Es gibt Wichtigeres und Seltsameres als die neue Regierung
03. Juni 2019 01:13
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:30
Österreich erhält eine Beamtenregierung mit stark schwarz-rotem und leicht blauem Einschlag. Heimliches Motto: Es geht eh nur um ein paar Monate. Ist aber eine Beamtenregierung auch eine "Experten"-Regierung? Ist man schon ein Experte, wenn man keinen Hauch eines demokratischen Mandats hat? Hält das jemand für einen Qualitätsausweis, weil erstmals eine Regierung genau zur Hälfte aus Frauen besteht? Aber egal, mehr staunen lassen sowieso ein paar andere Dinge.
Auf der positiven Seite gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Beamte und Altrichter die Gesetze sehr ordentlich erfüllen werden. Was wichtig, aber nicht allzu viel ist. Der einzige, von dem man ideologische Aktionen erwarten kann, ist Vizekanzler Jabloner. Ihn einzufangen wird wohl die schwierigste Aufgabe für Bundeskanzlerin Bierlein sein. Beim Rest der Mannschaft wird sie wohl weniger Handlungsbedarf haben, außer sich die Namen zu merken.
Mit großer Sicherheit werden sich jedenfalls in einem Jahr 98 Prozent der Österreicher nicht mehr an die Namen dieser Regierung erinnern. Eine Regierung ohne demokratische Legitimation kann und darf ja – zu Recht – nichts, außer die bestehenden Gesetze einhalten.
Wenn etwas an den Gesetzen geändert werden sollte, wird daran die Regierung Bierlein unschuldig sein. Das wird vielmehr immer nur Produkt des parlamentarischen Taktierens sein. Im Parlament jedoch wird wohl keine einzige Aktion gesetzt werden, die primär durch die Interessen der Republik geprägt ist. Bei jeder einzelnen Abstimmung wird vielmehr im Kopf der Fraktionen noch stärker als sonst eine einzige Frage im Vordergrund stehen: Was wird uns bei der Wahl nützen oder schaden?
So ernüchternd das auch ist, so sehr ist es halt das normale Spiel der repräsentativen Demokratie, wo sich alles auf eine einzige Wahlentscheidung hin orientiert. Wenn die politische Macht den Wählern keine anderen Entscheidungsmöglichkeiten lässt, ist das ja geradezu unvermeidlich. Man schaue nur in die USA, wo eineinhalb Jahre vor der Präsidentenwahl der Wahlkampf auf beiden Seiten bereits voll eingesetzt hat. Das ist genauso lange, wie in Wien die letzte Regierung durchgehalten hat.
Ob der Namensliste der neuen Regierung sollte man jedoch einige absonderliche Entwicklungen der letzten Stunden nicht übersehen, die deutlich relevanter sind als diese Namen:
- Da staunen wir etwa über die neueste Meinungsumfrage, die nach dem Abschneiden einzelner österreichischer Politiker bei der Regierungskrise fragt. Sie zeigt etwas, was noch nie eine Umfrage gezeigt hat, und was angesichts der aktuellen schweren Krise von Regierung und besonders FPÖ doppelt bemerkenswert ist: Der Chef der FPÖ (Norbert Hofer) liegt bei den positiven Bewertungen meilenweit vor der SPÖ-Chefin (Pamela Rendi-Wagner) nämlich mit 34 zu 19.
- Da ist in Deutschland die SPD-Chefin Andrea Nahles zurückgetreten. Nach sehr schlechten Wahlergebnissen ist sie auch innerparteilich gescheitert. Man muss ihr freilich eines zubilligen: Im Vergleich zur österreichischen Sozialistenchefin Pamela Rendi-Wagner ist Nahles eine Vollblutpolitikerin. Frau Pam aber wird dennoch mit großer Wahrscheinlichkeit bleiben können und die SPÖ in die Wahlen führen, obwohl schon fast alle Parteigranden auf Distanz zu ihr gegangen sind. Warum? Weil es kaum eine Alternative zu ihr gibt, die auch bereit wäre, das sinkende Schiff im letzten Augenblick zu übernehmen. Und weil Pam im Gegensatz zu Nahles noch keine Gelegenheit hatte, einen nationalen Wahlgang zu versemmeln – denn bei den österreichischen Genossen darf das offenbar jeder einmal, bevor der nächste dran kommt.
- Da wird allen Ernstes von etlichen Medien kritisiert, dass der einzige Blaugefärbte in der Regierung als Jugendlicher "eventuell" mit H.C. Strache an Paintball-Indianer-Spielen oder auch "Wehrsportübungen" teilgenommen hat. Was nicht nur angesichts der seither verflossenen Jahrzehnte lächerlich ist, sondern auch weil nichts daran strafbar war, weil nichts davon einen Menschen als ungeeignet für ein öffentliches Amt erscheinen lässt.
- Da ist offenbar Strache nach wie vor nicht bereit, auf sein durch Vorzugsstimmen erobertes EU-Mandat zu verzichten. Der Mann will offenbar wirklich jener Partei, die er lange geführt hat, den größten Schaden seit Jahrzehnten zufügen. Und riskiert dabei ein Parteiausschlussverfahren gegen sich sowie eine Zerreißprobe für jene Menschen, die sich einst für ihn begeistert haben. Das ist zweifellos ein größerer Schaden für die FPÖ als seine skandalösen Wortmeldungen von Ibiza, die ihn jedenfalls schon für politische Funktionen untragbar machen, egal wer hinter dem Video steckt. Auch wenn es Strache nicht begreift - so sehr es auch zum nächsten Skandal wird, dass die Drahtzieher nicht energisch gesucht werden (von Staatsanwaltschaft und Exekutive, nicht bloß von Journalisten).
- Da steht in Österreich von den Themen des illegal aufgenommenen Ibiza-Auftritts thematisch ausgerechnet das Thema Wasserprivatisierung im Zentrum, über das sich alle erregen. Dabei ist die Antwort der Vernunft auf die Wasserpanikmache völlig eindeutig: Dort, wo die Wasserversorgung durch den öffentlichen Bereich funktioniert, soll sie ruhig öffentlich bleiben – wie etwa das Wiener Wasser seit Karl Lueger. Wo sie nicht funktioniert, wo Wasser verschmutzt ist oder überhaupt fehlt, ist das Versagen der staatlichen Strukturen evident. Und dort sollte es Privaten ermöglicht werden, es besser zu machen. Was Tausenden Städten und Gemeinden auf dieser Welt erstmals zu sauberem Trinkwasser verhelfen würde. Diese völlig vernünftige Regel wird vor allem von jenen Medien kritisiert, die noch nie ein Wort der Kritik dazu gefunden haben, wenn etwa in der SPÖ Verbrecher wie der Venezolaner Maduro, die Russen Trotzki und Lenin, und der Kubaner Che Guevara bejubelt werden.
- Da erregen sich einige Zeitungen und die linke Szene sowieso, weil ein Polizist einem grünen Randalierer ein paar Boxhiebe verpasst hat. Sie ignorieren dabei völlig, dass dieser Randalierer seinerseits mit Fußtritten gegen Polizisten losgegangen war (und vorher mit einigen anderen Extremisten – für den ORF: "Aktivisten" – den Wiener Verkehr im Zeichen der heiligen Greta lahmzulegen versucht hat). Was wieder einmal zeigt: Linke glauben, über dem Gesetz zu stehen, glauben, dass die Polizei gegen alle vorgehen darf und soll, nur nicht gegen linke Gewalttäter.
- Da erstaunt immer wieder, wie sehr die Handelssanktionen des US-Präsidenten andere Regierungen mit Panik erfüllen. Binnen weniger Stunden haben sowohl Iran wie auch Mexiko mit Unterwerfungsgesten auf Trumps Drohungen reagiert. Das zeigt, was wohl absurderweise seine größte Stärke ist: seine scheinbar völlige Unberechenbarkeit. Deswegen wird Trump von Amerikas Feinden ernster genommen als all seine Vorgänger seit Jahrzehnten.
- Da empört sich die ganze politisch-korrekte Szene Österreichs über einen niederösterreichischen Bürgermeister, weil der das offen sagt, was sich der Großteil der Österreicher in Hinblick auf das ganze Land denkt: Er hat für seine Gemeinde "kein Interesse" am Zuzug einer islamischen Großfamilie.
Wie lange hält es eigentlich die Demokratie aus, wenn ein gewichtiger (und seit ein paar Tagen noch gewichtiger gewordener) Teil des Machtapparats das zu kriminalisieren versucht, was der Großteil der Österreicher denkt?
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