Die Unsicherheit der Regierungen vor dem Fastenmonat

Ein Vorfall vor einer Berliner Moschee hat die Ängste der deutschen Regierung vor dem am 23. April beginnenden Ramadan verstärkt. In Neu-Kölln hatten sich trotz der strengen Corona-Maßnahmen rund 300 Menschen versammelt. Vermutlich kein Einzelfall, aber diese Geschichte hatte es aufgrund eines großen Polizeieinsatzes in die überregionalen Medien geschafft.

Der ehemalige Chef der Grünen, Bundestagsabgeordneter Cem Özdemir, reagierte als einziger aus der deutschen Spitzenpolitik scharf: "Welchen Teil von Ansammlungsverbot und Kontaktbeschränkung haben Imam und Gemeindemitglieder der vom Verfassungsschutz erwähnten Dar-as-Salam Moschee in Neukölln nicht verstanden? Respektlosigkeit gegen Rechtsstaat und Polizei braucht spürbare Strafen!"

Deutlich knieweicher die Integrationsbeauftragte der Merkel-Regierung, Annette Widmann-Mauz von der CDU: "Jetzt kommt es auf jede und jeden an." Selbstverständlich sieht sie die Schuld auch bei den Deutschen: "Offizielle Informationen über Verhaltensregeln und Gesundheitsschutz müssen so schnell wie möglich in verschiedene Sprachen übersetzt werden."

Sie stehen allerdings bereits in 15 Sprachen zur Verfügung. Jedenfalls appelliert Widmann-Mauz an die muslimischen Gemeinden und Migrantenverbände, ihre Mitglieder "sehr deutlich auf die Corona-Beschränkungen hinzuweisen".

Warum diese Ängste? Rund um den 23. April beginnt in diesem Jahr der Ramadan. Zu den festen Ritualen des islamischen Fastenmonats gehört neben dem gemeinsamen Gebet vor allem das Fastenbrechen im Kreis von Familie, Freunden und der Gemeinde. Das ist zu Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverboten heikel.

Deshalb hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dazu aufgerufen, auch in dieser Zeit auf Menschenansammlungen zu verzichten. Die Redaktion des deutschen Nachrichtenmagazins "Tichys Einblick" vermutet, dass die rot-grüne schwedische Regierung aufgrund der vielen Migrantenviertel keine strengen Corona-Maßnahmen verhängt hatte. Laut schwedischer Polizei gibt es 60 solcher No-Go-Areas im Land, auf die der schwedische Staat immer weniger Einfluss hat und die, wie Wikipedia schreibt, von "einem hohen Anteil an muslimischen Einwanderern aus Afrika und dem Nahen Osten" geprägt sind. Mittelweile musste die linke Regierung allerdings aufgrund steigender Zahlen von Infizierten und Toten gegensteuern.

In Deutschland hofft Widmann-Mauz auf die muslimischen Verbände und Geistlichen. Sind diese Ängste begründet? Saudi-Arabien hat bereits eine Ausgangssperre für die beiden wichtigsten muslimischen Orte Mekka und Medina verhängt. Das größte muslimische Land, Indonesien, hat wie Ägypten, Kuweit und viele andere muslimische Staaten religiöse Versammlungen vorerst ausgesetzt. Auch die Islamverbände in Europa haben entsprechend reagiert.

Warum ist die deutsche Regierung nun in "Alarmbereitschaft", wie die "Welt" schreibt? Vermutlich deshalb, weil viele repräsentative Umfragen belegen, dass ein großer Teil der Muslime die Gesetze ihrer Religion über die Gesetz des Staates stellen, vor allem, wenn es sich um westliche Länder handelt.

Eine der bekanntesten ist jene vom "Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung" aus dem Jahr 2013. Der Migrationswissenschaftler Ruud Koopmans hatte muslimische Einwanderer in sechs europäischen Ländern befragt. Das Ergebnis: "Zwei Drittel der befragten Muslime halten demnach religiöse Gesetze für wichtiger als die Gesetze des Landes, in dem sie leben. Drei Viertel von ihnen finden, es gebe nur eine mögliche Auslegung des Korans."

Angesichts solcher Ergebnisse ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich bei den politischen Verantwortungsträgern eine gewisse Nervosität breit macht und sie sich sorgen, "dass an Ramadan verstärkt das Kontaktverbot gebrochen wird", wie die "Welt" schreibt. Das wäre für die Regierungen in Deutschland, Frankreich oder Österreich ein Desaster. Schweden wollte dem vermutlich von Anfang an aus dem Weg gehen.

Offenbar hat man trotz der nach außen zu Schau getragenen Zufriedenheit über seine Erfolge in der Integrationspolitik Angst, dass eine mittlerweile sehr große Minderheit bzw. gewisse Teile von ihr Gesetze ignorieren und den Staat und seine Organe entsprechend herausfordern.

Einen solchen Konflikt will man unbedingt vermeiden. Erstens weil die Bevölkerung unruhiger wird, je länger die Einschränkungen ihrer Freiheiten andauern, und auch wenig Verständnis dafür zeigen würden, wenn bei der Einhaltung der Regeln für bestimmte Gruppen Ausnahmen gemacht werden würden.

Vor allem in Österreich, wo die Polizei zum Teil überzogen vorgeht und Menschen, die alleine auf Parkbänken sitzen, bestraft oder harmlose Wanderer mit Drohnen verfolgt. Wo man aufgrund der aktuellen Verordnungen nicht einmal an dem Begräbnis eines engen Verwandten teilnehmen darf, weil es auf zehn Personen (inkl. Priester, Bestatter etc.) beschränkt worden ist.

Zweitens ist man sich alles andere als sicher, wie ein solcher Konflikt, solche Spannungen enden würden. So lange es nur zu wenigen Übertretungen kommt, werden die linientreuen Mainstreammedien durch Nichtberichterstattung dafür sorgen, dass kaum jemand etwas davon erfährt. Ansonsten gilt das Prinzip Hoffnung, dass sich die Neubürger auch während des Fastenmonats an strengen Erlässe und Verordnung halten werden.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Er hat zuletzt das Buch "Europa 2030 – Wie wir in zehn Jahren leben" bei Frank&Frei herausgegeben.

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