"Das tu ich mit nicht mehr an!" So soll Walter Rothensteiner seinen Abschied aus dem Aufsichtsrat der Casinos Austria begründet haben. Viele Kommentatoren nahmen diesen Satz zum Anlass für eine Belehrung dahingehend, dass sich Rothensteiner durch eine Beendigung seiner Aufsichtsratsfunktion nicht seiner umfassenden Verantwortung für die Personalentscheidungen der vergangenen Jahre entziehen könne. Damit war die Sache erledigt – und die Suche nach einem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden kann beginnen.
Diese Suche ist Sache der Beteiligungsgesellschaft der Republik Österreich, der sogenannten ÖBAG, dessen Alleinvorstand bekanntlich Thomas Schmid heißt. Diese Gesellschaft, die rund ein Drittel der Aktien der Casinos Austria hält, darf aufgrund eines Syndikatsvertrages Kandidaten sowohl für den Chefsessel des Aufsichtsrates als auch für jenen des Vorstands nominieren. Dieses Recht hat die Mehrheitsaktionärin, die tschechische Sazkia-Gruppe, eingeräumt, als die ÖBAG auf ihr Vorkaufsrecht hinsichtlich des von der Novomatic verkauften 17%-Pakets verzichtete. Leisten hätte sich die ÖBAG dieses Paket eh nicht können. Verblieben ist mit diesen Nominierungsrechten eine Illusion der Macht, die den staatsgläubigen Teil der veröffentlichten Meinung wohl beruhigen soll.
Noch haben wir kein Informationsfreiheitsgesetz und noch ist der Syndikatsvertrag daher nicht öffentlich zugänglich. Was sich die beiden größten Aktionäre der Casinos Austria also wechselseitig zugesagt haben, wird uns auf absehbare Zeit verschlossen bleiben. Interessant wäre der Inhalt allemal.
Der wahre Grund für Rothensteiners Funktionsbeendigung liegt offensichtlich nicht in der Vergangenheit, sondern in der nunmehrigen "Eigentümerstruktur" – also in der zukünftigen Zusammenarbeit. Rothensteiner wird in den vergangenen Wochen einiges klar geworden sein. Als sich nicht nur, aber auch wegen des Corona-Virus massive Einsparungsnotwendigkeiten ergaben, wird er erkannt haben, dass es schwer ist, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bekommen. Einerseits ist er der nominierungsberechtigten Minderheitsaktionärin ÖBAG, andererseits aber auch der Mehrheitsaktionärin Sazkia-Gruppe verpflichtet. Mögen Aufsichtsrat und Vorstand formal weisungsfrei sein, sind deren Mitglieder doch gut beraten, die "Wünsche" der Aktionäre nicht zu ignorieren. Aufsichts- und Vorstandsmitglieder ohne Rückendeckung der Mehrheit riskieren, sehr bald an ihre unbegrenzte persönliche Haftung erinnert zu werden. Hierzu genügt schon ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Einen entsprechenden Antrag könnte im Fall der Casinos Austria auch ein Minderheitsaktionär stellen, während die Sazkia-Gruppe den Betroffenen bis zur Abstimmung ordentlich zappeln lässt.
Die von der Minderheitsaktionärin ÖBAG nominierten Vorsitzenden sind in ihren Handlungen also keineswegs völlig frei. Ohne Unterstützung der Mehrheitsaktionärin sind sie ziemlich hilflos. Diese Managerposten unterscheiden sich nämlich von politischen Posten insbesondere durch die persönliche Haftung, die den Nominierten alsbald um die Ohren fliegen könnte. Daher wird sich die ÖBAG vermutlich gar nicht leicht tun, einen geeigneten Kandidaten für den Aufsichtsvorsitzenden zu nominieren – wobei sich schon irgendein Alpha-Tier mit einer ausreichenden Portion Eitelkeit finden wird, "der sich das antut". In Wirklichkeit ist es aber ein Selbstmordkommando, in so einer Position Diener zweier Herren sein zu wollen – noch dazu mit den bekannten Personal-Hypotheken aus der Vergangenheit, die den Stoff für diverse Haftungsprozesse in sich tragen.
Fazit: So ein Syndikatsvertrag mag schön und gut sein – die Kapitalmehrheit kann er in Wirklichkeit nicht ersetzen. Eine ähnliche Erfahrung hat einst Maria Theresia mit der Pragmatischen Sanktion gemacht, die eine starke Armee nicht ersetzen konnte.
Die ÖBAG wird daher zu lernen und auch eine Strategie zu entwickeln haben. Die Verwaltung von Minderheitsbeteiligungen ist ein äußerst glattes Parkett, auf dem bekanntlich schon zahlreiche Personen ausgerutscht sind. Die Rutschpartie wird sich fortsetzen. Ein sinnvoller Ausweg wäre der vollständige Verkauf. Warum gerade die Casinos Austria nicht privatisiert werden könnte, ist sowieso unerfindlich. Thomas Schmid und die Regierung sollten ihren Wortschatz um den Begriff Privatisierung erweitern.
Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.