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Die ÖVP ist illiberal geworden – die Gedanken sind nicht mehr frei

"Bürokratieabbau konsequent vorantreiben": So lautet eine Überschrift im Wahlprogramm der Volkspartei. Auch bei den Wahlkampfreden des Sebastian Kurz war immer wieder zu hören, wie sehr er Überregulierungen bekämpfen will. Wie sehr ihm da viele Menschen doch zustimmen konnten! Spürt doch jeder Österreicher schon längst, wie dringend Bürokratieabbau wäre. Allerdings spricht die Wirklichkeit des Sebastian Kurz eine andere Sprache und zeigt, dass die ÖVP sowohl in etlichen anderen Forderungen ihres Wahlprogramms wie auch bei aktuellen politischen Entscheidungen eindeutig in die Gegenrichtung geht. Wo bei ihr ein massives Defizit in Sachen liberalem Denken deutlich wird. Wo sie für Regulierung, Bürokratie und Obrigkeitsstaat eintritt.

Mit Liberalität ist hier natürlich das klassische Prinzip gemeint: "Mehr Freiheit für die Bürger, und weniger Staat, es sei denn, dessen Aktivwerden ist unbedingt nötig". Nicht gemeint ist hingegen die verlogene Verwendung des Wortes "liberal" als Synonym für "sozialdemokratisch", für "links", die in den letzten Jahren mancherorts modisch geworden ist (im Gefolge einer US-amerikanischen Sitte, wo sich ja fast niemand als "sozialdemokratisch" oder gar "sozialistisch" bezeichnen will, sondern immer nur "liberal" sagt. Mit Betonung auf der ersten Silbe).

Konkret:

  • Ein aktuelles Beispiel für extrem unsinnige Regulierungen und Bürokratie ist der zuletzt eskalierte Kampf zwischen Uber und den Taxis. Da hat sich die Wirtschaftskammer und damit auch die ÖVP ganz auf die Seite der Taxis gestellt. In dieser Auseinandersetzung wird Uber mit Hilfe der absurden und schikanös interpretierten Vorschrift bekämpft, dass jedes Fahrzeug zuerst in die Mietwagenzentrale fahren müsse, bevor es wieder einen Fahrgast aufnehmen darf.

Diese Vorschrift – und die seltsame Judikatur dazu – hat absolut Null Sinn. Sie führt, sofern sie dem Verlangen der Kammer entsprechend eingehalten wird, nur zu zweierlei: Erstens zu einer erhöhten Umweltbelastung (und damit auch zu mehr CO2-Emissionen, die nach der derzeit herrschenden Lehre die Erde dem Hitzetod ausliefern). Und zweitens zu einer Verteuerung jeder einzelnen Uber-Fahrt, die jeden Konsumenten trifft.

Vorteile durch diese schikanöse Regelung hat nur die im 20. Jahrhundert steckengebliebene Taxi-Konkurrenz. Als Dienstleister für den Kunden ist das Taxi aber eigentlich in fast jeder Hinsicht schlechter als Uber (Wirtschaftskammer, Achtung: Uber-Kunden sind oft auch Unternehmer!). Denn Uber

  1. ist in rund 90 Prozent der Fälle billiger (weil bei den Taxis beispielsweise auch das Personal in Taxifunkzentralen mitfinanziert werden muss, während Uber dessen Dienste durch eine einfache App ersetzt hat);
  2. erfordert kein Bargeld (der Fuhrlohn wird direkt vom Konto abgebucht);
  3. funktioniert so, dass man auf dem Handy genau sieht, wo das bestellte Auto gerade ist (was sich bei einem kompliziert liegenden Haus einer Bekannten am Stadtrand schon oft als sehr vorteilhaft erwiesen hat: Denn man kann sofort den Fahrer anrufen, wenn man sieht, dass er falsch anfährt und sich in Sackgassen verheddert, während bestellte Taxis in rund der Hälfte der Fälle einfach gar nicht kommen, weil sie wohl die gleichen Probleme mit der in dieser Gegend sehr irreführenden GPS-Führung hatten und dann einfach umgedreht sind);
  4. ist auch dann oft von Vorteil, wenn sein flexibler, durch Angebot und Nachfrage gesteuerter Preis in Einzelfällen teurer ist (Konkretes Beispiel: Ein anderer Bekannter hatte in Zürich einen wichtigen beruflichen Flug zu erreichen und vorher einen Termin außerhalb Zürichs, es gab jedoch bei der Bahn einen Totalausfall unbekannter Dauer, mit der er zum Flughafen fahren wollte; da naturgemäß viele Menschen das gleiche Problem hatten, war weit und breit kein Taxi zu erreichen – weshalb der Bekannte sehr froh war, für einen saftig erhöhten Preis ein Uber-Auto zu bekommen und so seinen Flug noch zu erreichen).

Wenn die ÖVP auch nur eine Sekunde ihre Parolen "Bürokratieabbau" und "Deregulierung" ernst meint, dann hätte sie diese unsinnige Uber-Schikanier-Vorschrift längst eliminiert. Allerdings wäre das auch mit der FPÖ kaum gegangen, die sich ja so wie der Wirtschaftsbund der ÖVP als Lobby der Taxifahrer versteht. Das ist einer jener Punkte, wo nur die Neos Vernunft und Konsumenten vertreten (die sind aber dafür halt gesellschaftspolitisch linksradikal).

  • Ein anderes Beispiel, wo sich die ÖVP den Vorwurf einer bewussten Bürokratie- und Regulierungs-Verschärfung gefallen lassen muss, ist das Rauchverbot, das ab diesem Wochenende mit totalitärer Konsequenz gilt. Denn im Bundesland Wien (zum Unterschied vom Rest des Landes) soll es mit Polizeistaatsmethoden, strengen Strafen und Kontrollen durchgedrückt werden. Dass eine rotgrüne Verwaltung auf jeder Ebene Gewerbetreibende (wie eben auch die angeblich so bösen Wirte) quält und schikaniert, während sie die gefährlichen Rechtsverletzungen von Radfahrern und Scooter-Benutzern weitgehend ignoriert, ist zwar nichts Neues. Aber diesmal bietet ihr eben eine bundesgesetzliche Regelung die Handhabe. Und für diese Regelung ist die ÖVP hauptverantwortlich, hatte sie doch in der blauschwarzen Zeit noch eine viel liberalere Regelung aus Koalitionsdisziplin mitbeschlossen, die sie dann aber sofort selber gemüllt hat, sobald die Koalition tot war.

Um nicht missverstanden zu werden: Ein Rauchverbot ist überall dort gut, notwendig und sinnvoll, wo Speisen verabreicht werden, sowie in allen Bars und Ähnlichem, wo es keine konsequent abgetrennten Räume gibt. Überall anders ist es jedoch schikanös und totalitär. Bringt es doch viele Nachtlokale (auch durchaus seriöser Art), Shisha-Bars und Ähnliches um und führt an tausenden Stellen zu unerträglicher Belastung der Anrainer. Weil sich dann eben vor jedem Lokal Trauben von Menschen bilden, die rauchen, sich unterhalten und dabei auch die Frechheit haben, bisweilen zu lachen. Das aber ist wiederum für viele andere Menschen, die eine andere Frechheit haben, nämlich schlafen zu wollen (oder wegen eines frühen Arbeitsbeginns zu müssen), eine schlimme Qual und Zumutung.

Zwar war es dumm von H.C. Strache, seine persönliche Zigarettenabhängigkeit zum wichtigsten FPÖ-Thema bei Koalitionseintritt zu machen. Aber dennoch ist klar festzuhalten, dass in dieser Frage die FPÖ die einzige Partei war und ist, die auf der Seite der Freiheit steht. Während die Linksparteien Rot, Grün und Pink von Anfang an geradezu fanatisch für das totale Rauchverbot gekämpft haben – wohl im Glauben, damit Schwarz-Blau eines auswischen zu können. Denn die Hoffnung, Menschen solcherart das – zweifellos schädliche – Rauchen abgewöhnen zu können, kann ja nicht ernsthaft gehegt worden sein.

  • Ein anderer Punkt, wo man sich gewünscht hätte, dass sich die ÖVP zumindest ein wenig als liberal, als wettbewerbsfreundlich, als antimonopolistisch und als Verteidigerin der öffentlichen Finanzen gezeigt hätte, sind die Verkehrsverträge der öffentlichen Hand mit den ÖBB. Es ist absolut nicht einzusehen, dass die ÖBB auf vielen Strecken weiterhin exklusiv einen satten Zuschuss aus Steuermitteln dafür bekommen, dass sie dort überhaupt fährt. Sie bekommt diese Zuschüsse nämlich, ohne dass man durch eine neutrale Ausschreibung festgestellt hätte, ob nicht ein anderes Unternehmen wie etwa die "Westbahn" die gleiche Leistung für einen geringeren Zuschuss erbracht hätte. Was in etlichen Fällen zweifellos der Fall gewesen wäre. Erst die EU wird in einigen Jahren den kostensparenden Wettbewerb erzwungen haben.

Absurderweise stand da auch die FPÖ auf der Seite der roten Hochburg ÖBB. Offen ist nur, warum. Hat sie schon viele Eisenbahner unter den Blauwählern entdeckt? Oder wollte man nur dem "Westbahn"-Miteigentümer und Neos-Sponsor Haselsteiner solcherart eines auswischen?

Die Liste jener Punkte, wo sich die Kurz-ÖVP (ähnlich der Mitterlehner-ÖVP) auf die Seite der strengen Regulierer, Bürokratieausbauer und Volkserzieher gestellt hat, ist lang. Sie umfasst auch eine Reihe von Forderungen, wo die ÖVP überhaupt an der Spitze der Staats- und Bürger-Kontrollier-Fanatiker steht. Wo sie zeigt, dass ihr die Freiheit der Menschen in keiner Weise mehr ein Anliegen ist.

  • So fordert sie sogar eine Verschärfung des Verhetzungs-Paragraphen, obwohl dieser – einst von der knallroten SPÖ-Ministerin Berger ins Gesetz manövrierte – Paragraph jetzt schon eine der schlimmsten Einschränkungen der Meinungsfreiheit darstellt.
  • So fordert sie mit unverständlicher Hartnäckigkeit ein Verbot der "Identitären", obwohl diese kein Strafrechtsdelikt begangen haben. Einzige Begründung der ÖVP: Die Identitären hätten das falsche "Gedankengut". Was nur mag Sebastian Kurz als so untragbar an dem Gedanken ansehen, sich für die österreichische Identität und gegen die Islamisierung zu engagieren? Konnte man doch lange glauben, dass er selber genau dieselben Gedanken hat.
  • So will die ÖVP "Vereine, die extremistischen Organisationen zuzurechnen sind, leichter" auflösen können. Was harmlos klingt, aber eigentlich ein absoluter verfassungswidriger Wahnsinn ist, so lange nicht ganz streng definiert und gerichtlich in jedem Fall überprüfbar ist, was denn "extremistisch" überhaupt sein soll. In einem Rechtsstaat sollten nämlich Vereine nur dann auflösbar sein, wenn sie zur Gewalt oder zu einem Putsch an der Verfassung vorbei aufrufen.
  • So verlangt die ÖVP ständig eine "Klarnamenpflicht" im Internet: Die Bürger sollen nur ja keine Gelegenheit haben, sich frei und unbelauscht auszutauschen, ohne dass der Große Bruder Staat mitlauscht und weiß, wer da spricht.
  • So will die ÖVP schärfere Maßnahmen gegen die Verbreitung von "Desinformation". Das ist aber ebenfalls eine eindeutig totalitäre Einstellung, weil ja für jeden Politiker immer die Aussagen der politischen Gegner "Desinformation" sind, und nur die eigenen "Information". Solche Anti-Desinformations-Maßnahmen wären höchstens dann akzeptabel, wenn der Bundeskanzler erstens die Allwissenheit des lieben Gottes hätte, um wahr von unwahr, wichtig von unwichtig unterscheiden zu können. Und wenn er zweitens diese Unterscheidungsfähigkeit auch wirklich korrekt und unparteiisch einzusetzen bereit wäre, und niemals im einseitigen Interesse der eigenen Partei.
  • So hat die ÖVP absolut keine Bereitschaft, den gesetzlichen Gebührenzwang zugunsten der grünroten Hochburg ORF und der roten Hochburg Arbeiterkammer abzuschaffen, obwohl jedes ordnungsliberale Freiheitsdenken wie auch der oft versprochene Belastungsstopp eigentlich gegen die Zwangsgebühren sprechen. Obwohl die ÖVP nicht einmal parteipolitisches Interesse an so viel Geld in den Händen linker Agitatoren haben kann.
  • So hat Sebastian Kurz längst den einstigen zentralen Punkt der vorletzten Wahlkampagne  entsorgt, nämlich die Forderung nach einer echten Direkten Demokratie. Ganz offensichtlich gilt: Wenn man einmal selbst zur machthabenden Aristokratie gehört, vergisst man rasch alle Forderungen derer da unten.

Irgendwie wächst die Sorge, dass Kurz in seinem Jus-Studium noch nicht bis zur Rechtsgeschichte der Jahre 1848 und 1867 vorgedrungen ist, als die Bürger die Meinungsfreiheit an der Spitze der Grund- und Freiheitsrechte erkämpft haben.

Irgendwie scheint er eine eigentlich für ausgestorben gehaltene Art von Konservativismus zu vertreten, nämlich eine, die sich nach den Polizeistaats-Zeiten der Herren Gentz und Metternich vor 1848 zurücksehnt, wo die Bürger nie wissen konnten, an welchem Gasthaustisch die Polizeispitzel saßen (aber vielleicht kann man ihm Eintrittskarten für ein paar Nestroy-Aufführungen schenken, wo das sehr genau und pointiert gezeigt wird …).

Irgendwie passt es perfekt zu dieser illiberalen Haltung, wenn sich Kurz jetzt offensichtlich wirklich mit den Grünen paaren will, der radikalsten Verbotspartei überhaupt, die es gibt.

Irgendwie erinnert mich die Haltung des Sebastian Kurz auch an die chinesischen Kommunisten. Die haben es jetzt als ihr oberstes Ziel erklärt, die "moralische Qualität" der Bürger anzuheben. Sie verteilen jetzt an alle Chinesen Hinweise, wie sie ihre Kinder zu erziehen, wie sie öffentliche Feiertage zu begehen, wie sie sich im Internet zu verhalten haben. Der Staat als totaler Lehrmeister und Übervater. Bei uns will er ihnen halt gerade das Rauchen und Uber-Fahren abgewöhnen, in China das Fluchen. Und Maria Theresia hat ihnen die Bordelle abgewöhnen wollen.

Die Chinesen wie Kurz wie die einstige Landesmutter haben es halt nicht wahrhaben wollen, dass die Menschen nicht perfekt sind und nicht alle in die gleiche Schablone passen.

Aber vielleicht liest Kurz noch einmal sein eigenes Wahlprogramm und entdeckt dort auch Sätze wie: "Fortschritt kommt nicht durch Regulierung und überbordende Bürokratie – Fortschritt kommt durch Freiheit."

PS: Welche österreichische Partei ist eigentlich wirklich liberal, kämpft so wie einst die Schüssel-ÖVP noch konsequent gegen mehr Staat, für Wettbewerb, gegen Bürokratie und gegen Überregulierung? Nun, in einigen Fragen sind es die Neos, in anderen die Freiheitlichen, in Sachen der von Kurz gewünschten Vereinsverbote sind es sogar die Sozialdemokraten. Leider gibt es aber keine einzige Partei, die diese Beschreibung in jedem Punkt für sich in Anspruch nehmen kann.

PPS: Apropos "illiberal": Dieses Adjektiv zur Beschreibung eines sich zunehmend zeigenden Grundmusters der Kurz-Politik bedeutet bei ihm etwas ganz anderes als beim Ungarn Viktor Orbán, der sich sogar selber als "illiberal" bezeichnet. Dabei betreibt Orbán eine ganz eindeutig liberale Wirtschaftspolitik (mit niedrigem Regulierungsniveau und noch niedrigeren Steuern samt Flat Tax). Aber der Ungar meint mit diesem Eigenschaftswort die Betonung auf den nationalen Interessen seines Landes, von der Migration bis zur Abwehr von EU-Einmischungen. Dies steht ganz im Gegensatz zu dem Internationalismus der Linksliberalen, von denen er eine Bevormundung ähnlich der einstigen durch die Sowjetunion befürchtet.

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