Das Fressen und die grüne Moral

"Zuerst kommt das Fressen, dann alles andere", zeigte sich die neue Grünpolitikerin Sarah Wiener literarisch gebildet. Die Weisheit "Erst kommt das Fressen" verkündet bekanntlich ein gewisser Macheath, genannt Mackie Messer, die Hauptfigur der "Dreigroschenoper". Hier soll nicht über die Wortwahl einer Köchin zur Speisenaufnahme philosophiert, sondern nur die bekannte Tatsache festgehalten werden, dass Halbbildung außerhalb der eigenen vier Wände ihre Tücken hat.

Die Dame sagte nämlich bei ihren ersten politischen Kochexperimenten nur die Hälfte des Satzes, den Bertolt Brecht dem Obergauner Mackie Messer singen lässt. Im zweiten Drei-Groschen-Finale (von dreien) heißt es vollständig "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral". Womit wir bei der Politik der Grünen angelangt sind.

Ob die hauptberuflich das tägliche Fressen zubereitende Deutsche mit österreichischer Staatsbürgerschaft bei den Europawahlen politisches Gewicht verspricht, müssen die Grünen entscheiden und in der Folge die Wähler. Manche ihrer Parteifreunde zweifeln ganz offen daran.

Ob die Kärntner Grünen mit dem Zitat aus der "Dreigroschenoper" und außerdem mit ihrem Landessprecher glücklich sind, ist bisher noch nicht offenkundig geworden. Dieser Herr Matthias Köchl hat nämlich aus Herzensgüte einen Autostopper mitgenommen. Dass er ihn ganz zufällig im italienischen Grenzgebiet einsteigen ließ und ihn zufällig über die Grenze nach Österreich bringen wollte, obwohl sein Fahrgast zufällig keine Papiere hatte, bedachte der oberste Kärntner Grüne nicht. Er hat sich halt keine Gedanken darüber gemacht, wieso ein Iraker über die Grenze gefahren werden wollte.

Außerdem mag er einfach die Iraker. Schon 2015 hatte er laut Kronen-Zeitung "zwei Flüchtlinge aus dem Irak zu sich nach Hause eingeladen und mit ihnen lachend auf einem Foto im Internet posiert". Es darf als sicher angenommen werden, dass er damals nicht gewusst hat, dass auf den Facebook-Profilen seiner zwei Gäste Fan-Bilder von radikalen islamischen Kämpfern abgebildet waren.

Aber auch gute Menschen können Pech haben. Den Carabinieri kam das Verhalten von Matthias Köchl und seinem Mitfahrer irgendwie verdächtig vor. Sie sind halt misstrauisch, diese Italiener. Und gaben dem Kärntner Grün-Vorsitzenden in ihrer Gastfreundschaft wegen Verdachts der Schlepperei ein Nachtquartier in einem Gefängnis in Udine. Natürlich gilt für Herrn Köchl die Unschuldsvermutung, aber zum Glück für Herrn Köchl wurde ein Gerichtsverfahren eingeleitet, denn dort kann er einem italienischen Richter seine Unschuld beweisen, weil er ja nichts anderes getan hat, als aus Freundlichkeit einen Autostopper mitzunehmen, über die Staatsgrenze. Na und?

Um zum Anfang zurückzukehren: Angefressen ist offenbar der Klubobmann der Tiroler Grünen, weil man nicht 96 Prozent der Österreicher einen neuen freien Arbeitstag geschenkt hat, sondern nur einen halben. Der Abgeordnete Gebi Mair fand diese Zumutung lachhaft und postete im Internet: "Am Karfreitag um 15 Uhr ist Jesus am Kreuz vor Lachen gestorben". Getwittert am 19. Februar 2019 um 11,38 Uhr.

Hier bleibt einem die Realsatire in den Tasten des Keyboards stecken. Das ist die vermutlich ungeheuerlichste religiöse Entgleisung in der Geschichte Österreichs. Zuerst kommt das Fressen dann die Moral? Nein, da muss man Frau Sarah Wiener recht geben, bei den Grünen kommt nach dem Fressen "alles andere". Nur keine Moral.

Dass ein Tiroler Politiker als Erster auf diese skandalöse Aussage reagiert hat und nicht die Kirchen, nicht die katholische und auch nicht die evangelische, für die der Karfreitag angeblich eine Sonderstellung einnimmt, ist eine Ungeheuerlichkeit für sich. Man muss nicht einmal gläubig sein, um die Kreuzigung eines Menschen anders als lachhaft zu empfinden.

Wo bleiben der Kardinal, die Bischofskonferenz, die Superintendenten? Und was sagt der Herr Bundespräsident van der Bellen, der sonst so gerne den betulichen Oberlehrer hervorkehrt, zu seinem Parteigenossen Mair aus Tirol?

Zur Moral der Grünen lässt sich nur auf ein Wort des Berliner Malers Max Liebermann verweisen: Man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war Mitarbeiter der ÖVP-Politiker Gorbach, Klaus und Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der katholische Journalist publiziert zu zeitgeschichtlichen, lokalgeschichtlichen und volkskulturellen Themen.

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