Die Digitalsteuer für die anderen

Unsere Bundesregierung hebt also die Digitalsteuer für ausländische Konzerne aus der Taufe. Im Namen der Gerechtigkeit sollen auch Google, Amazon und Alibaba ihren Beitrag leisten. Betroffen sollen Konzerne sein, die mindestens 750 Millionen Euro weltweit und mindestens 10 Millionen davon in Österreich umsetzen. Jährlich 60 bis 100 Millionen Euro will die Republik an Digitalsteuern einnehmen. Österreichische Unternehmen sollen nicht betroffen sein.

Wenn die Regierung eine Menge Geld von ausländischen Konzernen kassieren und dabei einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in der Welt leisten möchte, scheint er für einen österreichischen Staatsbürger schwer zu sein, gegen eine solche Vorreiterei zu argumentieren. Oder?

Zunächst dürfte die Regierung mit ihren Steuerplänen leichtes Spiel haben, weil Großkonzerne hierzulande keinen besonders guten Stand haben. Das mag auch damit zusammenhängen, dass in Österreich – im Vergleich etwa zur Schweiz – eher wenige solcher Unternehmen domiziliert sind. Das Rückgrat unserer Wirtschaft sind die Klein- und Mittelbetriebe. Große Unternehmen, die mit viel Kapital viele Arbeitsplätze schaffen und viel Wertschöpfung lukrieren, spielen in der öffentlichen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle. Börse und Kapitalmarkt sind daher etwas, was Politik und Medien kaum interessiert. Dass zahlreiche Unternehmen die Börse verlassen und die Zahl der Börsengänge im letzten Jahrzehnt überschaubar ist, bereitet keinem Verantwortungsträger schlaflose Nächte. Wenn Österreich beim internationalen Steuerwettbewerb mitmachen und mittels Gruppenbesteuerung ein paar Konzernspitzen halten will, tut man sich politisch schon schwerer. Die Verteidigung der Rolle der Großkonzerne ist in unserer unterentwickelten Marktwirtschaft schlicht unpopulär. Konzerne dienen in einer derartigen Atmosphäre eher dazu, Neidgefühle zu pflegen und das antikapitalistische Mütchen zu kühlen.

Dass eine nicht explizit sozialdemokratische Regierung nun eine solche Vorreiterrolle übernimmt, mag überraschen. Von der Hybris des Konstruktivismus schien sie bislang nicht angekränkelt zu sein. Vielleicht hat man sich aber auch von der EU, die bisher kein eigenes Konzept entwickeln konnte, instrumentalisieren lassen.

Wenn die neue Steuer noch dazu nur ausländische Konzerne betreffen soll, sollte jeder Widerstand im Keim erstickt sein. Ausländische Konzerne sind eine Art Freiwild. Schon im Fall Eurofighter zeigte die Republik, dass sie jenseits des österreichischen Rechts und der wirtschaftlichen Vernunft glaubt, machen zu können, was sie will – selbst wenn sie sich in der Auseinandersetzung zwischen der europäischen und der amerikanischen Rüstungsindustrie ohne Note auf die Seite letzterer schlägt.

Hauptsache, es geht gegen einen ausländischen Konzern und man fühlt sich als David im Volkssport gegen Goliath. Nach dem Strafrecht kann man nun auch das Steuerrecht bemühen, um den ausländischen Konzernen zu zeigen, wer wir sind. Diskriminierung hin oder her, wenn es ums Geld geht, darf man die eigene Wirtschaft schon bevorzugen. Dazu dient ja auch die Erfindung der Zölle und ein bisschen Merkantilismus wird ja wohl erlaubt sein.

Dennoch: Dass wir eine kleine offene Volkswirtschaft sind, die auf den Freihandel und die faire Behandlung der eigenen Unternehmen überlebenswichtig angewiesen ist, sollte ins Kalkül gezogen werden.

Schließlich scheint auch die Berufung auf den Wert der Gerechtigkeit der Regierung einen Anstrich von edler Überlegenheit zu geben, wenn man jemandem sein Geld abknöpft. In Wirklichkeit macht der Rückgriff auf ein hehres Prinzip vielmehr verdächtig. Da Steuern – im Gegensatz zu Gebühren – definitionsgemäß mit keiner Gegenleistung verbunden sind und somit immer eine Art legalisierter Diebstahl sind, kann das Gerechtigkeitsargument gar nichts anderes sein als ein Schmäh, damit die Steuerpille besser schmeckt.

Im Übrigen kann dieses Argument jederzeit auch gegen die Österreicher verwendet werden, sodass Vorsicht geboten ist. Wer Steuern nicht deshalb einhebt, weil sie zur Finanzierung der Staatsaufgaben gebraucht werden, sondern dies einfach so aus Gerechtigkeitsüberlegungen tut, kann sich damit weite Betätigungsfelder eröffnen. Als Steuerzahler sollte man daher vorsichtig sein, wenn eine solche Argumentation gewählt wird.

Neben den scheinbar hehren Motiven und den weniger hehren Instinkten sollten wir uns aber eher der Wirklichkeit und den möglichen Reaktionen zuwenden. Ausländische Großkonzerne leisten nämlich möglicherweise mehr aktiven Widerstand als die österreichischen Steuerzahler, wenn sie sich mit neuen Steuern konfrontiert sehen. Dass die Vorstände in den USA oder in China die entsprechenden Steuerformulare des Finanzamtes in der Marxergasse einfach ausfüllen und die vorgeschriebenen Beträge überweisen werden, scheint schwer vorstellbar. Auch auf die vertrauensvolle Amtshilfe der amerikanischen und chinesischen Finanzämter werden sich die österreichischen Behörden kaum verlassen können.

Sollte der Finanzminister einen weniger praxisfernen Weg wählen, wird er die neue Digitalsteuer als Quellensteuer konzipieren und die heimische Werbewirtschaft zur Einhebung und Abführung verpflichten. Was die ausländischen Konzerne tun werden, wenn die Einnahmen plötzlich abnehmen, kann man sich leicht ausdenken. Um die Margen zu halten, werden sie die Tarife erhöhen, sodass erst recht die österreichischen Unternehmen zum Handkuss kommen.

Doch auch dies wird nur eine Zwischenlösung darstellen: Auch diese Unternehmen werden die Steuer weiterreichen – an die Endkunden. Möglicherweise sind dann alle vordergründig zufrieden: Der Staat, weil er mehr einnimmt. Die Konzerne, weil sie einen Beitrag zur Gerechtigkeit leisten. Und die Österreicher, weil sie es denen da oben gezeigt haben.

Sollte den Konzernen der österreichische Alleingang allerdings auf die Nerven gehen – es könnten ja auch die anderen europäischen Staaten dem Beispiel folgen und ähnliche Steuern vorschreiben, was die Sache teuer machen würde – werden aller Voraussicht Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Auf diesem Gebiet haben die Amerikaner mehr Erfahrung als wir Österreicher. Selbst der nunmehrige Präsident Trump hat in Sachen Wirtschaftskrieg schon einiges geleistet. Dass er die Gerechtigkeitsüberlegungen der österreichischen Bundesregierung teilen könnte, ist nicht sehr wahrscheinlich. Für ihn gilt bekanntlich: America first.

Die Palette der amerikanischen Möglichkeiten ist breit gefächert. Zunächst würde sich ein mehr oder weniger freundliches, jedenfalls aber bestimmtes Gespräch zwischen irgendeinem Unterstaatssekretär für Außenhandelsfragen und dem österreichischen Finanz- oder Wirtschaftsministerin anbieten, in dem die Auslandsabhängigkeit der österreichischen Unternehmen auf dem Weltmarkt kurz rekapituliert wird. Beim scheinbar zufälligen Fallenlassen einiger Schlüsselworte wie Softwarelizenzen, Einfuhrzölle und Sanktionen werden die österreichischen Ohren zu wackeln beginnen. Sollte das nicht helfen, wird auf das Engagement der Voestalpine in Texas verwiesen und allenfalls Generaldirektor Eder um seine vermittelnden Dienste ersucht werden. Höflich, versteht sich.

Nach allen Erfahrungen, die Österreich im Zusammenhang mit der Hypo-Alpe-Adria auf den internationalen Finanzmärkten gemacht hat, ist es ziemlich verwegen, sich mit einer Macht anzulegen, die wie keine zweite aggressive Handelskriege führt.

Zu glauben, dass österreichisches Steuergeld auf amerikanischen und chinesischen Straßen herumliegt, könnte sich als naive Illusion herausstellen. Das mag dem Boulevard gefallen und den boulevardtauglichen Intentionen der Regierung entsprechen, kann aber allzu leicht nach hinten losgehen. Da sind wir einfach zu klein und zu unerfahren. Wenn man so etwas macht, wäre ein Vorgehen im europäischen Verbund ziemlich ratsam.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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