War noch vor wenigen Jahrzehnten gesellschaftlicher Konsens, dass jeder, der ein anständiger Mensch sein wollte, sein Leben nach den Grundlagen der jüdisch-christlichen Moral auszurichten hatte, geht es heute um eine fundamentale Neuausrichtung der gesellschaftlichen Moral. Wer nun zu den Guten gehören möchte, muss jedenfalls nicht nur ein bekennender, sondern ein aktiver Antirassist sein, ein Umweltfetischist, ein Klimaprophet, ein Flüchtlingsretter, ein Abtreibungsaktivist, ein Feminist, ein Kämpfer für LGBTQ und vieles mehr. Schon wer nur ein rein gutbürgerliches Leben führt, wer weiß ist und hetero, wer für diese oben angeführten Anliegen nicht auf die Straße geht, macht sich verdächtig. Die wirklich Guten sind nun diejenigen, die sich mit aller Kraft ständig für diese Anliegen engagieren, am besten für alle mitsammen, wenn es denn aus ihrer Sicht sein muss auch militant.
Was hier vor unseren Augen passiert, geht jedoch weit über eine reine Interessenspolitik für bestimmte Anliegen hinaus. Wir erleben einen konzertierten Frontalangriff auf die westlichen Gesellschaften, der sich insbesondere auf den folgenden Gebieten verwirklicht:
- Identity Politics: Durch die Forderung nach der unbedingten Berücksichtigung von Patikularinteressen bestimmter, als besonders benachteiligt wahrgenommener Gruppen im Sinne einer Identity Politics wird die Gesamtgesellschaft in einzelne Interessens-Stämme aufgespaltet und damit zerstört. Es entsteht ein neuer Tribalismus mit all seinen immanenten Problemen. Brandgefährlich!
- Vernichtung des Kapitalismus: So unterschiedlich die propagierten Interessen der verschiedenen Pressure groups auch sein mögen, es vereint sie ein gemeinsames, explizit ausgesprochenes, zentrales Anliegen, nämlich die Zerstörung des Kapitalismus. Da die kapitalistische Wirtschaftsform jedoch für den Wohlstand wie auch für die Freiheit der Menschen in den westlichen Gesellschaften von substanzieller Bedeutung ist und geradezu als Synonym für den Erfolg des Westens gelten muss, ist auch diese Entwicklung brandgefährlich!
- Vernichtung des jüdisch-christlichen Menschenbildes: Implizit geht es den obgenannten Bewegungen, die Identity politics auf ihre Fahnen geschrieben haben, jedoch um mehr. Ihnen geht es um nichts weniger als um die Zerstörung der auf einer jüdisch-christlichen Moral fundierten Gesellschaften an sich und um den Versuch, auf den danach verbleibenden Trümmern eine schöne neue Welt zu errichten, ein Paradies auf Erden. Dass solche Utopien zum Scheitern verurteilt sind und unglaubliche Opferzahlen produzieren, ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt. Dies wird jedoch als unumgänglicher Kollateralschaden einfach hingenommen. Brandgefährlich!
Identity Politics – eine neue Moral für die Gesellschaft!
Der britische Autor und Denker Douglas Murray geht davon aus, dass sich diese Entwicklung schon seit längerem zusammenbraut, diese Kräfte jedoch in den letzten fünf Jahren zu einer regelrecht konzertierten Attacke auf die – nach ihrer Überzeugung – überkommene jüdisch-christliche Moral angesetzt haben. Dabei muss jeder, der sich dieser Welle entgegenstellt, aber oft auch derjenige, der dem nicht laut genug zujubelt, damit rechnen, gnadenlos überrollt und vernichtet zu werden. Vernichtet durch "Shitstorms", durch Medien, durch politische Akteure, durch Unternehmen, die sofort mit einem Rausschmiss reagieren, sollte sich jemand als auf der falschen Seite positioniert erweisen. Selbst ein Gigant wie Facebook musste jüngst erleben, was es bedeuten kann, in diesem Strom nicht aktiv genug mitzuschwimmen.
Douglas Murray ("The Madness of Crowds") sprach in einem Interview jüngst darüber, dass die sogenannte "Wokeness" der neuen Antirassismussbewegung, der "Black Lives Matter (BLM)", sehr anschaulich eine neue veränderte Moral der Gesellschaften des Westens zum Ausdruck bringt (siehe dazu hier).
Doch was, wenn wir unsere Gesellschaften tatsächlich ganz neu auf der Basis all dieser Ideen aufbauen? Murray ist mehr als skeptisch, bilden doch all diese Ideen, wie Gendergerechtigkeit, Antirassismus, Feminismus, Klimaaktivismus, LGBT, "pro choice" etc. in sich kein tragfähiges Fundament. Dazu kommt auch, dass zwischen all diesen Bewegungen mannigfache Friktionen bestehen, wie z.B. zwischen den Transgender-Befürwortern, die kein Problem damit haben, dass biologische Männer, die – nachdem sie hormonell als Männer völlig andere körperliche Voraussetzungen hatten als Frauen – sich als junge Erwachsene dazu entschieden haben, sich als Frauen zu fühlen, den Frauensport in vielen Colleges in den USA nach Belieben dominieren. Wen wundert’s? Das geschieht jedoch ganz und gar nicht zur Freude der Feministen und der bigotten Ewiggestrigen, die darin ein Problem sehen, ihre Töchter in den Ring steigen zu lassen, um gegen ganz offensichtlich weitaus überlegene Trans-Frauen anzutreten. Dies gereicht übrigens auch denen nicht zur Freude, die die Geschlechter ohnehin als abgeschafft sehen, denn in deren Augen macht es einfach keinen Sinn, sein Geschlecht zu wechseln. Von den Gays ganz zu schweigen, die sich von den Trans-Frauen zunehmend verraten fühlen.
Mehr noch gibt es auch innerhalb all dieser Strömungen massive Meinungsunterschiede, man nehme als Beispiel nur die "Ehe für alle". Während Teile der Organisationen der Lesben- und Schwulen überhaupt keinen Sinn in einer "Ehe für alle" sahen, sei doch ihr Lebensstil fundamental anders, also nicht selten deutlich promiskuitiver, was dem Sinn einer Ehe in lebenslanger Treue nicht zugänglich sei, meinten manche, dies als politisches Signal unbedingt erreichen zu wollen. Oder die neue Betonung der Rasse, die nicht eine "Farbenblindheit" der Rasse gegenüber propagiert, wie dies z.B. ein Martin Luther King davor gefordert hatte, sondern die Rasse als ganz entscheidendes Merkmal, das unbedingt beachtet werden muss, neu definiert. Dass jeder nun ein Rassist sein soll, der die Rasse als nicht bedeutendes Merkmal sieht, ist eine 180-Grad-Wende.
Viele ungeklärte Fragen also, die zeigen, dass die partiellen Anliegen all dieser Bewegungen – so gut diese im Einzelfall teilweise auch sein mögen – als Fundament erfolgreicher Gesellschaften nicht tragfähig sind. Klar ist auch, wenn wir ehrlich sind, dass wir eigentlich keine Ahnung haben, wo uns diese Bewegungen als Gesellschaft hinführen könnten, wenn wir die Maßnahmen tatsächlich so verwirklichen, wie dies gefordert wird.
Hinter der Agenda vieler dieser Interessensgruppen sieht Murray eine kaum verdeckte Zielvorstellung: Die Gesellschaft, wie wir sie kennen, die viele unterschiedlichste Gruppen in sich vereinigt und verbindet, soll entlang der unterschiedlichsten Interessensgruppen auseinandergerissen werden, indem deren Partikular-Interessen als das jeweils höchste Gut propagiert werden. Das führt in der Folge unweigerlich zu einer Zerstörung der Gesellschaften wie wir sie kennen und zu einem neuem Stammestum, einem Tribalismus mit der Bildung verschiedenster Interessensstämme, die in sich neue Gesellschaften bilden und die sich mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen.
Der konzertierte Frontalangriff zur Vernichtung des Kapitalismus
Die tiefen Zielsetzungen derer, die diese neue "Identity politics" verfolgen und die damit die bestehenden Gesellschaften fundamental attackieren, können aber mit hundertprozentiger Verlässlichkeit identifiziert werden. Handelt es sich dabei doch um nichts anders als die alten marxistischen Ideologien – nur diesmal in völlig neuen Kleidern getarnt. Identitätspolitik statt Klassenkampf.
Dabei geht es erneut darum, eine schöne neue Welt zu erschaffen, eine Welt nach marxistischen Ideen, eine bessere Welt, eine ganz andere Welt. Nur die wachen Mahner erkennen hinter diesen Ideen den Versuch, die Welt nach den Mustern totalitärer Utopien neu zu gestalten.
Warum diese Bewegungen dennoch so erfolgreich sind? Wohl einfach deshalb, weil sie jeweils durchaus ein Körnchen Wahrheit in sich tragen. Doch braucht man nicht tief zu schürfen, um das Fundament freizulegen, das alle diese Bewegungen entscheidend prägt und verbindet: der Kampf zur Vernichtung des Kapitalismus.
Konzertiert ist dieser Weg dabei nicht im Sinne einer organisatorisch abgestimmten Kampagne, sondern wohl eher als ein Gleichlauf im Sinne des Zeitgeistes. Ob es ein erklärter Antirassist ist oder ein Grüner, ein Feminist oder jemand aus dem LGBTQ-Spektrum: Sie alle eint – trotz aller unterschiedlichen sonstigen Ausrichtungen eine fundamentale Zielsetzung: Die Zerstörung des westlich-liberalen und kapitalistischen Systems.
Ja, es geht diesen Bewegungen auch um die Rechte der Frauen, der Schwulen, es geht um Gerechtigkeit für Menschen aller Rassen und um das Klima etc. Doch hinter all diesen Teilzielen steht ein explizites Generalziel ganz oben auf ihrer aller Agenda, das auch unmissverständlich getrommelt wird: die Zerstörung des Kapitalismus.
Keine Frage, dass sich bei weitem nicht alle Mitglieder dieser Bewegungen mit dem Generalziel der Zerstörung des Kapitalismus identifizieren, oft haben sie schlicht keine Ahnung, wofür sie da eigentlich missbraucht werden. Um es sinngemäß mit Dennis Prager zu sagen: "Den Grünen geht es nicht wirklich um den Planeten, den Klimaaktivisten nicht um das Klima, den Feministen nicht um die Frauen und den BLM nicht um das Schicksal der Afroamerikaner! Worum es ihnen allen geht, ist an die Macht zu kommen und dann die Gesellschaft marxistisch umzugestalten."
Wie weit so manche Gesellschaften auf diesem Weg bereits gekommen sind, lässt sich am Beispiel der Nation gut zeigen, die bis vor kurzem für sozialistische und kommunistische Ideen so wenig empfänglich war wie kaum eine andere (mit Ausnahme der ehemals kommunistischen Sowjetrepubliken Osteuropas vielleicht). Dass ein ausgesprochener Sozialist wie Bernie Sanders solche Zustimmung insbesondere bei den jungen Menschen erfahren hat, war noch bis vor kurzem undenkbar. Dabei waren seine Ansagen nicht irgendwie verschleiert, sondern Sozialismus pur – und das unter dem Jubel der Massen.
Was sich an Sanders‘ Wahlkampf gezeigt hat, war nichts anderes als die Ernte der gut bewässerten und gedüngten Frucht einer flächendeckenden und langjährigen linken Sozialisierung der Menschen via Schulsystem, via Medien, allen voran via Hollywood, ohne aber neue Medien wie Netflix dabei außer Acht lassen zu dürfen, via Politik, Kirchen und Religionen.
Wie stark diese Welle bereits angewachsen ist, zeigt sich auch im wütenden Widerstand des Systems gegen die Präsidentschaft des immer wieder natürlich sehr fragwürdigen Donald Trump: Selbst wenn dieser – was sehr häufig der Fall ist – das Gleiche tut und sagt wie sein Vorgänger Obama, schlägt ihm regelmäßig ungeheure Wut entgegen. Besucht Obama Mount Rushmore, erntet er dafür Beifall, tut dies Trump, wird ihm vorgeworfen, wie problematisch diese Sehenswürdigkeit eigentlich sei – und das jeweils von CNN. Dennis Prager hat den Grund dafür schlicht und einfach darin ausgemacht, dass die Linke in ohnmächtiger Wut darüber kocht, nicht selbst die Präsidentschaft innezuhaben und dadurch in ihrem Projekt einer fundamentalen Umgestaltung der Gesellschaft (vorübergehend) behindert zu sein.
Warum aber erfreut sich der Marxismus trotz all der furchtbaren Fehlschläge der Geschichte derart großer Beliebtheit und warum ist andererseits der Kapitalismus so verhasst? Ein wesentlicher Grund mag darin liegen, dass wir im Westen die Probleme des kapitalistischen Wirtschaftssystems nahezu täglich vor Augen geführt bekommen.
Ja, der Kapitalismus ist nicht das Paradies und wird es auch niemals werden. Nun könnte man daraus folgern, dieses System eben kontinuierlich verbessern zu müssen und vieles ist ja in den letzten Jahrzehnten auch geschehen. Oder man kommt in guter marxistischer Tradition zum Schluss, dass dieses System in sich falsch und nicht heilbar ist. Alles was man tun kann ist, es zu zerstören und auf den Trümmern eine neue Welt zu bauen. Frei nach Pipi Langstrumpf klingt das so: "Wir bauen uns die Welt, wie sie uns gefällt!"
Dabei könnten wir die Systeme ja sowohl historisch aber auch aktuell unschwer miteinander vergleichen: Hier der liberale Kapitalismus, der trotz aller Schwächen, zwar keine perfekten aber doch die wohlhabendsten und gerechtesten Gesellschaften hervorgebracht hat, die die Welt je gesehen hat. Dort der Kommunismus/Sozialismus, der – wie dies Friedrich Hayek so überzeugend nachweist – immer in ein totales System abgleitet, Wohlstand zerstört und furchtbare Armut bringt und dazu noch Unterdrückung und Menschenverachtung. Den guten Sozialismus, der die Irrtümer der Vergangenheit vermeidet und das Paradies auf Erden schafft, bleibt uns die Welt wohl ewig schuldig. Dieser ist es aber, der so viele Menschen ideell beflügelt.
Die Sehnsucht nach einem besseren und gerechteren Leben, nach anderen Regeln, ohne den Ballast der langen Geschichte der Menschheit, hat Reformer aller Zeiten dazu getrieben, zu versuchen, sich ihre eigene heile Gesellschaft zu schaffen. Sei es Paul Schäfer mit seiner Colonia Dignidad in Chile ab dem Jahr 1961. Oder Otto Mühl mit seiner Friedrichshof-Kommune in Zurndorf ab dem Jahr 1972. Tragisch auch das Schicksal der Aussteiger, die ein neues Leben zurück in der heilen Natur auf den Galapagos-Inseln ab Ende der 20er-Jahre suchten oder die vielen Sekten, die eine neue Welt erschaffen wollten, wie die Kommune in WACO unter dem Anführer David Koresh, die traurige Berühmtheit erlangte.
Die Liste ließe sich lange fortsetzen, doch all diesen Versuchen ist eines gemein: Aus den anfänglich vielleicht besten Motiven wurden schließlich menschenverachtende und totalitäre Systeme errichtet, es wurden die Menschen furchtbar unterdrückt und missbraucht, nicht selten auch ermordet.
All diese Experimente zeigen mehr als deutlich, dass der Versuch, Gesellschaften einfach ganz anders zu denken und den Ballast der Vergangenheit abzuwerfen, regelmäßig zum Scheitern verurteilt ist. Die oben angeführten Beispiele zeigen dieses Scheitern im Kleinen. Wehe den Menschen in Gesellschaften, die solche Experimente im Großen wagten, die Geschichtsbücher sind voll von ihren oft Millionen Toten. Übrigens war auch der Nationalsozialismus ein zutiefst sozialistisches Experiment, siehe dazu den sehr interessanten Vortrag von George Reismann.
Ist also der Kapitalismus wert verteidigt zu werden? Wenn ja, wer traut sich das heute angesichts einer zu befürchtenden Welle der Empörung überhaupt noch zu?
Zuletzt hat Kanzler Kurz einen solchen Versuch in seinem Artikel im "TIME" gewagt. Dieser Versuch ist in unseren Tagen schon deshalb beachtenswert, weil eine solche Verteidigung ein Affront gegen all die vielen mächtigen Strömungen ist, die für die Zerstörung des Kapitalismus eintreten und dafür mobilmachen. Es scheint schon so, als hätte Sebastian Kurz die derzeit herrschende fundamentale Auseinandersetzung erkannt, wenn er ausführt:
"… we should beware proposals from the far left, which, instead of fixing our system, often advocate breaking it in favor of a socialist centralized state in green disguise. We must be very clear: collectivist ideas of centralization, prohibition and paternalism have failed always. No matter where they came from ideologically, they caused social injustice, economic misery and much worse. They will not suddenly help us now."
Oder wenn er ausführt: "If we want to effectively fight climate change and at the same time stay on the path of economic progress, we should build on the best model human history has seen: liberal democracy, based on a free-market economy and the rule of law.”
Bemerkenswert und geradezu mutig dieser Ansatz, die diversen Bewegungen beim Wort zu nehmen und zu unterstellen, dass es den Grünen zutiefst um den Planeten ginge und den Klimaaktivisten wirklich um das Klima etc. und nicht primär um eine machtpolitische Veränderung der Gesellschaft.
Ganz offensichtlich hat Kanzler Kurz verstanden, dass der gute alte Adam Smith mit seiner "unsichtbaren Hand" ein unverzichtbares Kernprinz des erfolgreichen Wirtschaftens erkannt hat. Wie wurde und wird Smith bis heute doch dafür diffamiert, dass er betont hat, welche schöpferische Kraft in der eigenmotivierten Schaffenskraft des Menschen liegt, der versucht, sein Schicksal in die Hand zu nehmen, der berufliche Möglichkeiten ergreift, um sein Leben (und das Leben seiner Familie) zu finanzieren und der so einen wesentlichen Beitrag zur Gesellschaft und zur Wirtschaft leistet.
So etwas wie eine "unsichtbare Hand" wäre es, die das Schaffen des Einzelnen mit dem aller anderen koordiniert. Denn wenn der eine den Bedarf nach Mehl erkennt und weiß, dass er diesen als Müller befriedigen und daraus einen Lebensunterhalt generieren kann, wird ein anderer das gleichzeitig als Metzger, Schreiner, Lehrer, Arzt Techniker, Politiker etc. tun. Ob ein Job erfolgsträchtig ist, bestimmt sich nämlich am Preis, der für diese Leistung oder diese Waren erzielbar ist sowie am innovativen Geschick der jeweiligen Menschen, in ihrer Arbeit immer besser zu werden. Die Konsumenten entscheiden schließlich darüber, wer Erfolg hat (und wer nicht), indem sie bestimmte Produkte und Dienstleistungen kaufen oder eben nicht.
Solche zutiefst demokratischen Kaufentscheidungen, die wiederum als Informationsquelle über die Qualität der Produkte wie auch über den erzielbaren Preis herangezogen werden können, werden täglich gefällt. Ja, die Konsumenten wollten das iPhone des Steve Jobs unbedingt haben, auch zu einem horrenden Preis. Doch Wettbewerb bedeutet auch, dass sich selbst Apple nicht ausruhen darf, denn Samsung (wie nun viele andere mehr) hat ein wohl ebenso tolles Gerät auf Lager.
Für wen werden sich die Kunden morgen denn entscheiden? Sie allein bestimmen das Schicksal dieser Firmen durch ihre freie Kaufentscheidung. Insofern ist der Kapitalismus ein System, das zu ständiger Innovation und Verbesserung zwingt und das ist gut so. Natürlich bedarf auch ein kapitalistisches System gewisser staatlicher Vorgaben, wie weit diese gehen sollen, darüber streiten sich die Geister.
Die sozialistische Wirtschaftsform ist demgegenüber eine dirigistische und zentralistische Zwangswirtschaft. Was produziert wird, zu welchem Preis, und schließlich auch, wer was kaufen darf, entscheiden die Eliten, die jedoch im Gegensatz zu den Konsumenten und Produzenten nur über einen Bruchteil der Informationen verfügen. Sie müssen den Preis festlegen, haben aber keinen Maßstab dafür, sie müssen Entscheidungen treffen, die sich jedoch schon als überholt erweisen, bevor sie noch gefällt wurden.
Wozu das führt, an einem Beispiel: Dass man im sozialistischen Paradies der DDR irgendwann – wenn man Glück und/oder Protektion hatte – auf eine Liste für den Erwerb eines Autos kam, anschließend viele Jahre warten musste und dann um horrendes Geld stolzer Besitzer eines technisch völlig inferioren Trabi wurde, zeigt die ganze Malaise einer zentralgesteuerten Mangelwirtschaft, genannt Sozialismus.
Genau dorthin aber steuern wir nun auch im Westen mit Riesenschritten, denn die immer wieder propagierte Vision eines neuen und wahren Sozialismus, der ganz anders gestrickt wäre, ist bloß ein Ammenmärchen und sonst nichts. Zu sehr liegt der zerstörerische Effekt dieses Systems in seinem Bauplan begründet oder wie dies Dennis Prager sagen würde: "What the left touches it destroys – always!"
Der konzertierte Frontalangriff zur Vernichtung der liberalen, jüdisch-christlichen Gesellschaft
Wir erleben derzeit also einen Frontalangriff auf den Kapitalismus und viele Christen finden das auch so richtig gut. Selbst Papst Franziskus dürfte das gefallen, denn seiner Meinung nach ist es diese kapitalistische Wirtschaft, die tötet! Doch auch die Soziallehre der Katholischen Kirche hat – ursprünglich nach einem klaren Bekenntnis zum Kapitalismus – mittlerweile ein anderes Fahrwasser eingeschlagen, wie dies Martin Rhonheimer klarlegt.
Ist also aus jüdisch-christlicher Sicht der Kapitalismuskritik beizupflichten bzw. befinden sich Juden und Christen nicht vielleicht ohnehin in einem Boot mit all den Bewegungen, die dies fordern? Das oft enthusiastische Engagement vieler Christen in all diesen Bewegungen, sei es bei den Grünen, sie es im Feminismus, legt dies ja nahe.
Im Unterschied zum oben angesprochenen Generalziel der Zerstörung des Kapitalismus findet sich kein offensichtlich propagiertes Ziel der Zerstörung des jüdisch-christlichen Menschen- und Gesellschaftsbildes. Interessant, aber worin könnte der Grund dafür zu finden sein? Drei Antworten liegen auf der Hand:
- Die Zerstörung des jüdisch-christlichen Menschen- und Gesellschaftsbildes ist gar kein Ziel all dieser Bewegungen.
- Diese Bewegungen haben Angst davor, dass dieses Ziel bekannt würde und bleiben damit lieber in der Deckung, denn zu stark wären die Kräfte, die man als Gegner zu befürchten hätte.
- Die jüdisch-christlichen Kräfte werden in keiner Weise als Bedrohung wahrgenommen, können sie doch nur zu leicht vor den eigenen Karren gespannt werden. Ihre Zerstörung erfolgt im Vorbeigehen unterwegs (windfall profits), ohne weiteres Zutun. Wozu sich damit überhaupt noch abgeben?
So naiv die Antwort 1) ist, so absurd und größenwahnsinnig wäre Antwort 2). Bleibt leider also lediglich Antwort 3), mit es sich näher zu befassen lohnt.
Natürlich ist die Zerstörung des jüdisch-christlichen Menschen- und Gesellschaftsbildes ein implizites Ziel der oben angeführten Bewegungen, aus meiner Sicht sogar ein der Zerstörung des Kapitalismus übergeordnetes, doch die Erreichung dieses Zieles steht nicht mehr zur Debatte, dieser Krieg ist bereits gewonnen (oder verloren, wenn man es aus der Sicht der vermeintlich Ewiggestrigen so sehen möchte).
Da findet kaum mehr erkennbare Gegenwehr statt, höchstens ein meist halbherziges Rückzugsgefecht, hier und da. Viele sind schon froh, in Ruhe gelassen und nicht attackiert zu werden. Was sich allerdings immer noch lohnt, ist es, den Kapitalismus anzugreifen, denn in diesem System finden sich wesentliche Teile des jüdisch-christlichen Menschen- und Gesellschaftsbildes wieder.
Die Kirchen sind zwar besiegt, aber im Kapitalismus leben Elemente dieser verhassten Ideen weiter. Und dort sind sie auch nach wie vor mächtig, denn sie funktionieren und sind die Basis des unglaublichen Wohlstandes sowie der Freiheit in den westlichen Gesellschaften. Es mag schon sein, dass viele kein Problem mit der "Ehe für alle" sehen und deren Potenzial, das Familienbild sukzessive zu zerstören, wenn aber jemand ihren Wohlstand anzugreifen droht, können sie so richtig ungemütlich werden. Hilft ihnen jedoch auch nicht viel, denn wenn das drohende Ende der Menschheit zum Beispiel durch den Klimawandel propagiert wird, ist jedes Mittel legitimiert, auch der Wohlstandsverlust des Einzelnen – Corona lässt grüßen!
Die wesentlichen Mainstreampositionen der oben genannten Bewegungen, mit denen sich erstaunlicherweise auch viele Christen mühelos identifizieren und die als Meilensteine für einzelne Schlachten dieser Auseinandersetzung stehen, die letztlich aber für die fundamentale Niederlage von entscheidender Bedeutung waren, sind zum Beispiel:
- Gott spielt in den westlichen Gesellschaften keine Rolle, er ist tot! Selbst eine Bezugnahme einer EU-Verfassung auf Gott wurde in der EU abgelehnt. Das heißt: Wir lassen uns von Gott nicht mehr in unsere schönen neuen Sozialkonstrukte dreinreden, sondern machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Wenn wir niederknien, dann sicher nicht vor Gott, sondern vor "Black Lives Matter".
- Als Mann und Frau schuf er sie – abgeschafft! Geschlechter gibt es nicht – und wenn doch irgendwie, dann sicher nicht als Mann und Frau!
- Familie im biblischen Sinne – abgeschafft, denn alles, wo sich Menschen als Familie fühlen, ist Familie.
- Du sollst nicht töten – (Gen 9,6) abgeschafft! Ungeborene (in Teilen der "zivilisierten" Welt auch bereits geborene) Kinder dürfen getötet werden – zu abertausenden! "Pro choice" klingt gut, es kostet aber immer jemanden sein Leben!
Letztlich läuft alles auf die entscheidende Frage nach dem Menschenbild hinaus: Ist der Mensch ein in Gottes Ebenbild, nach einem guten Gedanken geschaffenes Wesen, dessen Leben heilig ist, weil Gott heilig ist (Gen 1, 26f), der mit der unveräußerlichen Würde eines Gotteskindes beschenkt wurde, der von Gott gekannt ist, der von Gott auch ganz persönlich angesprochen wird und dessen Leben – um es mit Viktor Frankl zu sagen – immer einen tiefen Sinn entfaltet, der entdeckt werden will? Oder ist der Mensch nichts von alledem, ein Zellhaufen bloß, der ohne weiteres verzweckbar ist, für welche Ideologie, für welches ach so tolle Ziel auch immer?
Kanzler Kurz hat sich in seinem Times-Artikel zu einer Verteidigung der "liberal democracy, based on a free-market economy and the rule of law" aufgeschwungen. Soweit so wichtig und so gut! Wer aber verteidigt die jüdisch-christlichen Grundwerte, die nichts weniger als eben die Basis für unseren liberalen Rechtsstaat, für die freie Marktwirtschaft, aber auch für die Freiheit jedes Einzelnen darstellen und deren bereits weithin sichtbare Erosion diese so erfolgreichen westlichen Gesellschaften schon heute gehörig ins Wanken bringen?
Diesem konzertierten Frontalangriff zur Vernichtung der liberalen, jüdisch-christlichen Gesellschaften haben die westlichen Demokratien denkbar wenig entgegenzusetzen, denn zu heftig bläst ihnen der Zeitgeist aus allen Himmelsrichtungen ins Gesicht. Doch halt: Schon so oft hat sich der Wind im Laufe der Geschichte von einem Augenblick auf den anderen gedreht und plötzlich wurde vor aller Augen sichtbar, was Wahrheit ist und was Lüge.
Ja, der Geist weht eben wo, wie und wann er will – er, der Heilige Geist!
Mag. Johannes Leitner ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er ist Leiter eines genossenschaftlichen Revisionsverbandes, Steuerberater und war langjähriger Leiter einer christlichen Laiengemeinschaft im Raum Wien. Er ist Mitautor des 2012 erschienenen Buches "Sexueller Missbrauch in Organisationen; Erkennen-Verstehen–Handeln".