Am 24. 2. kostete ein Kilogramm Gold kurzzeitig über 50.000,- Euro. Der Kaufpreis für die Feinunze ("Philharmoniker") stand an diesem Tag bei einem Allzeithoch von 1.614,- Euro. In den darauf folgenden Tagen kam es allerdings zu einer kräftigen Korrektur. Gegenwärtig bewegt sich der Preis des gelben Metalls wieder auf dem Niveau des Jahre 2012. Nach einer langen, von 1985 bis 2005 anhaltenden Seitwärtsbewegung hat Gold also wieder zu glänzen begonnen. Auch der Silberpreis konnte stark zulegen.
Neben der seit Jahren gefahrenen Niedrigzinspolitik der Zentralbanken hat zweifellos das Coronavirus einen kräftigen Beitrag zur Flucht vieler Anleger in den sicheren Hafen der Edelmetalle geleistet. Aber die durch das Virus kurzfristig ausgelöste Unsicherheit – niemand kann heute seriös abschätzen, wie stark der dadurch verursachte Dämpfer für die Weltwirtschaft ausfallen wird – ist nicht der einzige Grund für die Renaissance des Goldes.
Wie beim Edelmetallhändler Degussa errechnet wurde (siehe Graphik), verzeichnet der Euro seit dem Jahr 1999 bis heute einen Wertverfall von knapp 84 Prozent gegenüber dem Gold. In Wahrheit hat sich nicht etwa der Goldpreis erhöht, sondern vielmehr ist der "Geldpreis" verfallen. Das kann angesichts der weltweit betriebenen Politik des Geldsozialismus und der monetären Alchemie allerdings auch nicht verwundern.
Bemerkenswerterweise befasst sich die herrschende, neoklassische Geldtheorie so gut wie ausschließlich mit der Geldmenge. Die Geldqualität dagegen ist für sie keine bedenkenswerte Kategorie. Folgerichtig konzentriert sich die Politik der Notenbanken ausschließlich auf die Steuerung des Volumens des Geldangebots, während sie die Geldnachfrage und die Geldqualität vollständig ausblendet.
Der deutsche Ökonom Philipp Bagus hat sich dagegen mit der Bedeutung der vom Meinungshauptstrom der Ökonomie vernachlässigten Frage der Qualität des Geldes auseinandergesetzt und seine Gedanken auf der Seite des deutschen Mises-Instituts veröffentlicht.
Bagus sieht den Grund für die Vernachlässigung der Geldqualität in der zu gering eingeschätzten Bedeutung des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel - neben seiner Funktion als Tauschmittel und Recheneinheit. Sowohl alle neoklassischen, wie auch einige "österreichische" Theoretiker konzentrieren ihr Augenmerk Großteils auf die Bedeutung der Tauschfunktion des Geldes. Bagus weist darauf hin, dass indes schon frühe Ökonomen die Geldqualität betont haben. So hat beispielsweise der spanische Spätscholastiker Juan de Mariana anno 1609 eine Münzverschlechterung als "ungerechte Steuer" bezeichnet.
An die Stelle der Münzverschlechterung mittels einer Absenkung des Edelmetallgehaltes ist in unserem Zeitalter des papierenen Fiatgeldes die ungehemmte Ausweitung der Geld- und Kreditmenge getreten. Hintergrund der Missachtung der Geldqualität durch die Theorie ist nach Bagus die vollkommen ignorierte Geschichte der Geldentstehung.
"Für die Gläubigen dieser Quantitätstheorie ist der Wert des Geldes eine Funktion seiner Menge, er ist völlig unabhängig vom Wert des Materials, aus dem die Münzen hergestellt werden, und ergibt sich ausschließlich aus seinem eigentümlichen Gebrauch."
Zwei weitere Gründe für die Vernachlässigung der Geldqualität liefern die gängige allgemeine Gleichgewichtsanalyse und die Mathematisierung der Wirtschaft. In der Gleichgewichtsanalyse hat der Marktprozess keinen Platz. Mit einer Gleichgewichtsanalyse ist die Geldqualität daher nicht zu erklären. Die Existenz eines Zahlungsmittels wird einfach vorausgesetzt, nicht aber seine Entstehung erklärt. "Die Mathematisierung in der Ökonomie und der damit einhergehende Aufstieg der Geldmengentheorie erlaubt eine Messung des Geldangebots. Da die Quantität des Geldes für die Mathematik und für Messungen besser nutzbar ist, wurden die Qualität des Geldes und damit die Nachfrage vernachlässigt."
Wie der US-Ökonom Henry Hazlitt feststellt, ist die Geldmenge zwar von großer Bedeutung für die Kaufkraft, aber eben nicht ihr alleine bestimmender Faktor. Berücksichtigt man die Entstehungsgeschichte des Geldes, erhellt sich warum. Denn Geld ist als Gut unter vielen entstanden und hat daher, wie jedes andere auch, seinen Preis, der sich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Wie bei anderen Waren ist daher auch seine Qualität von entscheidender Bedeutung für den Preis.
Exakt an dieser Stelle schließt sich der Kreis zum oben genannten neuen Goldrausch: Der legendäre Unternehmer und Bankier J. P. Morgan konstatierte einst: "Nur Gold ist Geld – alles andere ist Kredit". Da ist wohl was dran – und daran kommen auch die modernen Geldalchemisten nicht vorbei.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.