Wiener Tagebuch: Summer in The City

Auch wenn die Sonne die Stadt wie einen Backofen aufheizt, der Hochsommer in Wien hat seine angenehmen Seiten. Zum Beispiel am Abend in einem Gastgarten oder beim Heurigen in Stammersdorf zu sitzen. Ein weiterer Sommerbonus: Es sind deutlich weniger Menschen unterwegs. Sieht man von den Teilen der Stadt ab, wo sich die Touristenmassen durch die Straßen wälzen.

Die U-Bahnen sind zu den Stoßzeiten nicht mehr heillos überfüllt, die Parkplatzsuche deutlich entspannter und wenn ich vor mein Haustor trete – ich wohne auf einer belebten Einkaufsstraße –, sind die Menschenströme davor derzeit deutlich lichter. Weniger Gedränge und Geschiebe überall. Herrlich.

Im Hochsommer ist Wien so, wie es vor nicht langer Zeit das ganze Jahr über war. Jetzt platzt die Stadt aus allen Nähten. Wien wächst und wächst. Zur Jahrtausendwende lebten hier rund 1,5 Millionen Menschen. Heuer ist die 1,9-Millionen-Einwohnermarke überschritten worden. Ein Plus von rund 400.000 Menschen in den vergangenen Jahren. Das merkt man. Überall.

Die Infrastruktur, egal ob öffentliche Verkehrsmittel oder Spitäler, ist nicht entsprechend ausgebaut worden. In den Wiener Spitalsambulanzen oder auf den Magistraten muss man stundenlang warten, zu den Stoßzeiten ist auf mancher maroden U-Bahn-Linie mittlerweile mehr Gedränge als in Tokio. Mit dem Unterschied, dass die Japaner freundlicher, disziplinierter und gewaschener sind. Da helfen auch keine von Ulli Sima einparfümierten U-Bahn-Waggons.

Wien ist aber nicht deshalb so schnell gewachsen, weil es ein boomender Wirtschafts- und Industriestandort wäre, wie etwa Bratislava mit seiner Autoindustrie. Zum Vergleich: Obwohl das regionale BIP des Großraums Bratislava weit über jenem von Wien liegt und sich auch die Arbeitsplatzsituation in der slowakischen Hauptstadt wesentlich besser darstellt, strömten die Menschen – vor allem aus der Dritten Welt – zu Tausenden nach Wien, nicht in das boomende Bratislava. In dieser Region steigt die Bevölkerungszahl seit Jahren nur leicht. Trotzdem arbeiten in der slowakischen Hauptstadtregion in absoluten Zahlen genauso viele Menschen in der Industrie wie in Wien. Mit dem Unterschied, dass Wien fast vier Mal so groß ist. Allein 2015 wuchs unsere Bundeshauptstadt um rund 43.000 Einwohner, also um eine Stadt in der Größe von Wiener Neustadt!

Was die Menschen hierher lockt, ist vor allem die ausgabenfreudige rot-grüne Stadtregierung, die die Mindestsicherung auch ohne genaue Kontrollen großzügig und bereitwillig auszahlt, wie der Rechnungshof 2017 bemängelte. Das hat sich bis in die hintersten Bergtäler Pakistans herumgesprochen. Wien ist ein Magnet für Menschen, die vom Sozialstaat profitieren wollen. Fast zwei Drittel aller Mindestsicherungsbezieher in Österreich leben in der Bundeshauptstadt. Der Zuzug ist zwar etwas zurückgegangen, dafür ist die Geburtenrate dank der Migranten aus dem islamischen Raum mittlerweile gleichbleibend hoch.

Es ist grundsätzlich nichts gegen eine schnell wachsende Stadt einzuwenden, wenn eine prosperierende Wirtschaft neue Arbeitskräfte braucht und anzieht. Das ist aber im wirtschaftsfeindlichen rotgrünen Wien nicht der Fall. Im Gegenteil. 17 Prozent der Wiener Industriebetriebe haben in den vergangenen Jahren Betriebsteile an andere Standorte verlegt. Weitere zehn Prozent können sich vorstellen, das in den kommenden Jahren zu tun. Das hat eine Befragung der Wirtschaftskammer im vergangenen Jahr ergeben.

Als Gründe für die Abwanderung aus Wien gaben die Unternehmer an: übersteigerte Bürokratie, hohe Betriebskosten und Abgaben sowie Fachkräftemangel! Da strömen Zigtausende Menschen nach Wien, trotzdem sind Fachkräfte absolute Mangelware. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei mehr als 11 Prozent (Juni 2019) und damit weit über dem bundesweiten Schnitt. In Tirol und Salzburg sind es keine vier Prozent!

Wer braucht schon qualifizierte Menschen, wenn die Mindestsicherung in Strömen fließt? SPÖ und Grüne jedenfalls nicht. Für Wien gilt offenbar jenes Motto, das die Fraktionsvorsitzende der deutschen Grünen, Katrin Göring-Eckardt, ausgegeben hat: "Weil wir auch Menschen hier brauchen, die in unserem Sozialsystem zu Hause sind."

Warum? Weil diese Menschen vor allem Rote und Grüne wählen (solange sie sich noch nicht selbst politisch organisiert haben). Vor allem deshalb ist Wien so schnell gewachsen. Linker Wählerimport. Vielleicht heizt unsere neue sympathische Vizebürgermeisterin Birgit Hebein die Zuwanderung nach Wien wieder an. Sie ist schließlich Sozialarbeiterin und sagt stolz: "Ich mache linke Politik – was denn sonst?" Was sonst! Wir sind in Wien. Ich genieße trotz allem den Sommer hier. Zum Beispiel beim Heurigen.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Sein neues Buch "Der deutsche Willkommenswahn – Eine Chronik in kommentierten Zitaten 2015-2016" ist soeben bei Frank&Frei erschienen.

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