Der Europäische Gerichtshof hat also entschieden, dass es gegenüber Andersgläubigen und Atheisten schwer diskriminierend ist, wenn in Österreich nur die Angehörigen der Evangelischen Religionsgemeinschaft und einiger weiterer, kleiner Kirchengemeinden, nicht aber alle Österreicher am Karfreitag einen arbeitsfreien und bezahlten Tag genießen können.
Das hat nun in Österreich zu etlichen, die Innenpolitik in Beschlag nehmenden Problemen und Lösungsversuchen geführt, wie diesem Urteil nachzukommen ist.
Mir wurde aber zugleich ein ganz anderer Fall einer schweren Diskriminierung bekannt, diesmal im Gebiet des Pflegerechts: Unser Urlaubsgesetz, das Beamtendienstrechtsgesetz und weitere Arbeitsgesetze enthalten relativ großzügige Bestimmungen für die bezahlte Pflegefreistellung zur Betreuung erkrankter naher Angehörige, wie z.B. Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder ...
Eine bezahlte Pflegefreistellung wird aber nur dann gewährt, wenn sich die Pflegebedürftigen im gemeinsamen Haushalt mit der pflegeleistenden Person befinden. Eine Ausnahme vom gemeinsamen Haushalt und der nahen Angehörigkeit wurde lediglich für Kinder in sogenannten "Patchworkfamilien" geschaffen.
Lebt die wegen einer Erkrankung für ein paar Tage pflegebedürftige und alleinstehende Mutter oder Großmutter auch nur einen Stock tiefer in einer eigenen Wohnung (was wohl meistens der Fall sein wird, da Eltern und Großeltern nur sehr selten mit den Kindern gemeinsam in einem Haushalt wohnen), so besteht KEIN Anspruch auf bezahlten Pflegeurlaub. Gerichtsentscheidungen haben auch schon klar festgestellt, dass ein Meldezettel allein kein Nachweis für eine gemeinsame Haushaltsführung ist.
Weshalb soll aber jemand, der nicht bei ihm wohnende nahe Angehörige im Krankheitsfall genauso pflegt, wie ein "Nesthocker", der noch nicht aus der elterlichen Wohnung ausgezogen ist, keine bezahlten Pflegetage frei bekommen?
Die Unterscheidung zwischen "im gemeinsamen Haushalt" und "getrennter Haushalt" sehe ich daher im Pflegefall sachlich durch nichts gerechtfertigt und halte dies für eine schwerwiegende Diskriminierung vieler Arbeitnehmer nur aufgrund in Österreich allgemein üblicher Wohnverhältnisse.
Das wäre doch etwas für die Richter des EuGH.
Und weil gerade Fasching ist – noch ein Satz nach Luxemburg in Analogie zum kirchlichen Feiertag auch für Atheisten: Eine besonders harte Diskriminierung trifft jene Arbeitnehmer, die gar keine nahen Verwandten oder Kinder haben, und daher gar nicht in den Genuss eines bezahlten Pflegeurlaubs kommen können!
Die EU-Höchstrichter werden sich aber auch dazu etwas einfallen lassen können ...
Dr. Günter Frühwirth ist Jurist und begeisterter Bahnfahrer. Die gesellschaftspolitische Entwicklung Österreichs verfolgt er mit aktivem Interesse.