Schreckgespenst Deflation: Mit Beelzebub gegen den Teufel

Dieser Tage tritt Mario Draghi, langjähriger Chef der EZB ab und übergibt sein Amt an Christine Lagarde. Eine Fortsetzung der extrem lockeren Geldpolitik (z. B. mittels regelwidriger Staatsfinanzierung durch Anleihenkäufe), und ein verschärfter Kampf gegen das Bargeld sind damit schon fix programmiert. Das Bargeld muss und wird deshalb dran glauben, weil es der kollektiven Enteignung der Geldhalter zugunsten des Staates mittels hoheitlich erzwungener Negativzinsen im Wege steht.

Leitgedanke hinter der inflationistischen Geldpolitik beiderseits des Atlantiks ist die Angst vor einer Deflation, die als die schwerste Bedrohung des Wirtschaftssystems – ja, des gesamten politischen Systems überhaupt – bezeichnet wird. Deflation, so das Narrativ der internationalen Geldsozialisten, würde eine wirtschaftliche Abwärtsspirale mit katastrophalen Folgen in Gang setzen. Als abschreckendes Beispiel werden die Ereignisse der 1930er Jahre genannt, in denen – angeblich – eine deflationistische Geldpolitik in eine Wirtschaftskrise geführt und damit dem politischen Totalitarismus in Europa das Feld bereitet habe.

Dass dem damaligen deflationären Schock eine jahrelange, schuldenfinanzierte Konsumparty mit einer entsprechenden Ausweitung der Geldmenge vorangegangen war, wird geflissentlich ausgeblendet. Merke: Es kann keine Deflation ohne eine vorangegangene Inflation geben (von einer konsumentenfreundlichen, wachstumsinduzierten Deflation abgesehen, in der steigende Produktivität sinkende Preise zur Folge hat). Der Begriff Inflation bezeichnet, nach korrekter Definition, nicht auf breiter Front erfolgende Preissteigerungen, sondern eine Ausweitung der (heutzutage stets ungedeckten) Geldmenge (inflare = aufblähen), die in der Folge zu einem allgemeinen Preisanstieg führt. Die korrekte Semantik in dieser Angelegenheit ist zum Verständnis von Ursache und Wirkung besonders wichtig!

Nun vermehrt sich die Geldmenge allerdings nicht als Folge naturgesetzlicher Zusammenhänge oder aus reinem Zufall, sondern ist – besonders in einem von politisch gelenkten Zentralbanken beherrschten, monopolisierten Fiatgeldsystem – durch den einsamen Entschluss von deren Führern bedingt. Mario Draghi & Konsorten tun, was immer sie für richtig halten – ohne die geringste Rücksicht auf die Geldnutzer zu nehmen und ohne jede an anderer Stelle stets entschieden geforderte "demokratische Legitimation".

Die politisch-bürokratische Klasse zelebriert seit Jahrzehnten (exakt seit dem 15. August des Jahres 1971, als US-Präsident Richard Nixon die Bindung des US-Dollars an das Gold mit einem Federstrich beendete) einen beinharten Geldsozialismus (© Roland Baader). Nutznießer sind alle Schuldner (primär die zum Teil hoffnungslos überschuldeten Staaten, aber auch die zunehmende Zahl von "Zombieunternehmen"). Geschädigt werden dagegen die Sparer, die bereits hunderte Millionen Euro an Zinsen verloren haben und ihren Geldvermögen ohnmächtig beim Schmelzen zusehen müssen. Auf klassische, risikoarme Anlageformen gibt es keine Zinsen mehr, dafür aber Kaufkraftverluste infolge der Geldinflation. Kleine Sparer und Anleger stecken in einer unentrinnbaren Doppelmühle, sofern sie nicht auf extrem risikoreiche Investments, von denen sie in aller Regel nicht das Geringste verstehen, ausweichen wollen.

Wenn dann schließlich – wie eben jetzt – die desaströsen Folgen der hoheitlich orchestrierten Umverteilungsorgien langsam aber sicher auch schlichteren Gemütern klar zu werden beginnen, ein einigermaßen schmerzloser Ausstieg aus der Nullzinsfalle aber unmöglich ist, werden, wie zum Hohn, "die Märkte", der "Neoliberalismus" und der "Raubtierkapitalismus" für die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht. Der politisch-geldindustrielle Komplex, der all das zu verantworten hat, liefert in der Folge noch mehr vom selben, also eine weitere Steigerung der falschen Medizin namens Geldmengenausweitung, die die Grundlage für die gegenwärtige Krise bildet.

Es sind daher weitere Schritte in Richtung einer von Zentralbürokraten geführten Plan- und Kommandowirtschaft zu erwarten. Einer, der vermutlich folgenschwerste davon wird die Abschaffung des Bargeldes sein, die im Zuge einer gerissenen Salamitaktik längst betrieben wird.

Wer mehr zum Phänomen Deflation wissen will, dem sei die Lektüre des Buches "In Defense of Deflation" aus der Feder des in der Tradition der "Österreichischen Schule" stehenden Ökonomen Philipp Bagus empfohlen. Verlag Springer, Hardcover, 215 Seiten, ISBN: 978-3319134277. Professor Bagus lehrt Volkswirtschaftslehre an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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