Neue Normalität statt Demokratie

Einen Tag nach den Weihnachtsfeiertagen, am 7. Jänner, hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die türkisgrüne Regierung angelobt. Sebastian Kurz und sein grüner Vize sind also erst seit gut vier Monaten im Amt. Das sollte man sich in Erinnerung rufen, weil es einem vorkommt – zumindest geht es dem Autor dieser Zeilen so – als würden Kurz und Kogler schon eine halbe Ewigkeit regieren. Weil sich das Land in dieser kurzen Spanne, innerhalb von Wochen dramatisch verändert hat. Nicht zum Besseren.

Was bis vor kurzem undenkbar war, als unumstößlich galt, wogegen Medien und NGOs heftig gekämpft haben, ist plötzlich Normalität, "neue Normalität", wie es der Bundeskanzler treffend ausdrückt. Diese neuen Verhältnisse, die dank breiter Unterstützung durch Medien und Teile der Gesellschaft tatsächlich Normalität geworden sind, haben nicht mehr viel mit dem freien, demokratischen Österreich zu tun, wie wir es seit Jahrzehnten gekannt haben.

Blenden wir kurz zurück. Ein, zwei Jahre. Zurück in das düstere türkisblaue Zeitalter, als die damalige Regierung unter strengster Beobachtung der aufrechten Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaat standen. Als täglich die Gefahr einer Nazi-Diktatur an die Wand gemalt wurde.

Mittlerweile wissen wir, diese Kräfte haben sich nicht um unsere Demokratie gesorgt, haben nicht für den Rechtsstaat gekämpft. Worum es ihnen stets ging, war, möglichst rasch wieder Linke in die Regierung zu hieven, unabhängig davon, wie und was die Bevölkerung will.

Der linke Falter nannte Sebastian Kurz damals Neofeschisten, der Kanzler wurde von den linken Medien als Anführer einer hochgradig gefährlichen rechtspopulistischen Truppe dargestellt. Über diese Zeit hat der Autor dieses Textes ein Buch geschrieben: "Kickl muss weg – Der schmutzige Kampf um die Macht". Darin wird beschrieben, wie die halbe Republik, nämlich die linke Reichshälfte, in einen Zustand der Dauerhysterie verfallen ist.

Über die ihnen zur Verfügung stehenden Kanäle, und das sind dank ihres erfolgreichen Marsches durch die Institutionen praktisch alle relevanten, verkündeten sie das baldige Ende des Rechtstaates, dass die widerlichen Rechten die Macht an sich reißen, die Demokratie abschaffen und die Bürgerechte drastisch einschränken würden. Das hörte und las man damals Tag für Tag. Auch der stets besorgte Bundespräsident meldete sich im Wochenrhythmus mahnend und drohend zu Wort.

Um diese Panikmache und Dauerpropaganda zu befeuern, konstruierte man aus Nichtigkeiten Skandale, zauberte stets Neues aus dem Hut. Und wenn es nur ein harmloser und unbedeutender Provinzfunktionär mit einer ebenso harmlosen, selbst gedichteten Tierfabel war. Dank dieses Zusammenschlusses aller "guten" Kräfte, dank der linken Diskurs- und Meinungshoheit, war es ein Leichtes, den Bürgern einzureden, ihre Freiheit und Zukunft sei in akuter Gefahr. Innenminister Kickl galt als das Mastermind dieser von Linken medial verbreiteten Verschwörungstheorie.

Man schaffte es sogar aus Nebensätzen, Taferln oder einzelnen Wörtern internationale Skandale zu konstruieren, auch wenn man dafür die Realität bzw. Wahrheit entstellen musste, oftmals bis zur Lüge.

Eine Medienkampagne folgte der nächsten, von der heimlichen Machtergreifung der Burschenschaften, Kickls Konzentriert-Sager, den Polizeipferden, einem harmlosen Rundmail aus dem Innenministerium, dem Taferlskandal, bis zur 1,50-Euro-Regelung und der BVT-Affäre, in der die ÖVP ganz tief drinsteckt, die überhaupt kein Thema mehr ist, schon gar nicht für die Grünen.

Irgendeinen Anlass fanden die besorgten linken Schein-Demokraten immer, auch wenn er Jahre zurücklag, Politzwerge aus den hintersten Reihen betraf oder erst mühsam zusammengebastelt werden musste, um eine mediale Breitseite auf die FPÖ bzw. die Regierung abfeuern zu können. Das linke Teamwork funktionierte quer durch Politik, Medien, Kirchen, NGOs, Unis, Bühnen perfekt.

Die linken Meinungs- und Stimmungsmacher versetzten das Land und die Gesellschaft mit ihrem Alarmismus in einen dauerhaften Angst-, Empörungs- und Erregungszustand.

Trotz aller Warnungen und dunkler Prophezeiungen überstand unsere Demokratie die eineinhalb türkisblauen Jahre ohne Kratzer und Schrammen, kein Bürgerrecht wurde beschnitten, keine unserer Freiheiten eingeschränkt, keine faschistische Diktatur errichtet.

Jetzt ist alles anders. Unsere Demokratie von damals ist nicht mehr wiederzuerkennen. Und nein, das hat nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. Nichts. Das hat ausschließlich mit der Regierung und ihren Helfershelfern in Medien, Kultur und anderen Bereichen der Gesellschaft zu tun.

Gerade für außergewöhnliche Situationen wie die Corona-Krise gibt es die Verfassung, gibt es demokratische Regeln. Wer sie bei der erstbesten Gelegenheit ignoriert, außer Kraft setzt, hat Demokratie nie verstanden oder etwas anderes, undemokratisches im Sinn.

Die Corona-Krise war und ist nur der Vorwand für den politischen Systemwechsel, den wir gerade erleben und auf den die Grünen seit ihren Anfängen in den 1970ern bzw. 80ern systematisch hinarbeiten. Auch Sebastian Kurz und seine türkisen Ministermarionetten haben sehr schnell Gefallen an ihrer neuen Machtfülle gefunden – vor allem der Innenminister –, zumal sie, seit sie die Grünen ins Boot geholt haben, von den Medien nichts mehr zu befürchten haben. Mit seinen grünen Ministranten ist für Kurz plötzlich alles möglich. Was er mit seinem blauen Koalitionspartner nicht einmal zu träumen gewagt hätte, kann er jetzt per Verordnung und unter Applaus selbst der ganz linken Medien einfach durchdrücken.

Demokratie war gestern, jetzt regiert man entspannt mit Erlässen und Verordnungen am Parlament vorbei, nachdem man einen Wust an Maßnahmen in völlig unübersichtliche Sammelgesetze gepresst hat. Diese Regierung hat die Corona-Epidemie schamlos ausgenutzt, um unseren Rechtsstaat innerhalb weniger Wochen zu demontieren. Die türkisgrüne Regierung hat dafür nur einige Tage bzw. Wochen benötigt. Bis heute findet das kein relevantes Medium des Landes zumindest bedenklich. Im Gegenteil, die beiden größten und wichtigsten Medien des Landes, der ORF und die Kronen Zeitung, sind zu Regierungs-Claqueuren verkommen.

Egal ob Reise-, Bewegungs-, Meinungs-, Vertrags- oder Erwerbsfreiheit, sie alle sind zum Teil massiv eingeschränkt worden. Früher war alles erlaubt, was nicht verboten war. Jetzt ist es umgekehrt: Alles, was uns die Regierung nicht erlaubt, ist verboten. Die Grünen haben nach nur wenigen Wochen in der Regierung ihre basisdemokratische Maske fallen gelassen. Mit Hilfe der von ihnen geschürten Corona-Panik können sie, die sich schon immer für die klügeren, moralischeren und besseren Menschen gehalten haben, die schon immer davon überzeugt waren, über die Rezepte zur Rettung der Welt und zur Verbesserung des Menschen zu verfügen, umsetzen, wovon sie seit Jahrzehnten träumen.

Die Bürger bzw. Untertanen mit Erlässen zu steuern und zu bevormunden, das Land und die Gesellschaft nach ihren neomarxistischen Vorstellungen umzubauen, obwohl sie nur eine 14-Prozent-Kleinpartei sind, genau das wollten sie schon immer. Das sieht man einem Werner Kogler oder Rudi Anschober auch an, wenn sie im Tagesrhythmus vor den staatlichen ORF-Kameras lustvoll neue Einschränkungen oder gönnerhaft kleine Lockerungen verkünden. Sie sind am Ziel.

Dabei würde man gerne noch weiter gehen, zumal die gleichgeschalteten Medien ohnehin auf Hofberichterstattung und Regierungspropaganda umgestellt haben, Kritik an der Regierung in den sogenannten progressiven Kreisen mittlerweile verpönt ist und die linken Blätter praktisch alles widerspruchslos mittragen, was Kurz und Kogler beschließen.

Selbst als Anschober per Oster-Erlass der Polizei zugestehen wollte, dass sie, wie seinerzeit die Gestapo, nach Gutdünken und ohne richterlichen Beschluss einfach in Privathäuser und Wohnungen stürmen kann, übte nur das eine oder andere Medium dezente Kritik. Als Anschober diesen Erlass mit einer faulen Ausrede wieder zurückzog, gaben sich die kritischen Journalisten damit zufrieden, hakten nicht weiter nach. Kein Sturm der Entrüstung, wie er noch vor ein, zwei Jahren wöchentlich durch Österreichs Medienlandschaft blies.

Die bis vor kurzem noch extrem polizeikritischen linken Blätter und Sender halten nun still, selbst wenn die Polizeikräfte des Innenministers zum wiederholten Male völlig übers Ziel hinausschießen und schwangere Frauen, junge Mütter, Spaziergänger, Parkbesucher und andere "Corona-Sünder" beamtshandeln und mit saftigen Geldstrafen belegen. Dass die Medien in Bezug auf Corona der Polizei fast alles durchgehen lassen, nutzen einige offenbar jetzt aus.

Auch dass die türkisgrüne Regierung Milliarden über eine GmbH, eine Agentur verteilen lassen will, regt die Presse nicht übermäßig auf. Unter anderem deshalb, weil die Medien bereits mit Millionen Euros an Corona-Hilfen ruhiggestellt worden sind.

Das muss man sich vorstellen: Zuerst wurde das Epidemie-Gesetz, das von den Corona-Maßnahmen betroffenen Unternehmen Entschädigungszahlungen garantiert hätte, durch ein Maßnahmenpaket ersetzt. Die Unternehmen haben nun keinen Rechtsanspruch mehr auf finanzielle Hilfeleistungen, sie werden zu Bittstellern degradiert und sind auf das Wohlwollen der türkisgrün gesteuerten Vergabestellen angewiesen.

Milliarden werden nun ohne echte Kontrolle verteilt. Dass diese Geldausschüttungs-Agentur von einem ÖVP-Mann und einem Grünen geführt wird, und man die Opposition mit Plätzen in einem zahnlosen Beirat abspeisen wollte, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Die Corona-Hilfsgelder sollen offenbar dazu missbraucht werden, um neue Abhängigkeiten zu schaffen, um regierungsfreundliche Unternehmer, Selbstständige, Künstler etc. zu belohnen und kritische zu bestrafen. Das wurde in Österreich in abgeschwächter Form schon immer praktiziert, etwa zu Zeiten des Proporzes und der großen Koalition. Jetzt wurde es unter ÖVP und Grünen auf ein neues Level gehoben.

Solche Methoden erinnerten bisher eher an Staaten wie Weißrussland. Nach vier Monaten grüner Regierungsbeteiligung gehören sie in Österreich bereits zur (neuen) Normalität. Jetzt stellt sich heraus, dass seinerzeit nicht die ÖVP dafür gesorgt hat, dass die FPÖ aus Österreich keinen autoritären Staat macht, es war umgekehrt.

Dass ausgerechnet Werner Kogler sich nun öffentlichkeitswirksam um die Demokratie im Nachbarland Ungarn sorgt und Viktor Orbán einen autoritären Führungsstil vorwirft, ist ein billiges und lächerliches Ablenkungsmanöver. Orbán agiert mit dem Segen des Parlaments, während die österreichische Regierung mit Verordnungen, die für solche Zwecke gar nicht gedacht und geeignet sind, mehr oder weniger am Parlament vorbei agiert.

Was echte Demokraten erschüttern muss, ist nicht nur das Vorgehen der Regierung, sondern auch, wie die Medien, Kulturschaffenden, Politexperten und andere gesellschaftliche Kräfte darauf reagieren oder besser nicht reagieren.

Innerhalb weniger Tage und Wochen hat diese Regierung die elementaren Bürger- und Freiheitsrechte massiv eingeschränkt und jene, die bis vor kurzem noch lautstark gegen FPÖ-Minister demonstriert, kampagnisiert und angeschrieben haben, sind plötzlich ganz ruhig. Sie finden nichts Anstößiges daran, dass die türkisgrüne Regierung sukzessive Rechtsstaat und Demokratie aushöhlt und demontiert.

Die Journalisten, Experten und andere linke Meinungsführer und Welterklärer haben offensichtlich kein Problem mit autoritärer Machtausübung. Nur links muss sie sein bzw. von den Linken, sprich Grünen mitgetragen werden. So lange das der Fall ist, können Kanzler und Regierung mit Unterstützung der Medien frei agieren.

Kurz löst selbst dann keine Stürme der Empörung aus, wenn er das Fundament unseres Staates, die Verfassung, verächtlich macht, sich über sie nonchalant hinwegsetzt, indem er eingesteht, dass nicht alles, was man in den letzten Tagen und Wochen verordnet hat, auch verfassungskonform gewesen sei. Und er setzt noch einen drauf, es ist ihm nämlich wurscht. Schließlich würden diese Maßnahmen ja ohnehin mit dem Ende der Pandemie aufgehoben werden. Allerdings ist das erstens zu bezweifeln und zweitens weiß niemand, wann und ob die Regierung das Ende der Krise verkünden wird bzw. nicht schon die nächste Krise ausrufen wird.

Für die Grünen steht bereits fest: Nach der Krise ist vor der Krise. Das hat bei der linken Panik-Partei eine lange Tradition: Rohstoffmangel, Atomkrieg, Waldsterben, Ozonloch, Gentechnik, Klimawandel etc. Irgendwas finden die Grünen immer, um Angst und Schrecken zu verbreiten und sich selbst als Retter in der Not aufzuspielen.

Man muss die Menschen nur in einem dauerhaften Angstzustand halten, ihnen Gefahren einreden und das drohende Ende der Welt verkünden, dann lässt sich der linke Systemwechsel widerstandlos und geschmeidig vollziehen. Corona macht grüne Träume wahr.

Man hat die verhasste Marktwirtschaft innerhalb von Tagen erfolgreich zerstört, jetzt machen sich die Grünen mit Unterstützung des Kanzlers daran, eine Öko-Planwirtschaft aufzuziehen, wie Gewessler, Kogler und Co schon mehrfach, wenn auch mit anderer Terminologie, angekündigt haben.

Und weil es bei Corona so gut klappt, will man mit der Klima-Angst nahtlos weitermachen. Rudi Anschober, der schmächtige Volksschullehrer aus Oberösterreich, träumt bereits öffentlich davon, auch nach der Corona-Krise so weiterregieren zu wollen wie bisher. Schließlich sei der Klimawandel eine noch größere Gefahr für die Menschheit als das Corona-Virus, deshalb sei es auch angemessen, künftig noch härter durchzugreifen, noch mehr Ge- und Verbote zu erlassen. Man muss schließlich den Planeten retten, da spielen Bürgerrechte und Freiheit nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ist noch nicht lange her, da gerieten die Grünen als Verbotspartei in Verruf, jetzt feiern sie mit dieser Politik große Erfolge.

Anschobers über den ORF verkündeten Allmachtsphantasien folgte kein empörter Aufschrei jener Kräfte, die sich vor eineinhalb Jahren große Sorgen um unsere Demokratie gemacht hatten. Viele Journalisten, Künstler, Wissenschaftler und andere linken Kräfte wollen offenbar in einer grünen Diktatur mit Öko-Planwirtschaft leben.

Nein, Demokratie war ihnen nie ein echtes Anliegen, für diese sind sie nur solange eingetreten, bis ihre eigenen Leute an der Macht waren. Auch der grüne Bundespräsident, der vor kurzem noch die Schönheit und Wichtigkeit der Verfassung gepriesen hat, schweigt hartnäckig. Das ist die neue Normalität in Österreich.

In unserem Land gibt es offenbar in weiten Teilen der Bevölkerung, auf rechter, bürgerlicher, aber mehr noch auf linker Seite, eine große Sehnsucht nach einer starken politischen Führung, einem Nanny-Staat, der sich um alles kümmert, der die Verantwortung für alles und jeden übernimmt. Sicherheit bzw. vermeintliche Sicherheit ist den meisten Österreichern offenbar wichtiger als Freiheit, man lässt sich bereitwillig entmündigen, weil man so keine Verantwortung mehr tragen muss. Man vertraut sein Leben und sein Glück lieber Menschen wie Rudi Anschober an, als sich selbst darum zu kümmern.

Anders ist es nicht zu erklären, wie bereitwillig sich viele Österreicher der neuen Normalität fügen, selbst fragwürdigste und widersprüchlichste Entscheidungen und Maßnahmen kritiklos hinnehmen und sogar jene vernadern, die sich nicht sklavisch an die neuen Regeln halten.

Das macht Angst. Nicht das Virus.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Er hat zuletzt das Buch "Europa 2030 – Wie wir in zehn Jahren leben" bei Frank&Frei herausgegeben.

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