Der Nichtraucher und die Raucherinnen

Der Nichtraucher wundert sich. Er hat seit Jugendtagen unter dem Rauch am Arbeitsplatz, in Restaurants und in Vereinen gelitten, war an schönen Stadtplätzen und in der Natur angewidert von weggeworfenen Zigarettenschachteln und vor allem bestürzt über gewissenlos entfachte Waldbrände und in Wohnungen verbrannte Menschen.

Jetzt verfolgt der geplagte Nichtraucher fassungslos die verlogene Debatte über das ausnahmslose Rauchverbot in Wirtshäusern. Er hört und liest die gruseligsten Behauptungen von einem drohenden Massensterben, weil ein Nationalratsbeschluss vier Wochen später erfolgen könnte, obwohl ohnehin nur ein in der Zukunft liegender Wirkungsbeginn möglich ist.

Nebenbei sei auf das brüchige staatspolitische Verständnis dieser Jahrmarktspropheten hingewiesen, die ein Verfahren vor einem Oberstgericht abwürgen und den demokratischen Grundsatz der Gewaltentrennung wie einen Zigarettenstummel in der Kloake eines primitiven Populismus entsorgen wollen.

Weiters merkt der Nichtraucher ein seltsames Medienphänomen. Bekanntlich weisen die stündlichen Rundfunknachrichten seit Längerem einen stark verkürzten und die Verständlichkeit des Textes beeinträchtigenden Inhalt auf, wenn die Rede von Sekretären und Sekretärinnen ist, die an ihren Schreibtischen und Schreibtischinnen mit ihren Kugelschreibern und Kugelschreiberinnen Formulare und Formularinnen ausfüllen. Hingegen werden die Raucherinnen niemals einer Erwähnung gewürdigt.

Denn in der Wirtshausfrage werden von obskuren Experten und sogar von Ärzten die hirnrissigsten Behauptungen hinausposaunt, aber man liest und hört immer nur von Rauchern, was gemäß der Genderideologie also immer nur Männer sind.

Dabei ist der Anteil der Raucherinnen seit dem Siegeszug des Feminismus gewaltig gestiegen. In den 1980er Jahren musste die Tabakindustrie einen drastischen Rückgang bei den rauchenden jungen Männern registrieren. Doch ein führender Tabakmanager zeigte sich gegenüber dem Nichtraucher schon damals unbeeindruckt: Der Ausfall würde durch die qualmenden Mädchen mehr als wettgemacht. Es ist nicht zu übersehen: Heutzutage raucht in gastlichen Stätten jeder Art bei Paaren immer öfter nur die Frau. Vor Bürogebäuden genießen fünf Personen eine Rauchpause – vier Frauen, ein Mann. An Bus- und Straßenbahnhaltestellen warten fast nur Mädchen und junge Frauen mit brennenden Zigaretten in der Hand auf die Öffis.

Feministen und Feministinnen mögen es für einen Triumph ansehen, dass sich die Lungenkrebsquoten der Frauen an die der Männer annähern, und sich die Zahlen der durch Nikotinmissbrauch verstorbenen Toten und Totinnen angleichen.

Leider lässt sich das Raucherproblem durch keine noch so bittere Satire lösen. Aber leider auch nicht durch das radikalste Rauchverbot in allen Wirtshauswinkeln, denn es wird vorhersehbar keine drei Österreicher oder Österreicherinnen geben, die deswegen ihre Gewohnheiten ändern. Es werden nur etliche neue Probleme entstehen.

"Aber die anderen, die in keine verrauchten Gaststuben einkehren wollen", wird einem entgegenschleudert. Der Nichtraucher besucht regelmäßig teils gezwungenermaßen, teils freiwillig gastronomische Betriebe. Seit mindestens fünf Jahren ist er in ganz Österreich noch nie vor dem Problem gestanden, sein Bier in einer Rauchwolke trinken zu müssen. Er wurde nie in ein Raucherzimmer gezwungen. Und "seine" Beiseln sind längst freiwillig rauchfrei geworden.

Noch ein Aber: Die armen Kellnerinnen, die …! Halt, da grinst die nächste Lüge: Längst hat die EU dem Personal die Wahlfreiheit garantiert. Und wenn der böse profitgierige Wirt jemand in die Rauchschwaden zwingen will? Gegenfrage: In einer Zeit, in der die gesamte Branche unter Personalnot leidet und jeder seinen Arbeitsplatz frei wählen kann?

Der Nichtraucher weint dem ausgesperrten Zigarettenrauch keine Träne nach. Es fürchtet auch nicht eine dramatische Zunahme des Wirtshaussterbens. Seine Magennerven revoltieren jedoch bei der Politgymnastik der SPÖ, die während der Alleinregierung des noch immer hochgelobten Bruno Kreisky in den Oberstufen der Gymnasien Raucherzimmer eingeführt und als großartigen Modernisierungsschub Österreichs bejubelt hat.

Den Nichtraucher stört das kommende Rauchverbot bestimmt nicht. Aber er warnt vor einem drohenden Nebeneffekt der hysterischen Kampagne: Mit dem Rauchverbot werden nämlich auch die Raucher und Raucherinnen als Volksschädlinge gesellschaftlich geächtet, und der Nichtraucher behauptet, dass jeder in seinem Umfeld einen rauchenden Menschen kennt, der ein tüchtiges und wertvolles Mitglied der Gesellschaft ist. Wer tatsächlich Schwierigkeiten hat, ein solches Wesen in Familie, Beruf und Freundeskreis zu finden, sei an einen Raucher erinnert, der mit absoluter Mehrheit zum obersten Repräsentanten des Staates Österreich gewählt wurde.

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war Mitarbeiter der ÖVP-Politiker Gorbach, Klaus und Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der katholische Journalist publiziert zu zeitgeschichtlichen, lokalgeschichtlichen und volkskulturellen Themen.

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