Bedeutung und Funktion des Geldes für die Wirtschaft ist von einigen Autoren mit dem des Blutes für den menschlichen Organismus verglichen worden. Kein übler Gedanke. Wie das Blut die Muskeln und Organe des Körpers mit lebenswichtigem Sauerstoff versorgt, so liefert das Geld der Wirtschaft jene Transaktionsmöglichkeiten, die eine arbeitsteilige Wirtschaft überhaupt erst praktikabel machen. Dass viele (meist linke) Utopisten über das "Diktat des Mammons" jammern und von einem geldfreien Zusammenleben träumen, ändert nichts an der Bedeutung des Geldes für eine funktionierende Gesellschaft. Ohne ein allseits akzeptiertes und wertbeständiges "intermediäres Tauschmittel" ist eine moderne Ökonomie schlicht unvorstellbar.
An dieser Stelle wurde zuletzt der rasante Wertverlust des Euro gegenüber Gold und die verheerende Wirkung der Geldinflation auf die Ersparnisse der Bürger thematisiert. Doch die durch eine inflationistische Geldpolitik ausgelöste Kaufkrafterosion des Euro ist noch nicht einmal deren übelster Aspekt. Weit schlimmer ist, dass die Kollektivwährung dem von den zentralistisch gestimmten Politeliten Eurolands enthusiastisch propagierten Ziel der Union offensichtlich zuwiderläuft – nämlich dem, ein "Friedensprojekt" zu sein.
Darüber, dass auch schon vor der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht Franzosen und Deutsche nicht vorhatten, zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts aufeinander zu schießen, besteht Einigkeit. Allein die traurige demographische Entwicklung in Europa macht einen Krieg zwischen den europäischen Völkern sehr unwahrscheinlich – einfach, weil dafür die jungen Männer fehlen. Intensive wirtschaftliche Bindungen – und genau die stellten den Kern der mit den "Römischen Verträgen" im Jahr 1957 gegründeten EWG dar –, sind der Friedensgarant schlechthin. "Wenn nicht Waren die Staatsgrenzen überschreiten, werden es Armeen tun" (Frédéric Bastiat). Freihandel unter Kriegsbedingungen ist unmöglich. Indes sind weder eine politische Union noch eine gemeinsame Währung zur Friedenssicherung notwendig.
20 Jahre nach seiner Einführung manifestieren sich die Geburtsfehler des beispiellos ambitiösen Elitenprojekts Euro in immer schärferen wirtschaftlichen und damit am Ende auch politischen Gegensätzen zwischen den Mitgliedern der Union.
Denn einerseits werden die schwächeren Volkswirtschaften der EU unter dem Joch der Gemeinschaftswährung um die Möglichkeit einer flexiblen Geldpolitik gebracht, was ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit immer weiter reduziert und unter den Bedingungen des real existierenden Wohlfahrtsstaates die Staatsschulden immer weiter nach oben treibt. Der einzig mögliche Weg zur wirtschaftlichen Gesundung Italiens, Griechenlands & Co. wäre eine "innere Abwertung" – also massive Lohn- und Preissenkungen, die nicht nur politisch absolut unverkäuflich sind, sondern auch einen deflationären Schock bedeuten würden.
Andererseits bringt es das 2007 etablierte, interne Verrechnungssystem "Target-2" mit sich, dass die exportstarken Nationen – allen voran Deutschland – ihre Ausfuhren letztlich selbst bezahlen, weil die gegenüber den Schuldnerländern auflaufenden Salden faktisch uneinbringliche (und nicht verzinste) Forderungen darstellen.
Fazit: Die Staaten des "Club Med" fühlen sich von den wirtschaftlich überlegenen Deutschen an die Wand gedrückt und gedemütigt; der geduldige deutsche Michel wiederum erkennt nach und nach, dass er das dolce far nientedes Südens dauerhaft finanzieren und im Zuge der dräuenden Schuldenvergemeinschaftung auch noch für die Risiken der griechischen, spanischen und italienischen Banken geradestehen soll. Auf diese Weise werden Ressentiments und Hassgefühle zwischen den Nationen befeuert, die heute stärker ausgeprägt sind als zur Zeit der Gründung der EWG. Ein "Friedensprojekt" sieht anders aus.
Professor Otmar Issing, geldpolitisch erfahrender Ökonom und als solcher ehemals Chefvolkswirt der EZB, spricht mittlerweile folgerichtig davon, dass "…das Kartenhaus [gemeint ist der Euro, Anm.] eines Tages kollabieren wird."
Da eine funktionierende Gemeinschaftswährung einen unter den gegenwärtig in Europa herrschenden politischen Verhältnissen unrealisierbaren europäischen Bundesstaat voraussetzt (der die nationalen Parlamente endgültig ihrer Finanzhoheit berauben und damit ihres "Königsrechts" der autonomen Budgetgestaltung entkleiden würde), könnten die Tage des Euro bereits gezählt sein.
Die Kritiker des Brüsseler Zentralismus wird das eher freuen als erschrecken: Lieber keine gemeinsame Esperantowährung, als (nahezu) ganz Europa unter die Fuchtel eines totalitäres Bürokratenregimes zu bringen.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.