"Mögest du in interessanten Zeiten leben"lautet eine in China gängige Verwünschung. "Interessante Zeiten" stehen in diesem Fall für Krisen, Umstürze, negative Veränderungen und Kriege. Letztere sind in Euroland im kommenden Jahr zwar (noch) nicht unbedingt zu erwarten, aber bürgerkriegsähnliche Zustände können – siehe Frankreich – in verschiedenen Provinzen des Euroimperiums durchaus schon einmal herrschen.
Doch nicht nur die politische Unsicherheit wächst. Auch Anzeichen für eine aufziehende Wirtschaftskrise mehren sich – zumindest in Europa. Der Wirtschaftsmotor Deutschlands, der stärksten Volkswirtschaft der Union und deren Zahlmeister, beginnt deutlich hörbar zu stottern. Die Prognosedaten verfinstern sich.
Wie bei der "Flüchtlingskrise" sind die Ursachen dafür hausgemacht. Es sind weder Außerirdische noch überseeische Konkurrenten, die eine industriefeindliche Energiewende erzwingen, die in Form horrender Energiekosten ihren Tribut fordert. Es war und ist vielmehr die autodestruktive Politik, die von einer außer Kontrolle geratenen Matrone an der Spitze der deutschen Regierung getrieben wird. Und es ist das interne Kesseltreiben gegen das Rückgrat der deutschen Industrie – die Fahrzeughersteller –, das dem Exportweltmeister zunehmend zusetzt (die Gründe zu erörtern, warum so viele Deutsche dem Nationalmasochismus huldigen, ist an dieser Stelle kein Platz).
Eines ist gewiss: Wer sich allein an Manipulationsvorwürfen im Zusammenhang mit dem angeblichen "Dieselskandal" abarbeitet, greift damit um vieles zu kurz. Wenn im Elfenbeinturm lebende, im Hinblick auf ihr physikalisch-technisches Verständnis unterernährte Bürokraten unerreichbare Emissionsforderungen aufstellen, braucht man sich über die daraufhin entstehende Kreativität auf Seiten der Produzenten nicht zu wundern. Keine andere Nation auf diesem Erdball käme auf die aberwitzige Idee, ihren wichtigsten Wirtschaftszweig, in dem sie nach wie vor weltweit technische Maßstäbe setzt, zu Tode zu regulieren. Das gelingt – übrigens zum Schaden ganz Europas – allein den Deutschen.
Wenn auch noch ökofaschistische Narren den sparsamsten und wirtschaftlichsten jemals erzeugten Fahrzeugantrieb geradezu hysterisch verteufeln und mit irrwitzigen Fahrverboten eine faktische (Teil-)Enteignung von Bürgern und Unternehmen ins Werk setzen, dann handelt es sich um genau jenen Stoff, aus dem veritable Wirtschaftskrisen gemacht werden. Der Dieselmotor wurde nicht nur in Deutschland erfunden, sondern wird dort auch in andernorts unerreichter Qualität produziert und glänzt mit insgesamt niedrigeren Emissionswerten als jede andere verfügbare Technik. Es ist ein unbegreiflicher Irrsinn, wenn deutsche Linke alles daransetzen, die eigene Industrie zu ruinieren.
Zudem darf die Wirkung der europaweit zelebrierten Schuldenorgien nicht unterschätzt werden! An historischen Beispielen für die negativen Langzeitfolgen schuldengetriebener Scheinkonjunkturen mangelt es nicht. So wurde etwa auch vor der 1929 beginnenden "Großen Depression" ausgiebig Party gemacht. Der ab 1990 in eine Rezession gefallenen Volkswirtschaft Japans ging ebenfalls eine exzessiv auf Kreditfinanzierung setzende Geldpolitik voran. Am Ende schuldenfinanzierter Boomphasen steht allerdings stets in 100/100 Fällen die Ent-Täuschung, das Sichtbarwerden der vorangegangenen Verzerrungen und deren unbarmherzige Korrektur. Daran werden auch arrogante Geldalchemisten von Schlage Herrn Draghis nichts ändern.
Das gilt auch für die Wirtschaft des seit der Krise 2007/2008 weltweit zum wichtigsten Konjunkturtreiber gewordenen China, dessen wirtschaftlicher Höhenflug ebenfalls auf einer expansiven Geldpolitik beruht. Nicht nur in der Stahlindustrie wurden im Reich der Mitte unglaubliche Überkapazitäten aufgebaut, die einer Wertberichtigung harren – mit allen fatalen Konsequenzen für die involvierten Banken.
Die starke internationale wirtschaftliche Verflechtung bringt es aber mit sich, dass von allfälligen Turbulenzen in Rotchina auch der Rest der Welt betroffen ist. Was aus europäischer Sicht einst für die USA galt, gilt mittlerweile auch für diese Wirtschaftsmacht: Erkrankt sie an einer leichten Verkühlung, liegt Euroland mit einer schweren Lungenentzündung im Bett. Wie gesagt: Interessante Zeitenliegen vor uns!
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.