten.
Dem soll nun "mit allen Mitteln" entgegengewirkt werden, wobei im Moment noch unklar ist, welche Taten den vielen warmen Worten denn nun folgen sollen. Denn Tatsache ist, dass mit einigen der bislang ergriffenen Maßnahmen (z. B. der Stundung der Forderungen von Fiskus und Sozialversicherungen, sowie Garantieübernahmen durch den Bund) letztlich nur Konkursverschleppung betrieben wird, weil die solcherart "geretteten" Unternehmen vielfach längst Zombie-Status haben, der für eine Marktwirtschaft typischen schöpferischen Zerstörung im Wege stehen und Ressourcen binden, die an anderer Stelle besser genutzt werden könnten.
So schwer es auch sein mag es zur Kenntnis zu nehmen: Covid-19 hat schonungslos einige der bereits längst bestehenden Strukturschwächen der heimischen Wirtschaft aufgedeckt, die nun auf schmerzhafte Weise korrigiert werden. Selbst eine noch so geniale Regierungsstrategie wird nicht verhindern können, dass die Wirtschaft nun einen mehrjährigen Gang durch ein tiefes Tal vor sich hat. Allerdings kann die Regierung richtige oder falsche Akzente setzen.
Die bisher auf den Weg gebrachten Hilfsmaßnahmen tragen allesamt einen strukturkonservierenden und innovationsbehindernden Charakter. Dieser Umstand wird auch von AMS-Chef Johannes Kopf kritisiert, wenn er auf die Konsequenzen des Kurzarbeitsprogrammes zu sprechen kommt: Steuermittel in konkursreife Unternehmen, anstatt in zukunftsträchtige Neugründungen zu "investieren", ist keine gute Idee.
Auch die Gewerkschaft hat ihre Vorstellungen, wie der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt werden könnte. Präsident Wolfgang Katzian fordert ein "Konjunkturpaket", das hauptsächlich den Gemeinden, dem öffentlichen Verkehr, der Umweltpolitik und dem Wohnen zugutekommen soll. Es scheint, als ob nichts, was auch nur entfernt mit Innovation und Wertschöpfung zu tun haben könnte, in der Vorstellungswelt des roten Apparatschiks Platz hat.
Was es in der gegenwärtigen Lage braucht, ist eine Gründeroffensive. Nicht das Aufteilen der vorhandenen, sondern das Backen neuer Kuchen sollte im Fokus der Politik stehen. Wie wäre es in Nullzinszeiten etwa mit der Schaffung eines Fonds zur Bereitstellung von Risikokapital für potentielle Unternehmensgründer? In dieser Hinsicht hilfreiche Ideen sind von den regierenden Damen und Herren, von denen die meisten ihr gesamtes Berufsleben in geschützten Werkstätten zugebracht haben, allerdings eher nicht zu erwarten.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.