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Ist diese Vergangenheit zu sehr Gegenwart, um bewältigt zu werden?

Eigentlich hätte es donnernde Schlagzeilen verdient. Aber in keinem österreichischen Medium finde ich auch nur eine Zeile darüber, als die deutschen Sozialdemokraten jetzt ihre Koalitionspläne geoutet haben. Offenbar sind deren Inhalte für die Mainstream-Journalisten so selbstverständlich, dass sie das nicht einmal der Erwähnung wert finden (mit nachträglicher Ergänzung).

SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans hat sich jetzt offen für Bündnisgespräche mit der Linkspartei ausgesprochen. Ein solches Bündnis solle "den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Mittelpunkt" stellen. Sonst hätten die Verteidiger der "weitergehenden Spaltung der Gesellschaft schon gewonnen".

Wer mit diesen Phrasen nichts anfängt, sollte sich nicht grämen. Sie sind nur Tarnfarbe und Vernebelungstaktik angesichts eines eigentlich ungeheuerlichen Vorgangs. Die Linkspartei ist rechtlich wie politisch nämlich direkte Nachfolgerin der kommunistischen SED, also der Machtpartei des DDR-Verbrechensregimes. Eines Regimes, das – mindestens – Tausende Todesopfer gefordert hat, Zehntausende aus politischen Motiven auf viele Jahre inhaftiert und gefoltert hat, Hunderttausende beraubt hat, Millionen in die Flucht nach Westen getrieben hat, und eine zweistellige Millionenzahl zu 40 Jahren ihres Lebens in Entbehrung, Entrechtung, Willkür und totaler Meinungszensur gezwungen hat.

Die heutige Linkspartei – in der sich die Profiteure jenes Regimes gesammelt haben – hat nicht nur viele Vermögenswerte dieser Verbrecherpartei übernommen. Sie weigert sich bis heute auch, zumindest einmal zuzugeben, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist.

Und mit einer solchen Partei wollen die Sozialdemokraten 30 Jahre nach Ende der DDR-Diktatur einen "gesellschaftlichen Zusammenhalt" pflegen!

Dabei hat die SPD nicht einmal noch einen Kanzlerkandidaten (Borjans wird es eher nicht). Dabei ist sie in den letzten Jahren ähnlich tief abgestürzt wie die österreichischen Parteigenossen. Dabei ist die SPD einst eine klar antikommunistische Kraft gewesen (als sie noch mehr als doppelt so viele Wählerprozente gehabt hatte).

Solche Koalitionspläne sind absolut unfassbar – vor allem in einem Staat, der so intensiv wie kein anderer auf der Welt ständig von "Bewältigung", von "Aufarbeitung" der Vergangenheit redet. Aber offenbar hat die Vergangenheit, die man mit großer Inbrunst "bewältigen" will, vor 75 Jahren aufgehört. Umso unerbittlicher werden die letzten Greise im Rollstuhl in Verhandlungssäle gestoßen, weil sie als Jugendliche eine Statistenrolle im nationalsozialistischen Verbrechenssystem hatten.

Nach 1945 gab es für das heutige Deutschland aber offenbar keine großen politischen Verbrechen mehr.

Wird es erst wieder ein paar Jahrzehnte dauern, bis man diesen kapitalen Fehler erkennt? Bis man sich an die Aufarbeitung der nach 1945 begangenen Untaten macht, die dann halt Klassenkampf statt Rassenkampf (plus Entfachung eines Weltkriegs) gewesen sind? Also bis die DDR-Täter zur unbedeutenden Menge geworden sind? Und bis die Bereicherungen ihrer Erben kaum mehr nachweisbar beziehungsweise verjährt oder ersessen sind?

Gewiss, zum Unterschied von den Nazis haben die osteuropäischen Kommunisten keinen Weltkrieg in Europa entfacht. Sehr wohl aber haben sie furchtbare Kriege in Asien mit allen Kräften (der versklavten ostdeutschen Bevölkerung) unterstützt, von China über Korea bis Vietnam. Unter den Folgen dieser Kriege leiden dort heute noch viele Millionen Menschen, insbesondere, aber nicht nur, die Nordkoreaner und Uiguren. Soll man es den osteuropäischen Kommunisten daher wirklich als sonderliches Verdienst anrechnen, dass sie ihre  massive militärische Überlegenheit letztlich nie für den schon bis ins Detail geplanten Panzer-Vorstoß zum Rhein und den Pyrenäen genutzt haben – nur weil sie die amerikanische (Atom-)Antwort gefürchtet haben?

Gewiss, in der DDR alleine hat es bei weitem nicht die Zahl der Ermordeten gegeben wie zuvor bei den Nazis. Aber ganz unbestreitbar hat die DDR nicht nur in Wort, sondern auch in Tat engste "proletarische Solidarität" mit den Kommunisten von Russland bis Kambodscha geübt, deren Opfer mit mehr als 80 Millionen Toten in Summe die des Holocausts sogar noch weit übertroffen haben.

Diese völlige Blindheit gegenüber der furchtbaren kommunistischen Vergangenheit eines Teils Deutschlands zwischen 1945 und 1990 erinnert stark an die österreichischen Nachkriegsjahre, wo es ab 1949 kein Halten mehr im Werben aller Parteien um die "Ehemaligen" gegeben hat. Während heute das Ende des osteuropäischen Kommunismus rund drei Jahrzehnte her ist, hat auch in Österreich das Buhlen um die Ehemaligen seinen Höhepunkt drei Jahrzehnte nach Kriegsende erreicht, als Bruno Kreisky nicht weniger als vier frühere Nazis in sein Kabinett aufgenommen hatte (weit mehr als jeder andere Regierungschef vor und nach ihm - was aber dennoch bei den jüngsten Kreisky-Gedächtnisorgien in allen Medien geflissentlich übergangen worden ist). Und auch der politische Zweck der zynischen Allianzen mit den Restbeständen totalitärer Verbrechensstrukturen war damals wie heute derselbe: Es geht und ging darum, die verhassten Konservativen von der Macht fernzuhalten.

Zweifellos sind die deutschen Sozialdemokraten heute beim Umgang mit den direkten Nachfahren der Kommunisten am hemmungslosesten. Aber auch CDU und FDP – die Grünen sowieso – haben in diesem Winter in Thüringen gezeigt, dass sie weit weniger Probleme mit der Wahl eines Exponenten der Linkspartei zum Ministerpräsidenten haben als mit der Wahl eines FDP-Mannes, nur weil dieser offensichtlich auch die Stimmen der AfD bekommen hat.

Angesichts all dieser Vorgänge muss man die heutige Bundesrepublik fragen, wie es bei ihr eigentlich mit der Rechtsstaatlichkeit bestellt ist, die Berlin so laut von den – eindeutig demokratischen – Ländern Polen und Ungarn einfordert. Denn in Deutschland scheinen alle Maßstäbe von Moral und Ehrlichkeit ins Wanken geraten zu sein.

Denn der AfD kann man im Gegensatz zur Linkspartei in keiner Weise eine totalitäre Vergangenheit (oder gar Gegenwart) vorhalten. Ihr größtes "Verbrechen" ist es in Wahrheit, dass sie CDU und SPD allzu viele Stimmen abgenommen hat.

Das heißt freilich ganz und gar nicht, dass an der AfD alles in Ordnung wäre. So deutet ein Flügel der Partei immer wieder üble Relativierungen des NS-Regimes an (geht damit freilich nicht über Kreiskys Kokettieren mit den Altnazis hinaus). So sind viele in der AfD peinlich unkritisch gegenüber der heutigen russischen Autokratie (was aber letztlich ziemlich exakt die Freundlichkeit der Linksparteien gegenüber der chinesischen Diktatur widerspiegelt, welche zweifellos weit schlimmer als das Putin-System ist). So ist die AfD in ihrer Corona-Leugnung unakzeptabel (bei aller Notwendigkeit von Kritik an vielen Maßnahmen).

Aber absolut nichts von diesen Kritikpunkten rechtfertigt es, die Linkspartei besser zu behandeln als die AfD, oder beide gleich zu behandeln. Nichts davon rechtfertigt es, die Linke als salonfähig zu erklären oder viele Steuermillionen in einen absurden "Kampf gegen rechts" zu lenken, welche dann immer wieder auch zu gewalttätigen Linksextremisten fließen.

Diese asymmetrische Diskriminierung ist schon gar nicht gerechtfertigt, seit sich von Tag zu Tag mehr zeigt, wie sehr die AfD in ihren beiden Hauptinhalten Recht hat: in ihrer Ablehnung der Millionenmigration aus Asien und Afrika; und in ihrer Ablehnung der allen vertraglichen Vereinbarung und jeder ökonomischen Vernunft widersprechenden Euro-Politik. Aber genau das Aufzeigen und Kritisieren dieser beiden historischen Fehler der einstigen DDR-Funktionärin Angela Merkel wird man der AfD nie verzeihen – während die Linkspartei in diesen beiden Punkten die Linie von CDU und SPD unkritisch mitgetragen hat.

Deshalb können die Erben der Verbrecher (mancherorts sind es sogar noch die DDR-Verbrecher selber) der Macht in Deutschland immer näher rücken.

PS: Ein leicht hinkender Vergleich: Aber unwillkürlich erinnert mich der total unterschiedliche Umgang der deutschen (und auch österreichischen) Historikerzunft mit den beiden totalitären Verbrechensregimen der deutschen Vergangenheit an die einstige k. und k. Armee: Sie hat sich auch immer auf einen vorherigen Krieg vorbereitet und nie auf den gerade aktuellen.

Nachträgliche Ergänzung: Auch bei der Montag vormittag (via Twitter!) erfolgten Nominierung des zum gemäßigten, rechten SPD-Flügels gehörenden Finanzministers Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten wurde von der eigentlichen Parteiführung die Festlegung pro Linkspartei nicht zurückgenommen. Offenbar wollte die SPD-Führung Scholz von vornherein in Sachen Koalition festlegen, statt dass man ihm die Entscheidung überlassen hätte, wie es sich gehören würde. Scholz war bei der Wahl der Parteiführung durch die SPD-Mitglieder dem jetzigen linken Führungsduo unterlegen.

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