Die Justizabhängigkeit der Politik

Viele Juristen wollen an der der Politik nicht anstreifen, weil man sich dort die Hände schmutzig machen könnte. Juristerei sei von Sachlichkeit geprägt, Politik von Unsachlichkeit. Eine solche Einstellung mag über weite Strecken stimmen – sie kann aber auch betriebsblind machen. Sie kann dazu führen, dass sich untadelige Juristen für Manöver mit fragwürdigen Konsequenzen instrumentalisieren lassen.

Versetzen wir uns beispielsweise in die Lage eines kanadischen Staatsanwaltes, der aufgrund eines US-amerikanischen Haftbefehls die Finanzchefin eines der größten chinesischen Konzerne in U-Haft nehmen lässt. Für sich allein genommen mag die Maßnahme unbedenklich erscheinen. Die Retorsion ließ allerdings nicht lange auf sich warten: Binnen Tagen verschwanden im Reich der Mitte ein paar Kanadier hinter schwedischen Gardinen und keiner weiß genau warum und für welchen Zeitraum. Für den Fall, dass der Staatsanwalt überhaupt einen Zusammenhang herzustellen bereit ist, wird er das chinesische Revancheverhalten bestenfalls als Kollateralschaden abtun. Fiat iustitia pereat mundus – eine ziemlich gängige Einstellung, scheint es.

Das internationale Wirtschaftstreiben ist zunehmend durch staatliche Sanktionsmechanismen gekennzeichnet. In einem solchen Treibhausklima werden Staatsanwaltschaften und Gerichte gerne als Instrumente zur eigennützigen Zielerreichung eingesetzt. Kaltblütige Machtdurchsetzung lässt sich ja auch medial nicht so gut verkaufen wie die Herstellung von Gerechtigkeit. Daher wird die Interessendurchsetzung als Rechtsdurchsetzung getarnt.

Jüngst mussten wir auch in Österreich zwei Beispiele wahrnehmen, bei denen ein Mehr an politischer Führung gutgetan hätte:

Zwar sollen nach den Vorkommnissen beim BVT "befreundete Dienste" in letzter Zeit mit Informationen eher zurückhaltend sein, doch machten sie diesbezüglich eine Ausnahme. Sie ließen einen österreichischen Oberst auffliegen, der seit mehr als zwei Jahrzehnten für die russische Föderation spioniert haben soll. Bei Insidern löste ein solcher Verdacht wegen des aktuellen Zustands der Landesverteidigung eher ein mitleidiges Lächeln aus. Die Politik allerdings reagierte mit einer blitzartig einberufenen Pressekonferenz und löste so Spekulationen aus, welchen internationalen Druckverhältnissen die Republik denn hier ausgesetzt wäre.

Der Verdacht liegt jedenfalls auf der Hand, dass irgendwelchen Freunden die Normalisierungsbestrebungen gegenüber Russland im Allgemeinen und die Kneissl-Hochzeit im Besonderen nicht ins Konzept passten. Ein Mehr an öffentlicher Gelassenheit hätte angesichts der Instrumentalisierung unserer Justiz als Korrektiv für die Außenpolitik nicht geschadet. Das Aufmucken des Salzburger Erstgerichts, das die Untersuchungshaft zunächst ablehnte, ist jedenfalls auf der Habenseite der österreichischen Justizgeschichte zu verbuchen.

Ein anderes Beispiel bietet die aufgeschobene Entscheidung in Sachen Modernisierung der Luftraumverteidigung. Zunächst initiiert ein mittlerweile nicht mehr amtierender Verteidigungsminister eine juristisch fragwürdige Strafanzeige, mit der sich die Republik in die Auseinandersetzung zwischen europäischer und amerikanischer Rüstungsindustrie ziehen lässt. Die hinter vorgehaltener Hand lautstark geäußerte Erwartung des damaligen Verteidigungsministers, dass sich der europäische Konzern sehr bald auf eine Vergleichslösung einlassen würde, hat sich nicht erfüllt.

 So macht die Justiz, was sie in komplexen Fällen immer tut: Sie beginnt jahrelange Ermittlungen und spielt auf Zeit. Blöderweise bedenkt dabei kein Mensch, dass die Schadenersatzforderungen der Eurofightergesellschaft gegen die Republik steigen und steigen und steigen könnten. Zur Erinnerung: Auch in Sachen Hypo Alpe Adria versuchten die Schlaumeier der Republik die Gläubiger zu schnalzen, was in einem ziemlichen Desaster endete. Wer einen Krieg beginnt, sollte sich über die Stärke seiner Truppen keine Illusionen machen.

Wenn die Regierung nun die Ergebnisse des Eurofighter-Untersuchungsausschusses einerseits und die strafrechtlichen Ermittlungen andererseits abwarten möchte, bevor sie sich der eigenen Sicherheitspolitik im Luftraum zuwendet, schneidet sie sich ins eigene Fleisch. Bedeutende Beschaffungsvorgänge in der Verteidigungspolitik von der Arbeit der österreichischen Justiz abhängig zu machen, grenzt derzeit an die Selbstaufgabe des Staates. Bald könnte die Souveränität wieder zwei Meter über dem Boden enden.

Wenn sich das Vakuum in der österreichischen Justiz paralysierend auf Außen- und Verteidigungspolitik auszuwirken beginnt, ist es hoch an der Zeit, etwas zu ändern.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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