Man glaubt es kaum: "Die Polizei machte einem Kroaten (40) und einem Bosnier (35) den Garaus."
Zugegeben: Die beiden waren auf Einbruchstour gegangen. Aber es hätte doch genügt, die Ordnungshüter hätten ihnen das Handwerk gelegt.
Tatsächlich ist die Sache ohne Blutvergießen abgegangen. Der Zeitungsschreiber hätte bloß im Duden nachsehen sollen: "jmdm. den Garaus machen (jmdn. umbringen)".
Über die Polizei kann man sich sowieso nur wundern. Als ein 15-jähriger Mofafahrer "ohne Kennzeichen" mit 90 km/h durch einen Ort düste, spürten ihn die Beamten auf ‒ und was taten sie zur Überraschung des Lesers? Sie nahmen ihm "die Kennzeichen ab". Ein Wunder im Alltag.
Hier handelt es sich um zwei brandaktuelle Beispiele des Gestammels, das den Lesern allenthalben vorgesetzt wird. Auf den ersten Blick dürfte einen die Befassung mit dem zitierten "Gestammel" wie ein sommerlicher Lückenfüller anmuten, ist es aber nicht: Es findet leider das ganze Jahr über statt.
Auch in Deutschland. "Mönchengladbach: Nach Familientragödie lebte Toter auf Bäumen und Dächern". Und da belächeln aufgeklärte Menschen unserer Tage die schönen alten Volksmärchen.
Dass in einem deutschen Landkreis "Hunde- und Katzenhalter wegen der Vogelgrippe nicht mehr frei herumlaufen dürfen", wird aus Sachsen berichtet.
Eine deutsche Agentur schilderte ein Zirkuskunststück: "Weil sich der Mann nicht beruhigte, behandelte ihn der Arzt mit gefesselten Händen."
Österreichische Kollegen wollten dafür den Lesern einreden, dass sich in Venedig 2000 Demonstranten "den Kreuzfahrtschiffen in den Weg gestellt haben". Leider gab es dazu kein Foto.
Zurück in heimatliche Gefilde. Im vergangenen Winter rettete eine Frau einer Familie das Leben, weil sie am Abend "Rauchgeruch vernahm". Vielleicht hatte sie auch einen Knall gesehen oder einen Lichtschein gerochen.
"Wagen demoliert", lautete der Titel einer lokalen Kurzmeldung. Gott sei Dank wurde das gestohlene Fahrzeug laut Text "unversehrt aufgefunden".
Eine Lenkerin übersah eine Mitfahrerin, "die gerade einsteigen wollte und über ihren Fuß rollte". Rollte die Mitfahrerin über den eigenen Fuß oder über den Fuß der Lenkerin? Man weiß es nicht.
Gegen Sprach-Fehler hilft auch kein Universitätsstudium. Im Gegenteil. Den Studenten wird heute die primitive Sprache lehrplanmäßig beigebracht! Damit auch die bildungsfernsten Leser das Gestammel der Presseleute verstehen. So können Letztere auf die Tränendrüsen drückend berichten, dass ein kleiner Bub ausgerissen und weinend durch einen Wintersportort geirrt sei. Zum Glück habe ihn eine Urlauberin entdeckt. Sie "nahm sich dem Jungen an". Und kein Chefredakteur nahm sich des stammelnden Journalisten an und korrigierte ihn.
Wenn ein Tischler ein Fichtenbrett nicht von Eichenholz unterscheiden kann, ist ein Berufswechsel fällig. Holz ist eben der Werkstoff, über den man in dieser Branche Bescheid zu wissen hat. In den Medien ist die Sprache der Werkstoff, doch gilt offenbar nur noch eine stramme ideologische Ausrichtung als Befähigungsnachweis.
Na ja, der Boulevard hat halt seine eigenen Schwächen, kann man entgegenhalten. Der Autor kann aber noch "ein Scherflein nachlegen", wie es in einer ostösterreichischen Zeitung hieß, er legt aber lieber ein Schäuferl nach und verrät, dass die folgenden Beispiele aus zwei Tageszeitungen stammen, die sich gerne eines besonders hohen Grades an Seriosität rühmen.
Beim Brand der Fassade eines "dreistöckigen Hochhauses" wurde eine Person verletzt. Diese wird sich wohl künftig nur noch in ein- und zweistöckigen Hochhäusern aufhalten.
Dass ein Lkw-Fahrer "die Höhe seines Lastwagens unterstützt haben dürfte", war ein Fehler. Sonst wäre das Gefährt vielleicht doch nicht in einer Autobahnunterführung stecken geblieben. Man soll die Gefahren von Straßenbrücken nicht unterschätzen.
Empörung hat bei manchem Leser die "seriöse" Meldung ausgelöst, dass in Österreich Empörung über den "Spionageverdacht eines Bundesheeroffiziers" geherrscht hat. Was ist denn so empörend, wenn ein Bundesheeroffizier einen Spionageverdacht hegt? Die Falschmeldung entstand aus dem gestörten Umgang der Journalisten mit dem 2. Fall. Der Spionageverdacht hatte sich nämlich "gegen" diesen Bundesheeroffizier gerichtet.
Ja, der 2. Fall. Auch die "seriösen" Zeitungen versuchen ihn oft zu vermeiden. Dann erleidet der Leser einen Schock, wenn bei einer Rauferei in einem Linzer Asylheim "die Mitarbeiter vom Roten Kreuz verletzt wurden". Bis er erkennt, dass die Heimmitarbeiter nicht vom Roten Kreuz verletzt wurden, sondern die Mitarbeiter des Roten Kreuzes die Opfer waren.
Zuletzt ein "seriöser" Sportbericht: "Der souveräne Abwehrchef Marin Pongracic spielte bei einem Vorstoß Doppelpass mit Patson Daka. Aus spitzem Winkel überwand er den Torhüter zum 2:0." Bravo Pongracic, möchte man rufen. Das darf man auch, der Torschütze war allerdings Daka. "Dieser"(!) und nicht "er" hatte den gegnerischen Torhüter überwunden.
Um zur Eingangsmeldung zurückzukehren: Man soll dem Gestammel den Garaus machen, nicht aber den medialen Sprachgesetzesbrechern. Man muss diesen auch nicht gleich das Handwerk legen, sondern sollte zunächst versuchen, es ihnen beizubringen.
PS: Selbstverständlich sind alle Zitate mit Ort, Zeit und Seite belegt.
Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war Mitarbeiter der ÖVP-Politiker Gorbach, Klaus und Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der katholische Journalist publiziert zu zeitgeschichtlichen, lokalgeschichtlichen und volkskulturellen Themen.