Eine vertane Chance

So unerfreulich das Ergebnis der jüngsten Wiener Landtagswahl für das Mitte-Rechts-Lager – auch über das Land Wien hinaus – im Moment und auch im Hinblick auf die kommenden Jahre ist, so hätte es langfristig durchaus Chancen für die FPÖ geboten. 

Dies einerseits aufgrund des Nicht-Einzugs des Teams Strache in den Landtag, denn Straches Comeback-Pläne und seine improvisiert aufgestellte Bewegung sind damit endgültig erledigt – auch wenn nun seitens Strache das Hirngespinst in die Welt gesetzt wurde, bei den oberösterreichischen Landtagswahlen 2021 antreten zu wollen.

Andererseits wäre der totale Absturz die Gelegenheit gewesen, sich des gesamten einst mit Strache verhaberten Klüngels von Nepp und Krauss bis Mahdalik zu entledigen und die Wiener Landespartei personell komplett neu aufzustellen. Denn hier sind das Problem und die Hauptursache für den Wahlverlust zu suchen, nicht in den "Strukturen" und schon gar nicht in der Programmatik. Denn auch wenn derzeit alles durch "Corona" überlagert wird, sind die blauen Kernthemen wie Migration, Integration und Sicherheit von dauerhafter Relevanz und die dort angesiedelten Problematiken werden sich absehbar eher verstärken als abklingen.

Mit einer Truppe, die über viele Jahre politisch wie privat eng mit dem zum Paria gewordenen Strache verbunden war, konnte eine glaubwürdige Abgrenzung von Ibiza und vor allem zum – für die Abwendung vieler Wähler von der Partei viel bedeutsameren – Spesen- und Bereicherungsskandal nicht gelingen. In der Folge blieben jene, die den blauen Inhalten ohne türkise Verwässerung nach wie vor treu sind, zu Hause. Diese Wähler sind von den anderen Parteien von Haus aus nicht abholbar, sie wären aber für die FPÖ zu erreichen gewesen und sind es auch künftig potenziell. Aber eben nur, wenn der gesamte Augiasstall ausgeräumt ist.

Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Führungsfiguren der Wiener FPÖ angesichts eines Verlustes von mehr als 20 Prozent und der Demütigung, zur Kleinpartei abzusteigen und noch hinter den NEOS zur kleinsten Landtagsfraktion degradiert zu werden, selbst – hätten sie auch nur einen Funken Anstand oder Ehrgefühl – unverzüglich von allen Funktionen zurücktreten und auf ihre Mandate verzichten hätten müssen. Dies ist allerdings nicht erfolgt. In einer selten beobachtbaren Unverfrorenheit klammern sich die Gescheiterten an die noch verbliebenen Posten.

Verwundern muss aber nun, dass die Bundespartei offenbar nicht gewillt ist, einzuschreiten und den notwendigen Reinigungsprozess, wenn er denn nicht freiwillig erfolgt, mit dem eisernen Besen durchzuführen. Stattdessen schiebt man den Misserfolg letztlich einzig der Person Strache in die Schuhe und verspricht floskelhaft einen Neubeginn als "moderne" Rechtspartei (wobei klar ist, dass, sollte "modern" eine Aufweichung von Positionen und auch Sprache bei den Kernthemen sein, ein weiteres Scheitern vorprogrammiert ist). Das wird aber nichts mehr werden, die Hoffnung, dass Gras über die geschehenen Verfehlungen wachsen wird, wird sich nicht erfüllen. Allenfalls ein paar versprengte Strache-Wähler und ein geringer Teil der Nichtwähler wird der verbrannten Truppe um Nepp in fünf Jahren wieder die Stimme geben, mehr als 10 bis 12 Prozent sind da nicht drinnen.

Mag.iur. David Nagiller B.Ed. ist Lehrer und freier Publizist

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