Die FPÖ, die Burschenschaft und die Identitäre Bewegung

Es kam, wie es kritische Beobachter vermutet hatten: Die schrille Distanzierung der FPÖ von der Identitären Bewegung brachte ihr gar nichts. Der Tiefe Staat gibt sich mit solchen Distanzierungen nicht zufrieden. Er will rechte Parteien und Bewegungen zerstören. Ibiza lieferte den Vorwand, eine freiheitliche Regierungsbeteiligung zu beenden. Die Distanzierung schadete zudem den legitimen Anliegen aller Patrioten, mithin Österreichs selbst (oder was nach dem Lissabon-Vertrag davon noch übrig ist).

Eine Partei, die aus einer historischen Freiheitsbewegung erwachsen ist, darf das nicht tun. Höchste Zeit also für eine Revision.

Historische Analogien zwischen Burschenschaft und Identitärer Bewegung

Die Distanzierung von den Identitären richtet sich gegen eine Bewegung, deren Überzeugungen denen der burschenschaftlichen Urväter des später so genannten "Dritten Lagers", mithin denen der FPÖ, stark ähneln. Die Burschenschaft entstand nach gängiger Darstellung aus den Freicorps der Befreiungskriege gegen Napoleon. Sie gewann Profil aus dem Kampf gegen die Metternichsche Politik im Gefolge des Wiener Kongresses. Sie setzte sich für nationale Selbstbestimmung und bürgerliche Freiheitsrechte ein – wie immer man die gesamte Bewegung, ihre Protagonisten und ihre Hintermänner im Detail beurteilen mag.

Die Parallele zwischen historischer Burschenschaft und zeitgenössischer Identitärer Bewegung ist – wie bei allen historischen Vorkommnissen – unvollkommen, aber man kann sie ausmachen: Die Identitären wollen den Erhalt und die Wohlfahrt der Heimat und kämpfen gegen Meinungsterror und staatliche Willkür – wie die damalige Burschenschaft.

Das sind an sich ehrbare Ziele.

Man kann nicht junge Aktivisten attackieren, die im Prinzip das vertreten, was man von seinen Wurzeln her selbst vertritt, und gleichzeitig glaubwürdig bleiben. Diese Attacke wirft ein eigenartiges Licht auf eine Partei, deren Vorväter sich Patriotismus und Antikommunismus auf die Fahnen schrieben, sich aber von real existierenden Patrioten panisch distanzieren, auch wenn sich diese sogar nach den Maßstäben der derzeitigen Justiz, die erkennbar linkslastig ist, außer zwei Bagatelldelikten nichts zuschulden kommen ließen. Der Grazer Staatsanwalt, dem Vernehmen nach ein persönlicher Feind der Identitären, scheiterte einfach an den Fakten.

Auch die Spende des nachmaligen australischen Attentäters von Christchurch ändert nichts daran, genauso wie die unfassbare Medienkampagne – einschließlich an die Medien durchgestochener Ermittlungsergebnisse – gegen Martin Sellner und seine Organisation.

Abgesehen vom Druck, der auf die FPÖ in Sachen Identitäre höchstwahrscheinlich seitens der ÖVP ausgeübt worden ist, gibt es aber möglicherweise auch eine Unklarheit in den ideologischen Grundlagen der FPÖ selbst:

Die Burschenschaften zwischen Konservativismus und Revolution

Die Gründungsidee der Burschenschaft ist – wie soll man sagen – spannungsreich: Sie ist nämlich einerseits als revolutionäre Bewegung konzipiert und richtet sich gegen Thron und Altar, andererseits verwahrt sie sich gegen den Frühkommunismus und bekämpft dessen Ziele, nämlich die Abschaffung von Privateigentum, Ehe und Familie und Christentum.

Ist sie also gar nicht "konservativ" – trotz der von ihr behaupteten "Wahrung des konservativen Prinzips" durch die Mensur? Man grenzt sich gegen die Jakobiner ab, aber auch gegen die "Reaktion". Sind "Reaktion" und "Revolution" aber möglicherweise falsche Alternativen und verstellen den Blick auf eine höhere Wahrheit? (Hat der Wiener Kongress allenfalls einen schweren Fehler begangen, als er das Reich nicht wiederherstellte, sondern den Metternichschen Polizeistaat im spätjosephinischen Staatskirchentum erschuf?)

Sind die Burschenschaften eventuell "revolutionär-konservativ"? Was natürlich einen Widerspruch in sich selbst darstellt.

Oder sind sie "gegenrevolutionär"? Oder Protagonisten einer "konservativen Revolution" (wie man eine spätere nationale und anti-nationalsozialistische Strömung im Deutschland der 20er und 30er Jahre nennt)?

Durchaus möglich ist zudem, dass die revolutionäre Bewegung des Vormärz von Kräften mit starken Eigeninteressen (zumindest zeitweise) unterwandert wurde.

Auf die Gegenwart übertragen fragt man sich, was die FPÖ als Erbin dieser Bewegung nun wirklich will: Tritt sie wirklich für Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Erhalt der Heimat ein oder nicht? Dann müsste sie aber auch eine zumindest wohlwollend-neutrale Haltung gegenüber der Identitären Bewegung haben und dürfte sich auf keinen Fall von ihr distanzieren und sie gleichsam den Medien und der Justiz – und dem linken Straßenterror – als Beute vorwerfen.

Ein freiheitlicher Intellektueller mit wichtigen Anregungen

Alle diese Fragen legen sich mit erhöhter Intensität nahe, wenn man den neuesten historischen Roman des Direktors des freiheitlichen Parlamentsklubs Norbert Nemeth "Hartmut gegen Ahrimann" konsultiert. Dieser thematisiert die Verortung der Burschenschaften um die Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen katholischer "Reaktion" und frühkommunistischer "Revolution".

Irgendwie hat man den Eindruck, es liegt bei dieser Verortung eine Aporie zwischen revolutionärer und gleichzeitig antirevolutionär-konservativer Gesinnung vor.

Was für unser Thema FPÖ und Identitäre von besonderem Interesse ist, ist einerseits die Darstellung der Ideen des spanischen Diplomaten und Denkers Donoso Cortés, andererseits die Dialektik des Rechtsstaates, der mit seinen eigenen Mitteln aufgehoben werden kann.

Zu ersterem ist zu sagen, dass in der Identitären Bewegung traditionsorientierte Katholiken maßgeblich mitwirken, dem Vernehmen nach besonders in Frankreich. Insofern kontrastiert die IB mit der Burschenschaft des 19. Jahrhunderts, die protestantisch geprägt war. Dass Norbert Nemeth sich mit Donoso Cortés intensiv befasst hat, zeugt von geistiger Offenheit und Ernsthaftigkeit und lässt hoffen, dass Burschenschaft und FPÖ tiefer die Wurzeln der europäischen Kultur und der Existenz der europäischen Völker als solcher analysieren, die ohne Katholische Kirche eben schlicht und einfach nicht existieren würden.

Zu zweiterem ist zu sagen, dass wir eine Zeit erleben, in der Gegner des Rechtsstaates bzw. des Staates als solchem diesen für eigene Zwecke ausnützen, oder in den Worten Nemeths:

"Euer Ehren, im Grunde stellt sich doch die Frage, ob einer wie dieser Proudhon, der, wie Ihr wisst, ein bekennender Anarchist ist, ein ordentliches Gericht überhaupt anrufen darf. Dürfen diejenigen, die den Staat – und damit sind alle Staaten gemeint – abschaffen wollen, staatliche Hilfe in Anspruch nehmen?"

Das ist angesichts der Umtriebe von islamischen Lobbygruppen, die eingestandenermaßen das Gesellschaftssystem ändern wollen und sich vor österreichischen Gerichten Rechte erstreiten, eine hochaktuelle Frage. Auch linksradikale Gruppen und Politiker lieben es, zu klagen und zu prozessieren. Damit nützen sie denjenigen Staat aus, den sie zugunsten kommunistischer Utopien – oder eines europäischen Superstaates – abgeschafft sehen wollen.

Aber nach Lissabon sind das womöglich schon zu spät kommende Überlegungen.

Konklusion

Wenn man die Ausführungen Nemeths auf unser Thema umlegt, kann man schlussfolgern:

Bezüglich des Umgangs mit der Identitären Bewegung müssen freiheitliche Politiker bedenken, dass der Rechtsstaat kaputtgeht, wenn IB-Protagonisten und andere Nonkonformisten unter dem Applaus von Politikern, auch von freiheitlichen, dermaßen problematisch behandelt werden (man erinnere sich an den schon erwähnten Grazer Prozess und das emotionale Verhalten des Staatsanwaltes, an die Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen, an das Durchsickern von Ermittlungsergebnissen an einschlägige Medien, an die ungeheuerliche Beschimpfung als "widerlich" durch Bundeskanzler Kurz etc.).

Freiheitliche Staatsmänner müssen das rechtsstaatliche Prozedere mutig einmahnen, auch und besonders gegenüber solchen, die von den Massenmedien bereits vorverurteilt worden sind. Sie sollten auch anerkennen, dass eine patriotische Bewegung außerhalb ihrer eigenen Partei entsteht und unabhängig von ihr ("metapolitisch") agiert. Daher wäre die Parteispitze der FPÖ gut beraten, wenn sie ihre schrillen Distanzierungen zurückziehen würde.

Wie gesagt: Die Distanzierung hat auch gar nichts genützt. Die FPÖ sollte so und anders vernichtet werden.

Die Vorgänge um Ibiza zeigen übrigens auch, dass die FPÖ als ganze offenbar nicht Teil eines klandestinen Systems ist, in dem politische Auseinandersetzungen zu Show-Zwecken nur vorgetäuscht werden. Manche vermuteten das ja und phasenweise schienen die Regierungsmitglieder das durch ihr angepasst wirkendes Verhalten zu bestätigen. Wer jedoch mit einem dermaßen teuren und raffinierten, technischen – und möglicherweise pharmazeutischen – Aufwand vorgeführt und politisch vernichtet werden soll wie HC Strache und Johann Gudenus kann nicht zum Tiefen Staat gehören.

Wer dermaßen zielstrebig und ohne Vorliegen echter Gründe aus dem Amt gejagt wurde wie Innenminister Kickl, spielt ebenfalls dort nicht mit.

Im Übrigen können die Politiker des "Dritten Lagers", die derzeit ohne Regierungsaufgaben sind, vielleicht bei Donoso Cortés noch Orientierungen und Ermutigungen für ihr weiteres Wirken finden. Für eine moralische und ideologische Generalrenovierung ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt.

Bibliographischer Hinweis:
Hartmut gegen Ahrimann, Roman von S. Coell, "Zur Zeit" – Edition Band 30, W3 Verlagsges. m. b. H., Wien 2018

Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Lebensschützer, politisch und metapolitisch interessiert

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