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Gäbe es in Österreich noch irgendwo Liberale, dann würden sie jetzt lauf aufheulen. Jedoch: Es herrscht Totenstille. Die Ankündigung der Regierung, eine Auflösung der "Identitären Bewegung Österreichs" einzuleiten, stört offenbar niemanden. Jedoch: In einem liberalen Rechtsstaat sollte die Obrigkeit ohne Vorliegen einer konkreten und massiv gesetzwidrigen Tat weder Vereine auflösen noch Menschen einsperren können. Egal, ob das einmal von rechts gefordert wird oder einmal von links.
Jedoch: In diesem Land scheinen die Maßstäbe völlig verloren zu gehen.
Anlass des sogar vom Bundeskanzler getragenen Verlangens nach einer Vereinsauflösung ist, dass diese Identitären vom neuseeländisch-australischen Massenmörder lange vor dem Anschlag auf eine Moschee eine Spende von über 1500 Euro bekommen haben. Das ist zweifellos ein politischer GAU für diese Gruppe, die wahrscheinlich nie mehr die Beine auf den Boden bekommen wird. Das ist aber noch kein strafbarer Akt, der eine Auflösung rechtfertigen würde, sofern es nicht noch irgendwelche anderen, bisher öffentlich unbekannte Delikte gegeben hat.
Es ist völlig richtig und legitim, dass die Sicherheitsbehörden seit Bekanntwerden der Spende nach Indizien suchen, ob es einen solchen Zusammenhang gibt. Es ist aber in einem Rechtsstaat völlig unakzeptabel, dass die Regierung ohne Kenntnis einer solchen rechtswidrigen Handlung gleich eine Auflösung jenes Vereins ankündigt.
Aber betreiben die Identitären nicht schon seit langem einen problematischen Aktionismus? Und finden sich nicht im Pamphlet des Massenmörders manche Passagen, die auch die Identitären vertreten?
Beide Fragen sind mit einem klaren Ja zu beantworten. Aber: Nichts davon ist strafbar. Und: Ebenso gravierende Vorwürfe lassen sich in noch viel größerem Umfang gegen andere politische Gruppierungen und Parteien erheben.
Unter Aktionismus versteht man die gezielte Störung fremder Veranstaltungen, die Besetzung fremder Gebäude oder die Anbringung von Transparenten an diesen. Ich hätte große Sympathie, wenn all das aus dem marginalen Bereich bloßer Verwaltungsübertretungen oder (nur zivilrechtlich relevanter) Besitzstörungen ins Strafrecht transferiert würde. Wenn also dafür auch Haftstrafen drohten.
Jedoch: Der gesamte Aktionismus war seit Jahrzehnten ein Reservat der Linken. Sowohl die Grünen wie auch zahlreiche linke NGOs a la Greenpeace sind durch Besetzungen, durch massive Störungen von Versammlungen anderer bekannt geworden. Und viele Medien haben begeistert und ohne jeden kritischen Unterton darüber berichtet und die Bilder veröffentlicht, wenn Greenpeace wieder auf irgendeinem fremden Dach ein Plakat angebracht hat.
Sollen solche Aktionen von Greepeace&Co jetzt strafrechtlich verpönt werden, nur weil eine rechte Gruppierung mit ganz ähnlichen Aktionen Zulauf bekommen hat?
Warum eigentlich nicht? Darüber intensiv nachzudenken, wäre angesichts einer eskalierenden Polarisierung der Gesellschaft durchaus sinnvoll. Gegen Aktionismus vorzugehen, wäre wohl auch wichtiger als die ständige Vermehrung der Gesetzes-Artillerie gegen bloße Meinungen wie "Hass im Netz".
Vor allem aber muss in einem Rechtsstaat eines klar sein: Solche Verbots-Paragraphen müssten jedenfalls genauso gegen den Aktionismus von links, von grün, von NGOs gerichtet sein wie gegen den von rechts.
Der Vorwurf gegen die Identitären, dass manche Aussagen des Neuseeland-Mörders sich mit den ihren decken, ist besonders absurd. Das wäre er auch dann, wenn nicht etliches eindeutig richtig wäre, was da wie dort zu lesen ist. Falsch, unerträglich, verdammenswert ist es, wenn der Australier daraus die Legitimation zur Gewalt oder gar zum Massenmord ableitet. Aber damit wird nicht jede Aussage falsch. Es ist etwa ein eindeutiges Faktum, dass sich binnen weniger Jahrzehnte die Zahl der Moslems in Österreich von deutlich unter 20.000 auf weit mehr als 600.000 – höchstwahrscheinlich sogar 700.000 – verdreißigfacht hat. So etwas ist eine unbestreitbare Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung.
Aber ganz unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit oder Falschheit bestimmter Aussagen kann niemals wegen einer solchen Argumentations-Ähnlichkeit die Schuld an den Taten des einen auf einen anderen übertragen werden. Bei der Schuldfrage ist immer ganz unabhängig zu prüfen, ob auch der andere Gewalt unterstützt oder gar zu ihr aufgerufen hat. Und von Gewalt haben sich die Identitären bisher immer bewusst distanziert (etwa ganz im Gegenteil von der linksextremistischen Antifa, die jedoch in Deutschland von SPD-Ministerien gefördert wird!).
Wäre eine solche Ähnlichkeit wirklich geeignet, auch Schuld zu übertragen, dann müsste man das natürlich auch ganz eindeutig auf andere Gruppierungen anwenden:
Ein weiterer Vorwurf ist die Entgegennahme einer Spende des späteren Mörders durch die Identitären, die (zumindest nach ihren eigenen Angaben) den Spender gar nicht gekannt haben. Es ist ziemlich absurd, aus der Entgegennahme einer legalen Spende ein Verschulden abzuleiten, solange ein Empfänger nichts über eventuelle Verbrechen des Spenders weiß.
Wäre das anders, müssten – um nur ein Beispiel aus vielen zu nennen – die vielen von der Gemeinde Wien mit Spenden und Inseraten bedachten Vereine und Personen all ihr Geld zurückgeben. Denn die Gemeinde Wien trägt beispielsweise und ganz eindeutig die Schuld daran, dass einst ein städtisches Kinderheim in ein Zwangsbordell verwandelt worden ist. Dieses Verbrechen war eines der widerlichsten der Nachkriegszeit. All diese Vereine haben bedenkenlos auch weiterhin schmutziges Rathausgeld genommen, selbst nachdem die einstigen Kinderheim-Verbrechen aufgeflogen waren!
Das Geben oder Nehmen von Spenden ist überhaupt eines der beliebtesten Mittel intelligenzarmer politischer Propaganda. So haben Rot und Grün sowie einige ihnen nahestehende Zeitungen in der Vorwoche wild um sich geschlagen, weil aus der Umgebung der Präsidentin des Wiener Hayek-Instituts (die derzeit auch Vizepräsidentin des Nationalbank-Aufsichtsrats auf einem offenbar blauen Ticket ist) mehrere Geldspenden im fünfstelligen Umfang an die britischen Konservativen gegangen sind. Dabei ist es mehr als logisch, dass jemand, der Hayek kennt und liebt, auch die Partei der Maggie Thatcher unterstützt. Hat diese doch Hayek gekannt und geliebt. Und sie ist mit einer sich auf Hayek berufenden Politik die erfolgreichste britische Premierministerin geworden.
Klare Schlussfolgerung: Sollten nicht noch bisher unbekannte Fakten auftauchen, ist die gesamte derzeit hochkochende Neuseeland-Identitären-Hysterie schlicht absurd. Selbst dann wenn sie von Opposition und Medien auf die Regierung übergegriffen hat.
Ein zweites Vorhaben der Regierung als Reaktion auf den Komplex Neuseeland-Identitäre ist hingegen durchaus interessant – wenngleich es auch hier Konsequenzen gibt, die man wohl nicht durchdacht hat. Die Regierung will nämlich Spenden aus dem Ausland verbieten.
Lassen wir einmal den EU-Aspekt beiseite, der wohl dazu führen müsste, dass Spenden aus dem EU-Ausland von einem solchen Verbot ausgenommen sein müssen. Noch viel spannender ist aber die Frage, ob in Österreich auch humanitäre oder wissenschaftliche Spenden verboten werden. Das wird wohl unumgänglich sein, weil es nie möglich sein wird, eine scharfe Abgrenzung zu politischen Spendenzwecken vorzunehmen, weil dann immer jede Menge Umgehungsgeschäfte stattfinden wird, weil Auslandsgelder nach ein paar Jahren überhaupt nicht mehr von Inlandsgeldern zu unterscheiden sein werden.
Wenn man aber folgerichtig alle Auslandsfinanzierungen verbietet, hieße das dann:
Man kann der Regierung bei ihrem unbedacht verkündeten Vorhaben also nur "viel Spass" wünschen – oder vielleicht ein vorheriges Denken.
Und der ÖVP kann man wünschen, dass sie wenigstens eine Minute nachdenkt, was ein solches Verbot für die von ihrem Othmar Karas und dem Deutschen Manfred Weber betriebene Anti-Ungarn-Kampagne bedeuten würde. Dann wäre Ungarn nämlich absolut im Recht mit seinen Maßnahmen gegen den amerikanischen Investor Soros, der ja von außen viele Dinge im wissenschaftlich-humanitären-politischen Grauzonenbereich finanziert. Aber ÖVP und EVP wollen haargenau, dass Ungarn sämtliche Maßnahmen gegen die Soros-Aktivitäten zurücknimmt. Also: Man will Ungarn haargenau das verbieten, was man gerade selber tut.
Würde sich nicht sehr gut machen …
Weil wir gerade dabei sind, der Regierung zu wünschen, dass sie sich manche Dinge besser überlegt, dann sollte sie auch die geplante Einführung einer Gefährdungshaft überdenken. Diese wäre nämlich eine weitere massive Einschränkung der Freiheit eines Rechtsstaats. Sie würde eine Willkürherrschaft der Daumen-in-den-Wind-Halter (vulgo: Psycho-"Gutachter") auslösen.
Dabei gibt es viel bessere Mittel, um mit rechtsstaatlichen Mitteln einen besseren Schutz der Bevölkerung zu erreichen: Indem man nicht eine allgemein-diffuse "Gefährdung" sondern konkrete, derzeit straffreie Handlungen mit Haft sanktioniert: Wie Wiedereinreise trotz Abschiebung oder Nichtbefolgung einer Abschiebung. Diese Alternativen sind hier schon genau analysiert worden sind.