Fast stündlich erreichen uns alarmierende Analysen, in denen sich Experten über Sinn und Unsinn der bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie der unberechenbaren wirtschaftlichen Folgen produzieren. Wahrscheinlich hat jeder aus seinem Blickwinkel Recht und die Leser akzeptieren sicherlich Meinungen leichter, die ihrer jeweiligen Weltanschauung und Intelligenz eher entsprechen. Die überbordende Fülle an teilweise so widersprüchlichen Ansichten kombiniert mit Alarmmeldungen der Medien überfordert letztendlich auch den hellsten Kopf und hinterlässt so manchen in Panik, Resignation und Depression.
Das wäre die Stunde verantwortungsvoller, bedingungslos über Parteigrenzen hinweg kooperierender Volksvertreter, die mit einer klaren und allgemein verständlichen Linie der verunsicherten Bevölkerung Halt geben (was ja teilweise auch geschieht), anstatt diese ernsten Stunden für politisches Kleingeld, Schuldzuweisungen und Wahlgeschenke zu missbrauchen. Da fehlen aber in den taktisch wichtigen Positionen die ausgewiesenen Experten und nicht selten werken hier Parteikarrieristen ohne spezifische Ausbildung oder gar Abschluss (mit Ausnahme der Schulungen in politischen Akademien). Auf dem freien Arbeitsmarkt wären sie aber bestenfalls als Hilfsarbeiter zu gebrauchen.
Nach 4 Monaten Covid19 lassen sich jedoch schon zahlreiche Fakten und Konsequenzen ableiten.
Fakten:
Die jährliche Grippe (Influenza) fordert bis zu einer Dreiviertelmillon Todesopfer, meistens durch zusätzliche Komplikationen infolge von Vorerkrankungen bei immungeschwächten Menschen, wobei aber alle Altersgruppen meist relativ schnell einen heftigen Verlauf erleben und nicht im Rahmen einer längeren Inkubationszeit zur unbewussten Weiterverbreitung beitragen, wie dies derzeit geschieht. Zusätzlich trifft es auffallend viele Personen über 65 Jahre. Hier addieren sich jetzt aber die neuen Krankheits-, und Todesfälle dazu. Die hohe Infektiosität des Virus führt zu einem sprunghaften Anstieg der Erkrankungen und daher natürlich zur Überlastung der Gesundheitssysteme.
Quarantänebestimmungen haben sich in China (allerdings erst relativ lange nach Ignorieren der ersten Fälle) als hilfreich erwiesen, scheinen aber auch bei uns sinnvoll zu sein, da Gesunde, die zu Hause bleiben, sich nicht anstecken können und Kranke nicht mehr zur Weiterverbreitung beitragen können. Dies Alles führt zu einer deutlichen Senkung der Neuinfektionsrate durch öffentliche Virusverbreitung und entlastet die Krankenhäuser.
Es gibt signifikante Hinweise, dass die Schwere der Erkrankung von der Anzahl der Viren beim Erstkontakt (Virusload) abhängt. In Tirol befinden sich auffallend viele junge Menschen in Intensivbehandlung, wahrscheinlich infolge des regen Virusaustausches beim Feiern auf Schihütten.
Bei Alten und Geschwächten dürfte aber auch ein geringerer Kontakt für ernsthafte Folgen ausreichen.
Konsequenzen:
- Weiterhin sollte die Selbstisolation insbesondere der älteren Menschen fortgeführt werden.
- Der empfohlene Abstand von einem Meter ist ohne Mundschutz zu gering, da bei lautem Reden, Husten, Nießen die Speicheltröpfchen sich mehrere Meter verteilen.
- Größtes Ziel muss daher sein, die zirkulierende Virusload so gering wie möglich zu halten. In asiatischen Ländern, wie Taiwan oder Singapur oder Japan spiegeln die geringen Erkrankungszahlen die hohe Disziplin und Rücksicht der Bürger, die in diesen sehr stark bevölkerten Ländern auf engstem Raum leben, wider, da sie seit jeher auch schon bei harmlosen Erkältungen mit Masken Mund und Nase bedecken, um ihr Umfeld vor Tröpfcheninfektionen zu bewahren. Der Hinweis auf das wärmere Klima als virusfeindliche Umgebung hinkt insofern, da sich größere Menschenmassen vorwiegend in klimatisierten Räumen aufhalten.
- Statt Ausgangsbeschränkungen zu intensivieren, sollten daher alle im öffentlichen Bereich agierenden Bürger (in Geschäften, Praxen und Verkehrsmitteln) unbedingt zu dieser einfachen Maßnahme angehalten werden – ein feinmaschiger Schal oder Tuch sind hier ausreichend. OP-Masken schützen zwar nicht vor einer Infektion – es ist aber denkbar, dass sie zusätzlich die inhalierte Virusmenge reduzieren können.
- Aus der großen Zahl an Unterbeschäftigen können sicher verantwortungsvolle Helfer rekrutiert werden, die Einkaufswägen, Sitze, Tür- und Haltegriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln desinfizieren und in Geschäften die Mitmenschen auf Einhaltung der Bedingungen freundlich hinweisen.
- Personal in den Lebensmittelgeschäften muss besser geschützt und unterwiesen werden; dazu gehören Plexiglastrennscheiben, Mundschutz und Handschuhe. (Leider hat sich dies bei uns noch nicht herumgesprochen: so saß vor wenigen Tagen in einem Sparmarkt in der Josefstadt eine Kassierin völlig ungeschützt an der in alle Richtungen offenen Kasse und hustete in ihre Hand, um dann mit dieser meinen Einkauf über den Scanner zu ziehen – das Desinfektionsmittel stand unbenutzt daneben …)
- Populistische und gemeingefährliche Aktionen, wie die des Wiener Bügermeisters (der im Fernsehen vollmundig erklärt, seine sozialen Kontakte nicht einschränken zu wollen), der Zigmillionen Steuergeld hinauswirft, um älteren Menschen eine Taxifahrt zu spendieren, gehören sofort gestoppt. Personelle Konsequenzen sind zu fordern. Noch dazu ist diese Stimmenfängerei gemeingefährlich, da sie Menschen über 65, die sich bisher sorgfältig an die Anordnungen gehalten haben, durch den geringen Abstand zum Fahrer im kleinen geschlossenen Raum des Taxis einem massiven Infektionsrisiko aussetzt.
- Nach dem Abklingen der Akutphase sollten bei systemrelevanten Personen rasch Antikörpertests durchgeführt werden, damit diese mit nachgewiesener Immunität gefahrlos ihrer Arbeit nachgehen können.
- Internationale Reisetätigkeit muss auch nach beginnender Entspannung der Lage sorgfältig überwacht werden, um einem Neuaufflammen der Infektion entgegenzuwirken.
Nichts wäre mir leichter gefallen und hätte ich lieber getan, als in den Chor jener einzustimmen, die hinter der ganzen Sache lediglich eine mehr oder weniger den Mächtigen willkommene Situation zur Überwachung und Disziplinierung ihrer Bürger erkennen wollen.
Kollektivistische Ideologien gingen und gehen in dieser Situation natürlich anders vor, da diese doppelten Nutzen zu versprechen scheint: Einerseits ermöglicht sie die totale aufgrund der Situation für die Bürger auch notwendig erscheinende Überwachung quasi durch die Hintertüre, andererseits befreit sie die Gesellschaft von unnützen Alten und Kranken (wie unlängst im tiefroten deutschen Staatsfunk ein sogenannter Satiriker unwidersprochen monieren durfte).
Da aber in unserer überwiegend traditionalistischen Gesellschaft im Gegensatz zum real existierenden Sozialismus mehrheitlich – noch – klassisch familiäre Strukturen eine hohe Wertschätzung erfahren, hat die Sorge um das Wohl unserer Altvorderen, die uns aufgezogen und dann unter Entbehrungen unterstützt haben, einen besonderen Stellenwert, auch wenn so manche Maßnahme einigen als überzogen scheint.
Dr. Georg Ludvik ist niedergelassener Facharzt für Urologie in Wien