Die Systemwechsel-Ideologie

Der Übergang in illusorisches klimaneutrales Wirtschaften (Reine Schnapsidee) liest sich im Schrifttum der CO₂-Gnostiker weihevoll als die Große Transformation. Haupträdelsführer sind Deutsche. Wie bei Neusprech üblich, folgt die Darstellung dem Prinzip semantischer Verwirrung.

Das dekuvriert sich freilich schon ganz possierlich in der Übersetzung des Titels der gerafften Leitgedanken: Hauptgutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) aus 2011: Welt im Wandel — Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation > World in Transition — A Social Contract for Sustainability (siehe auch hier). Zeigt da Nachhaltigkeit ihr wahres Gesicht als ein großes Umkrempeln, oder steht der Welt die Nachhaltigkeit eines unablässig nachjustierenden Systemumkrempelns bevor? Alles angetrieben von machtgeilen Eiferern der wirrgeistigen CO₂-Gnosis …

Das absonderliche Konzept eines "Gesellschaftsvertrags" ist laut Begriffserklärungen / S. 417 ein "hypothetisches Konstrukt". Als klassische Vertreter der Vertragstheorie nennt der Eintrag Thomas Hobbes, John Locke oder Jean-Jacques Rousseau. David Hume sah das freilich ganz anders. Etwa in seiner Geschichte Englands: "And whence do all legislatures derive their right but from long custom and established practice? [Vol. V, Ch. LI, p. 38] — All government is founded on opinion and sense of duty. … No human schemes can secure the public in all possible imaginable events.” [Vol. VI, Ch. LXVIII, p. 227]

Seine Politischen Essays lehnen die fiktive Konstruktion eines Gesellschaftsvertrags rundweg ab. In VI, Of the Original Contract, folgert er aus seiner ausführlichen Untersuchung: "We shall only observe, before we conclude, that … an appeal to general opinion may justly, in the speculative sciences, … be deemed unfair and inconclusive, yet in all questions with regard to morals, as well as criticism, there is really no other standard by which any controversy can ever be decided. And nothing is a clearer proof that a theory of this kind is erroneous than to find that it leads to paradoxes repugnant to the common sentiments of mankind and to the practice and opinion of all nations and all ages. The doctrine which founds all lawful government on an original contract, or consent of the people, is plainly of this kind; … New discoveries are not to be expected in these matters. If scarce any man, till very lately, ever imagined that government was founded on compact, it is certain that it cannot in general have any such foundation. — The crime of rebellion among the ancients was commonly expressed by the terms νεωτερίζειν (novas res moliri).” Anm. d. Verf.: Grundgedanke im Griechischen wie im Lateinischen ist das Hinarbeiten auf undurchdachte / unerprobte / nicht bewährte Neuerungen.

Sogar Locke schreibt zu Ende seiner Zweiten Abhandlung über die Regierung, dass das Staatsvolk bei gesetzgeberischem Machtmissbrauch das ursprüngliche (d.h. durch keinerlei "Gesellschaftsvertrag" eingeräumte oder beschränkte) Recht hat, die Legislative in die eigenen Hände zu nehmen: "… when by the miscarriages of those in authority it [the legislative power] is forfeited; upon the forfeiture … it reverts to the society, and the people have a right to act as supreme and continue the legislature in themselves, or erect a new form, or under the old form place it in new hands, as they think good." [The Second Treatise of Government, §243]

Die Große Transformation anderseits braucht Neusprech und kann des Gesellschaftsvertrags nicht entraten. S. 417: "Die zentrale Idee des vom WBGU entwickelten neuen Weltgesellschaftsvertrags ist, dass Individuen und die Zivilgesellschaften, die Staaten und die Staatengemeinschaft sowie die Wirtschaft und die Wissenschaft kollektive Verantwortung für die Vermeidung gefährlichen Klimawandels und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit [sic!]. Ein zentrales Element in einem solchen Gesellschaftsvertrag ist der → gestaltende Staat."

Die konstruierte Hypothese fordert beim Lesen eine Prothese, ein zu ergänzendes Zeitwort. Wie die genannten globalen Vertragsparteien, darunter bald acht Milliarden grundsätzlich eigenbestimmte Einzelpersonen, eine entsprechende Willensübereinstimmung erzielen sollen, ist gänzlich impraktikabel und sohin keine theoretisch gültige Annahme, sondern eine an den Haaren herbeigezerrte Fiktion.

Hier verrät sich, wes Geistes Kind die Propagandisten des Weltgesellschaftsvertrags sind. Sie tun so, als ob alle Menschen zustimmen würden. Das genügt. Denn angestrebt ist der aufs Stoppen des Klimawandels zugeschnittene, gestaltende Staat. Dort sollen die CO₂-Gnostiker für eine Machtstruktur sorgen, die das Große Umkrempeln alternativlos macht.

"Individuen und die Zivilgesellschaften, die Staaten und die Staatengemeinschaft sowie die Wirtschaft und die Wissenschaft" sollen nur insoweit ein Seinsrecht haben, als sie sich den Ideologievorgaben der Großen Transformation unterwerfen. Wenn es ums Überleben aller geht, unterstellen die Umkrempel-Ideologen die Zustimmung aller aus ihrer Sicht Gutwilligen zur Umkrempelei mit der Bindungswirkung vertraglicher Verpflichtung.

Wer hinterfragt, zweifelt, aus der Reihe tanzt, nicht mitmacht, bräche den Weltgesellschaftsvertrag, drückte sich um die kollektive Verantwortung und stellte sich außerhalb der ums Überleben ringenden Menschheit. Eine solche, für weniger Gebildete schwer entlarvbare Fiktion, gepaart mit Machtmitteln der Indoktrination. Propaganda oder Fünfter Kolonnen sowie der planvollen Durchsetzung, Rekrutierung bzw. Postenschaffung kann Widerspenstige gut im Zaum halten: Der Klimastaat duldet halt keinen Widerstand.

Für kritisch mitdenkende Zeitgenossen ist das ganze Unterfangen einer aus einem Weltgesellschaftsvertrag legitimierten Großen Transformation freilich das Absurdeste vom Absurden. Wenn nämlich die Hauptprämisse (CO₂-gesteuerter Klimawandel) falsch ist, sind logischerweise auch alle abgeleiteten Schlussfolgerungen und Maßnahmenkataloge falsch. Ebenso kontrafaktisch ist die Panikmache, dass der (an sich unsteuerbare) vielgestaltige, kosmisch-polyzyklische Klimawandel den ganzen Erdball für Menschen, Tiere und Pflanzen unbewohnbar zu machen droht.

Deduktives Beispiel:

Sokrates war von Jugend an taub.

Taubheit war damals unheilbar.

Also blieb Sokrates sein Leben lang taub.

Aus diesem Syllogismus ergibt sich eine Überfülle von Konsequenzen für alle platonischen Dialoge, in denen Sokrates auftritt. Scharen von Besserwissern fänden ganz neue Zugänge zur griechischen Philosophie. Xenophons Erinnerungen an Sokrates wären als Lügengeschichten bloßgestellt. Halt leider alles Makulatur, weil Sokrates eben niemals taub war, die Hauptprämisse also irrig ist.

Absurdistan oder der Gestaltende Staat: "Zentrales Element in einem → Gesellschaftsvertrag für die vom WBGU skizzierte Transformation in eine klimaverträgliche Gesellschaft. Er vermittelt zwei Aspekte, die häufig getrennt oder konträr gedacht werden: einerseits die Stärkung des Staates, der im politischen Mehrebenensystem aktiv Prioritäten setzt und diese (etwa mit Bonus-Malus-Lösungen) deutlich macht, und andererseits verbesserte Mitsprache-, Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger." S. 417

Bezeichnenderweise taucht in dem ganzen Beeinflussungselaborat oder vulgo Hauptgutachten nicht die zarteste Andeutung von etwas wie Grünem Wachstum (Entkopplung von ungezügeltem Rohstoffverbrauch und Schadstoffausstoß, Schließen von Stoffkreisläufen) in ökosozialer Marktwirtschaft auf. Mehrfach wird dafür Gedankengut herangezogen, das einen Drall zum Ökosozialismus (Adler / Schachtschneider (2010) in Literatur, S. 385 und vorher passim auf den Seiten 187 f.) aufweist. Offensichtlich haben die Gutachter mit freien Menschen, die innerhalb sozial wie ökologisch vernünftiger Spielregeln marktwirtschaftlich agieren, nichts im Sinn. Allerhöchstens soll ihnen das staatlich gelenkte Bevormundungs- und Zwangsbeglückungsregime der CO₂-Gnostiker durch partizipatives Brimborium erträglicher gemacht werden. Denn wie steht es um die "verbesserten Mitsprache-, Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger"?

Conditio sine qua non echter Mitbestimmung ist doch eine jahrelange, breitestmöglich angelegte, öffentliche Debatte über alle erforschbaren Sachfragen des Klimawandels mit einem deutlichen Für und Wider kontroverser Standpunkte. Genau das wollen die CO₂-Gnostiker in ihren hysterisch bis zur Weltuntergangspanik übersteigerten, oftmals wahnhaften Irrungen um keinen Preis zulassen.

Statt besonnen aber hartnäckig um die Sache zu ringen, wischen sie die viel besseren Argumente mit persönlichen Verunglimpfungen vom Tisch und decken sie die ungleich schlüssigeren Theorien mit der Propagandalawine eines wissenschaftsfremden, ja wissenschaftsfeindlichen Klimaüberhitzungs-Alarmismus zu. Sie geifern gegen alle, die ihre teils falsch angelegten, teils mit zurechtfrisierten Daten manipulierten "Klimamodelle" anzweifeln, hinterfragen, kritisieren.

Sie zetern, als wäre "Klimaschutz" unbestreitbar die Hauptherausforderung aller Menschen, Gemeinschaften, Staaten oder überstaatlichen Einrichtungen. Dabei können wir ein Klima, das wir nicht zu verändern imstande sind, natürlich auch nicht schützen. Was wir zu tun vermögen, ist zu trachten, den vielfältig kosmisch-zyklischen Klimawandel mit seinen Vor- und Nachteilen in allen Klimazonen anständig zu bewältigen.

Was will die machtversessene CO₂-Gnosis also der Bürgerschaft zugestehen? Schäbige Beteiligungsprozeduren an den Modalitäten der von ihr voranzutreibenden Großen Transformation. "Zivilgesellschaftliche Partizipation sollte möglichst frühzeitig im Prozess [der Klimaschutz-Strategien und -Maßnahmen] eine Rolle spielen, um eine bessere Einschätzung der Probleme vor Ort zu bekommen, was letztlich die Legitimation verbessern und Akzeptanz erleichtern kann." (S. 68)

Jahrzehntelange Erfahrungen in Bürgerinitiativen verschiedenster Länder und Anliegen machen mir solche Wendungen höchst verdächtig. Das beschreibt unwillkürlich genau die Praxis, wie hoheitliche Planungen gegen Widerstände aus der Bürgerschaft gnadenlos durchgedrückt werden. Die Leute sind einbezogen, um sie zu nasführen, durch sinnlose Palaver-Treffen zu zermürben, Rädelsführerei kaltzustellen, im Zeitverlauf die Maßnahmen alternativlos erscheinen zu lassen. Rechtsmittel scheitern in aller Regel am Umstand, dass Gerichte sich unzuständig geben, die bürgerschaftlich bekämpften Maßnahmen der zuständigen Planungsträger inhaltlich auch nur zu evaluieren, geschweige denn zu modifizieren. Im Sinne sauberer Gewaltenteilung ist das der Justiz kaum zu verdenken.

Der CO₂-gnostisch "gestaltende Staat" könnte nach Belieben schalten und walten. Das wäre laut Gutachten 2011 sein Machtinstrumentarium: "Eine erfolgreiche Transformationspolitik sollte auf vier miteinander zusammenhängenden Ebenen verfolgt werden: (1) verfassungsrechtlich durch eine entsprechende Staatszielbestimmung Klimaschutz, (2) materiell-rechtlich durch Festlegung von Klimaschutzzielen in einem Klimaschutzgesetz, (3) prozedural durch erweiterte Informations-, Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sowie Nichtregierungsorganisationen und (4) institutionell durch ein klimapolitisches Mainstreaming der Staatsorganisation." (S. 219)

Rebus sic stantibus würden die Nichtregierungsorganisationen und die Massenmeinungsmache-Medien das sachlich unsinnige Klimaschutz-Mainstreaming (!) in die Bevölkerung schwemmen.

Wer die freien Kommentare zum Nachrichtenkomplex "Klimakatastrophe" aufmerksam verfolgt, konstatiert sowohl in Übersee als auch in Europa bei Männlein wie Weiblein eine wachsende Skepsis, die sich teils bissig, teils spöttisch äußert. Drastische Übertreibungen mögen im Sinn einer lärmenden Minderheit sein; die Meisten langweilt das hohle Getöse und sie wenden sich ab.

Gleichzeitig informieren sich alle Altersklassen zunehmend abseits der veröffentlichten Meinung. Mehr und mehr merken sie, wie tückisch von den CO₂-Gnostikern getrickst wird. Mögen sie ihnen gestern noch vertraut haben, sind sie heute schon misstrauisch. Leute dumm zu machen, ist ein äußerst riskantes Spiel. Sobald sie Verdacht schöpfen, ist es schon danebengegangen. Wenn aber auch noch zunehmend Nachteile folgen, die ihnen das Leben immer schwerer machen und sie immer härter im Geldbeutel treffen, erfasst die (vielleicht schon viel zu lange) schweigende Mehrheit die Lust zu Gegenwehr und Protest. Hier dürfte der Kipp-Punkt bald erreicht sein.

Was aber tun gegen reale Umkrempel-Schäden? Es gilt wohl, die Verantwortlichen von der CO₂-Gnosis über Redaktionen bis zu Beraterbüros bei gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Schäden politisch dingfest zu machen und bei privatwirtschaftlichen Schäden rechtlich zur Verantwortung ziehen! Viele sind ja zur Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns verpflichtet, der auch für Handlungen einzustehen hat, von denen er hätte wissen müssen, dass sie sich auf die Betroffenen nachteilig auswirken könnten …

Christian Walderdorff ist Jurist mit Studien der Philosophie und am Dolmetschinstitut. Anschließend Einjährig-Freiwilliger und an der London School of Economics im Bereich politische Philosophie. Seither Operationsbasis London mit Ausritten in andere europäische Städte. Er publiziert sonst vorwiegend auf Englisch.

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