Wiener Tagebuch: Sommerspritzer

Demokratie, Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung sind in Wien nicht nur schöne Worte, die Herr Ludwig, Frau Hebein und der Rest der rotgrünen Regierungstruppe in ihre Sonntagreden einbauen. Nein, es ist den Rathaus-Linken ein ehrliches Anliegen, die Wiener in alle wichtigen Entscheidungen einzubinden. Okay, mit Fragen, die die Sozial-, Finanz-, Verkehrs- oder Wirtschaftspolitik betreffen, will man die Bürger nicht belästigen. Auch nicht damit, wie viele Millionen Euro in das rote Vereins- und Firmennetzwerk gepumpt oder wie viele Millionen für Inserate ausgegeben werden sollen.

Aber die wirklich wichtigen Entscheidungen dürfen die Bürger ganz alleine treffen: Wie die Busse der Wiener Linien lackiert werden sollen oder welche Farbe die U5 bekommen soll. Ob die Fahrgäste der Wiener Linien mit einer automatisierten männlichen oder weiblichen Stimme beschallt oder die U-Bahn-Waggons "beduftet" werden sollen. Und wenn ja, mit welchem Duft. Zur Auswahl stehen: "Energize", "Fresh White Tea", "Happy Enjoy" und "Relax". Die Wahl läuft noch. Ich habe mich für "Energize" entschieden. Vor allem die U4 könnte wirklich mehr Energie brauchen, so oft wie sie ausfällt.

Weiter Abstimmungen: "Wie soll die Grünraumspange im Norden Wiens heißen oder welche Nummer soll die neue Straßenbahnlinie zwischen Kaiserebersdorf und Enkplatz tragen?" Im Monatsrhythmus dürfen die Wiener über wichtige Fragen im Internet abstimmen.

Auch unlängst wieder. Auf ein paar öffentlichen Plätzen hat die Stadt Wasserzerstäuber zur Abkühlung der Passanten montiert. Man kennt das aus Schanigärten, wo die Gäste mit einem feinen Sprühregen erfrischt werden. Die Stadt verkauft ihre Wasserzerstäuber trotzdem als Innovation. Okay, so ein Rohr mit Wasserdüsen ist technisch schließlich fast so komplex wie ein Lastenfahrrad. Für Grüne ist das Hightech.

Jedenfalls wurden die Wiener gefragt, wie diese neuen "Sprühnebelduschen" heißen sollen. Jetzt könnte man sich fragen: Wieso, heißen die nicht schon Sprühnebelduschen? Schon, aber …

Dazu muss man wissen, dass einige rote Marketing-Fuzzis glauben, dass sie mit "originellen" Bezeichnungen (Monte Laa, Copa Cagrana etc.), Aktionen und Kampagnen den autochthonen Bürgern dieser Stadt vorgaukeln können, Multikulturalisierung und Islamisierung hin oder her, das typisch Wienerische, etwa die Sprache, bleibe erhalten.

Alles wird bunter, diverser, offener, orientalischer, vielfältiger, das Zusammenleben muss permanent neu ausverhandelt werden, aber Wien bleibt Wien. Ist das nicht super? Das ist in etwa die Idee dahinter. Auch Michael Häupl hat stets den typischen Wiener gemimt, der gerne Spritzer trinkt und Schmäh führt. Gleichzeitig hat er Wien zu dem gemacht, was es heute ist. Zumindest dieser Schmäh hat funktioniert.

Zurück zu den Sprühnebelduschen. Die Wiener durften zwischen "Sommerspritzer", "Regenbogenmaschine", "Wienbrise" und "Wienchill" wählen. Stadt- und ORF-Wien vermeldeten stolz: 4.300 Menschen haben gevotet und sich für den Sommerspritzer entschieden. No na ned. Wie viele von den über 4.000 "Votern" im Rathaus gesessen sind, wurde leider nicht berichtet. Selbst solche lächerlichen Abstimmungen gehen rein zufällig immer so aus, wie es dem linken Zeitgeist entspricht bzw. es das Rathaus möchte.

Dass sich die Wiener seinerzeit für eine Frauenstimme für U-Bahn-Durchsagen entschieden haben, war deshalb keine Überraschung, obwohl männliche Stimmen bei Nachrichten, Off-Stimmen bei TV-Dokus oder bei der Morgenmoderation im Radio generell beliebter sind.

Kein Mensch wird zu diesen Sprühnebelduschen jemals Sommerspritzer sagen. Niemand außerhalb des Rathauses und den roten Wiener Medien hat sich für dieses Voting interessiert.

Aber mit der breiten Berichterstattung über dieses Nichtereignis, über diese Nullnachricht im ORF, den vielen Wiener SPÖ-Gratisblattln und den anderen von der Stadt abhängigen Medien kann man zumindest den für die SPÖ so überlebenswichtigen Pensionisten vorgaukeln, wie nett, lebenswert, bürgernah und vor allem wienerisch Wien nicht sei.

Und wenn man die Medien mit einem derartigen Marketing- und Propagandaschrott befüllt, ist auch weniger Platz für unerfreuliche Nachrichten über die nicht ganz so rosige Realität in Wien.

Ich freue mich jedenfalls schon auf das nächste Voting.

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