Der Christbaum: Eine kleine Kulturgeschichte

Autor: Ronald Schwarzer

Wir brauchen dringend ein gemeinsames Fundament für unsere Gesellschaft

Autor: Christian Klepej

Deutschlands gemütliche Machtergreifung von 2024/25

Autor: Leo Dorner

Wenn alle untreu werden

Autor: Dieter Grillmayer

Zeichen der Hoffnung für den Westen

Autor: Karl-Peter Schwarz

Rumänien als Probelauf für die Abschaffung der Demokratie in Europa?

Autor: Wilfried Grießer

Die Woken und ihre Geschichten

Autor: Karl-Peter Schwarz

Brandmauern gegen rechts: EU-Länder werden unregierbar

Autor: Werner Reichel

EU am Scheideweg: Markt- oder Planwirtschaft?

Autor: Andreas Tögel

Langsam, aber sicher wird die Freiheit in Europa rückabgewickelt

Autor: Christian Klepej

Alle Gastkommentare

Macht einfach euren Job. Danke

Kaiser Franz Josephs große Leidenschaft war die Jagd. 55.000 Stück Wild soll er erlegt haben. Andere Quellen sprechen gar von über 100.000. Besonders gerne ist der Kaiser auf Gamsjagd gegangen. In seiner Sommerresidenz in Bad Ischl hängen hunderte Trophäen. Besonders beeindruckend sind die Treppenaufgänge der Kaiservilla mit ihren unzähligen Geweihen, Tierköpfen und anderen Jagdtrophäen.

Der Kaiser weilte während der Sommermonate in Bad Ischl und lenkte von seiner Villa aus die Geschicke der Monarchie. Vor wenigen Tagen besuchte ich die Kaiservilla und musste mich ärgern. Wer die Sommerresidenz des Kaisers von innen sehen möchte, kann das nur im Rahmen einer Führung tun. Gemeinsam mit rund 30 anderen Touristen lasse ich mir von einer älteren Dame im Dirndl die Räumlichkeiten und Gemächer von Franz Joseph und Elisabeth zeigen.

Weil es kaum eine Ecke in dem Gebäude gibt, in der keine Geweihe oder Tierköpfe hängen, betont unsere Führerin, dass sie die Jagd ablehne, der Kaiser aber, fügt sie entschuldigend hinzu, sei eben ein begeisterter Jäger gewesen. Ihre Sache sei das nicht, all die Geweihe würden schon etwas befremdlich wirken.

Das wiederholt sie beim Rundgang durch die Villa mehrmals, schließlich sind die Trophäen allgegenwärtig. Viel mehr Infos über die Jagdleidenschaft des Monarchen, außer dass die Führerin sie nicht teilt, bekomme ich nicht. Die meisten Besucher scheint das nicht zu stören. Sie - vor allem die Damen - nicken meist zustimmend, wenn sich unsere Führerin über die Jagd empört und man ist offenbar furchtbar stolz, dass man selbst keine Tiere tötet, sondern nur töten lässt. Jedenfalls fühlt man sich dem Kaiser nicht nur in diesem Punkt moralisch überlegen.

Ich hingegen muss mich zurückhalten, um die gute Frau nicht anzuherrschen, dass es mir völlig egal sei, wie sie zur Jagd stehe, ob sie sie als barbarisch, brutal, verwerflich, widerlich oder was auch immer ablehne. Es interessiert mich einfach nicht. Ich habe den Eintritt und die Führung nicht bezahlt, um etwas über die persönlichen Vorlieben und Abneigungen einer Fremdenführerin zu erfahren. Sie soll ihren Job machen und mich mit ihren Befindlichkeiten, ihrer Moral und ihrer politischen Orientierung verschonen. Ich habe mich bis zum Schluss zurückgehalten, weil ich meine Begleiterin nicht in Verlegenheit bringen wollte.

Und warum hat uns die Fremdenführerin das erzählt? Weil sie offenbar der Überzeugung ist, dass es von ihr erwartet wird. Weil die "kultivierten und gebildeten " Menschen, die die Kaiservilla besuchen, über die Jagd genauso denken wie sie selbst. Weil es in unserer politisch korrekten Gesellschaft zum guten Ton bzw. mittlerweile zur Pflicht gehört, dass jeder, vom Promi bis hin zum Fremdenführer, seine korrekte Geisteshaltung unablässig unter Beweis zu stellen hat, sein politisch korrektes Glaubensbekenntnis vor den anderen Gläubigen ablegen muss, um zu beweisen, dass er kein Rechter, kein Tiermörder, kein Klimaleugner, sondern ein guter Mensch, Teil der Gemeinschaft der moralisch Überlegenen ist. Man stelle sich vor, die Dame hätte sich als begeisterte Jägerin geoutet.

Es ist ein unerträgliches Zeitgeistphänomen, dass wirklich jeder in unserer angeblich so freien, vielfältigen, demokratischen und individualistischen Gesellschaft permanent seine Mitmenschen darüber informiert, wo er ideologisch steht, welche politischen und moralischen Standpunkte er vertritt, wofür und wogegen er sich engagiert. Journalisten schaffen es nicht mehr, eine neutrale Meldung zu schreiben, beim Smalltalk erzählt mir der Kellner wie dumm Donald Trump sei, TV-Seriendarsteller versuchen ihren Fans zu erklären, welche Partei sie zu wählen haben und jeder Musiker, der mehr als zwei Akkorde auf seiner Gitarre schrummeln kann, fühlt sich verpflichtet, das politische Weltgeschehen zu kommentieren.

Stopp. Eure politisch korrekte Einheitsmeinung, auf die ihr so stolz seid, interessiert mich nicht. Ich will nicht wissen, was mein Friseur über Kapitalismus, der Taxler über die ÖVP, der Kellner über den Klimawandel, mein Steuerberater über Bio-Lebensmittel, ein Unterhaltungssänger über die Ibiza-Affäre und ein Schauspieler über Einwanderung denkt. Denn diejenigen, die ihre Meinung und politische Einstellungen gerne und oft hinausposaunen, haben in der Regel ohnehin nur die von der politisch korrekten Klasse erwünschte und normierte. Deshalb sind sie so mitteilsam und stolz. Wer gegen den linken Mainstream schwimmt, bekommt in der Regel wenig Applaus und Anerkennung. Dass Kapitalismus nicht das Problem, sondern die Lösung, die Energiewende ein Schwachsinn, die in Europa vorherrschende Technikfeindlichkeit eine Katstrophe ist, hört man im Small Talk praktisch nie.

Und weil ich, so wie in der Kaiservilla, wenig Lust habe, permanent auf Konfrontationskurs zu gehen, mit Menschen zu diskutieren, deren Einheitsmeinung mich ohnehin nicht interessiert, halte ich mich in der Regel zurück. Wie angenehm ist es, mit dem Friseur übers Wetter - nicht über das Klima -, mit dem Steuerberater über die Mercedes A-Klasse oder dem Kellner über Weinbaugebiete zu plaudern. Waidmannsheil.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Sein neues Buch "Der deutsche Willkommenswahn – Eine Chronik in kommentierten Zitaten 2015-2016" ist soeben bei Frank&Frei erschienen.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung