Was soll denn das für eine Überschrift sein, werden sich jetzt manche Leser fragen und dies zu Recht! Aber lassen Sie es mich erklären und mit der Frage nach der Ungleichheit beginnen.
Dass ein bestimmtes Maß an wirtschaftlicher Ungleichheit in freiheitlichen Gesellschaften zu Problemen führt, werden die meisten wohl unterschreiben. Anders sieht es schon aus, wenn man das Maß an Ungleichheit – also den entsprechenden Gini-Faktor – zu bestimmen versucht, ab dem es (so richtig) problematisch wird.
Auf der Suche nach Gründen von auf Ungleichheiten basierenden sozialen Spannungen hat sich der "Economist" in seiner aktuellen Ausgabe nicht – wie man vielleicht hätte vermuten können – mit Umverteilungsfragen befasst, sondern die Zeitschrift hat die unterschiedlichen Chancen, die Kinder vorfinden, als eine Hauptursache der zunehmend stärker werdenden Spannungen identifiziert. Doch als Hauptursache schlechthin, als Ressource dafür, dass Kinder möglichst gute Chancen in ihrem Leben vorfinden und dass sie es – nicht nur, aber auch – ökonomisch "schaffen", sieht der "Economist": die Familie! Überraschung pur!
Man muss es schon zweimal lesen, aber so steht es schwarz auf weiß:
"The family is still the best place for a child to get the love and security it needs to grow into a well-balanced adult. Child-development experts agree that almost any family, however imperfect, is better than none at all. It does not even have to last for ever, only long enough to provide a safe and warm space for those crucial early years.”
Liest man weiter, erfährt man, dass auf zerbrochenen Familien oft enormer wirtschaftlicher Druck lastet und dass es Alleinerzieher – in den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um Frauen – da besonders schwer haben. In stabilen Familien aufzuwachsen, die über genügend Ressourcen verfügen, ist für Kinder hingegen eine tolle Start-Chance, die jedoch dann rasch vertan wird, wenn diese zu Bruch gehen. Der "Economist" formuliert diesen Chancen-Einbruch unmissverständlich:
"Families have also become far more fluid. Rates of marriage have declined steeply, and divorce has become widespread. Many couples in America and Europe now cohabit rather than marry, and a large and growing proportion of children are born out of wedlock. Far more of them, too, are being brought up by lone parents, overwhelmingly mothers, or end up in patchwork families created by new sets of relationships. Again, this happens far more often at the bottom of the social scale than at the top.”
Eltern haben – fast könnte man sagen: global betrachtet – erkannt, wie entscheidend Bildung für die Zukunft ihrer Kinder ist und reagieren dementsprechend darauf, wenn es ihre Mittel und ihre Lebensumstände zulassen. Wie sie reagieren? Lassen wir auch dazu erneut den "Economist" zu Wort kommen:
"Prosperous parents these days, especially in America, invest an unprecedented amount of time and money in their children to ensure that they will do at least as well as the parents themselves have done, and preferably better. Those endless rounds of extra tutoring, music lessons, sports sessions and educational visits, together with lively discussions at home about every subject under the sun, have proved highly effective at securing the good grades and social graces that will open the doors to top universities and well-paid jobs.”
Doch was ist mit denen, die da unverschuldet oder verschuldet nicht mitkönnen? Sie werden auch in den USA, trotz des so vielfach beschworenen "American dream", zunehmend abgehängt.
"Working-class parents in America, for their part, lack the wherewithal to engage in such intensive parenting. As a result, social divisions from one generation to the next are set to widen. Not so long ago the "American dream” held out the prospect that everyone however humble their background, could succeed if they tried hard enough. But a recent report by the World Bank showed that intergenerational social mobility (the chance that the next generation will end up in a different social class from the previous one) in the land of dreams is now among the lowest in all rich countries.”
Natürlich ist da jeweils der Staat gefragt, gerade für diese Kinder Programme anzubieten, die ihnen schon ab einem frühen Alter, eine ausreichende Entwicklungsperspektive ermöglichen. In diesem "Special Report: Childhood" des "Economist" vom 5. Jänner 2019 werden dazu eine ganze Reihe guter – aber wohl auch weniger guter – Beispiele angeführt.
Doch was soll das bitteschön mit Ehe/Partnerschaften für alle zu tun haben? Liest man diese Artikel, so bekommt man den gleichen Eindruck, wie aus Botschaften so vieler anderer Publikationen: Familien sind fluide geworden, sie haben also weit weniger Bestand als früher, denn Scheidungszahlen gehen nach oben, Menschen heiraten vielfach gar nicht mehr, ein unglaublich großer Prozentsatz der Kinder wird unehelich geboren und sehr viele wachsen nur mit einem Elternteil auf, in den USA sind dies bereits 25 Prozent der Kinder! Unter Afro-Amerikanern ist die Situation besonders triste, was zu einer Vertiefung der sozialen Spannungen führt.
Das sind alles Fakten. Aber ist diese Entwicklung denn auch wirklich generell so schicksalhaft und unveränderlich, wie das suggeriert wird?
All diese Entwicklungen beschleunigen sich, wenn die bestehenden Möglichkeiten dies zulassen. Nicht mehr in einer katastrophalen Ehe eingesperrt will man nachvollziehbarer Weise sein, Optionen möchte man haben, um im Falle des Falles reagieren zu können, einen Plan B also, wenn der Plan A nicht funktioniert. Was aber sollte denn schon gegen einen Plan B sprechen?
Jihae Shin, Assistant Professor für Management und Human Ressources an der Wisconsin School of Business, hat ihre Studien unter dem Titel zusammengefasst: "Having a ‚Plan B‘ Can Hurt Your Chances of Success". Ihre Versuche zeigen: Menschen lieben es, einen Plan B zu haben, denn das scheint ihnen mehr Sicherheit zu bieten. "Die Leute denken: ‚Es wird schon alles gut gehen, weil ich ja immer noch X oder Y machen kann, wenn ich scheitere‘. Die Situation kommt ihnen dann weniger unsicher vor." Doch der Haken an der Geschichte ist der folgende: "Wenn Sie sich auf ein Scheitern vorbereiten, scheitern Sie eher."
Wer also einen Plan B, C oder D für den Fall hat, dass eine Beziehung scheitern sollte, erhöht die Chance des Scheiterns oft schon alleine dadurch. Und Hand aufs Herz: Ehen zerbrechen nicht einfach so, quasi ohne unser Zutun, wie dies beliebte Formulierungen nahelegen, wenn davon gesprochen wird, dass die Ehe leider nicht gehalten hat, dass sie zerbrochen sei. War halt nicht stark genug der Kitt, der diese Menschen zusammengehalten hat, Schicksal.
Aber wäre es nicht ebenso notwendig zu betonen, dass Menschen in einer Beziehung eine Verantwortung für den Bau dieses gemeinsamen Hauses übernehmen und wenn sie dies nicht wahrnehmen, diese Beziehung eben scheitern wird? Oder dass sie ein solches gemeinsames Haus in Wut oder Enttäuschung dann oft selbst ganz bewusst einreißen? Gegen die Kräfte, die dann freiwerden, kann nichts "halten".
Es scheitert in solchen Fällen jedoch nicht die Institution der Ehe, sondern es scheitern ganz konkrete Menschen mit ihrem Lebensentwurf. Ja, man kann es auf die Institution schieben, aber das würde bedeuten, selbst die Verantwortung nicht zu übernehmen, die man dabei wohl oder übel auch selbst hat. Wer sich in dieses Thema weiter vertiefen möchte, dem sei die Episode des untreuen Ehemannes – und was sich daraus dann so alles entwickelt – aus dem zehnten Kapitel des Buches "12 Rules For Life" von Jordan Peterson sehr ans Herz gelegt.
Die scheinbar salomonische Lösung, nun in Österreich die Ehe, aber auch die rechtlich weit losere Partnerschaft für alle zu öffnen, hat dazu geführt, dass potenziell für viele Männer und Frauen, die bisher eine Ehe eingegangen wären, die Partnerschaft nun als der billigere Weg attraktiv wird. Ein Weg, der viel einfacher wieder für einen Plan B aufgegeben werden kann. Auf diesem Weg wird ein Scheitern von Familien erneut beschleunigt, mit all den auch ökonomischen negativen Konsequenzen für die Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft. Das kann man schon wollen, aber den Preis, der langfristig dafür fällig wird, sollten wir nicht unterschätzen.
Dass wir auf diesem Wege weit mehr neue heterosexuelle Partnerschaften sehen werden als homosexuelle Ehen, erachte ich übrigens als unumgänglich. Wetten!
Mag. Johannes Leitner ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er ist Leiter eines genossenschaftlichen Revisionsverbandes und war langjähriger Leiter einer christlichen Laiengemeinschaft im Raum Wien. Er ist Mitautor des im Jahr 2012 erschienenen Buches "Sexueller Missbrauch in Organisationen: Erkennen-Verstehen-Handeln".