Mafia und Staat haben gemeinsam, dass sie ihren Opfern Geld abpressen. Die Unterschiede liegen in den Konsequenzen: Die Mafia verleiht durch Zerstörung der – finanziellen – Existenz bis hin zum Mord ihren Forderungen Nachdruck, während der Staat mittlerweile von körperlichen Strafen absieht. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist aber auch, dass der Staat seiner Aufgabe, seine Bürger zu schützen, nicht mehr nachkommt, weil auch hohe Steuern nicht mehr ausreichen, neben den vielen arrogierten Aufgaben auch ein entsprechendes Militär- bzw. Polizeibudget zu dotieren. Im Gegensatz dazu liefert die Mafia. Wer Schutzgeld bezahlt hat, hat im Allgemeinen auch Ruhe. Zumindest solange keine rivalisierenden Mafiabanden um ein Gebiet kämpfen.
Interessant ist die Frage, warum der Staat nicht mehr liefert. Warum weder die innere noch die äußere Sicherheit gewährleistet ist und die Rechtssicherheit nur noch teilweise, wo uns doch das große Friedensprojekt Europäische Union mit Wohltaten überhäuft. Diese ist aber gar kein Staat.
Betrachten wir die Sache aus der Sicht eines Nationalstaates, konkret Österreichs. Laut Agenda Austria ist die Belastung eines Durchschnittsverdieners ca 50 Prozent, das heißt, er arbeitet die ersten beiden Wochen jeden Monats für den Staat. Der Staat besteht aus Staatsbürgern, -regierung und -gebiet. Er hat das Gewaltmonopol, übt es aber dann nicht, beziehungsweise nur unzureichend aus, wenn sich im Staatsgebiet nicht nur Staatsbürger, sondern auch andere Menschen mit unbekannter Identität aufhalten.
Nachdem zwischen dem Heimatland, das irgendein Mensch verlässt und der österreichischen Grenze je nach Route oft keine oder nur eine umgehbar kontrollierte Grenze liegt, muss das dazwischen liegende Gebiet als Niemandsland betrachtet werden. Somit ist der zwingende Schluss, dass die österreichische Regierung die Verpflichtung hat, das österreichische Staatsgebiet mit durchlässigen, aber kontrollierten Grenzen zu versehen. Erst durch das Fehlen derselben kommt es zum Vermischen von Militär- und Polizeiaufgaben.
Die Polizei hat vorrangig die Aufgabe, Recht und Gesetz durch Prävention und Verfolgung von Straftaten durchzusetzen. Dabei sollte so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig Gewalt zur Anwendung kommen. Dort, wo zufolge diverser schwerer Versäumnisse bereits teilweise militante Parallelgesellschaften entstanden sind, müssen die für die Durchsetzung des Rechtsstaates verantwortlichen Polizeieinheiten auch mit militärischer Gewalt und Bewaffnung ausgestattet werden. Keineswegs kann ein Rechtsstaat Inseln der Gesetzlosigkeit oder Gebiete auf seinem Territorium dulden, in denen die Verfassung und die bestehenden Gesetze außer Kraft sind.
Daraus aber ist zu folgern, dass diese Gewaltanwendung der militärischen Vorgabe zu folgen hat. Carl von Clausewitz schreibt in seinem Werk "Vom Kriege": "… der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen". Hier vermischen sich Polizei- und Militäraufgaben und es ist Aufgabe der Gesetzgebung und der Gerichte, klare Regeln zu schaffen und durchzusetzen, nach denen die Bevölkerung, insbesondere aber auch die handelnden Personen (Polizei und Militär) geschützt werden.
Freiheit und Sicherheit sind Gegensätze. Wo ist die Mitte? Jeder Mensch muss diesen schmalen Grat für sich selbst definieren. Ein gut trainierter Ringer oder Boxer wird zu mehr, eine altersschwache Person zu weniger Freiheit neigen, umgekehrt zu weniger bzw. mehr Sicherheit. In einer funktionierenden Demokratie ergibt sich aus vielen Meinungen, oft mit erheblicher Verzögerung ein politischer Wille. Wieweit diese Meinungen in unserer Postdemokratiemassiv beeinflusst werden und ob Postdemokratie überhaupt noch eine funktionierende Demokratie ist, wäre Thema für einen weiteren Aufsatz. Unterm Strich bleibt jedenfalls die Verpflichtung des Rechtsstaates, sich selbst zu schützen, um Gewalttaten gegen Leib und Leben, aber auch bestimmten Eigentumsdelikten vorzubeugen bzw. sie zu verfolgen. Für diese unmittelbaren Staatsaufgaben wurden in Österreich 2014 laut Agenda Austria 3,7 Prozent der gesamten Ausgaben aufgewendet. Selbst wenn man den gesamten Verwaltungsaufwand, der 13,1Prozent beträgt, in Ansatz bringt, dann ergibt das 16,8 Prozent der für die primären Staatsaufgaben erforderlichen Kosten samt dem erforderlichen Verwaltungsaufwand wie Einhebung der Steuern. Es verbleiben demnach 83,2 Prozent für die mittelbaren Staatsaufgaben.
Mittelbare Staatsaufgaben
Diese müssen nicht notwendigerweise vom Staat selbst wahrgenommen werden. Dabei ist vor allem infrage zu stellen, wieweit die aus dem Staatshaushalt bezahlte Bürokratie fähig ist, diese mehrheitlich wirtschaftlichen Aufgaben zu bewältigen. Die Erfahrung zeigt, dass die sich über die letzten Jahrhunderte ziehenden Experimente gescheitert sind. Dabei bietet uns die Wiener Schule der Nationalökonomie eine Lösung: Reduktion des Staates auf die Ordnungsgesetzgebung.
Als Beispiel diene der Budgetposten Arbeit, Soziales und Familie, der 2017 stolze 51,2 Prozent der Staatsausgaben ausgemacht hat. Nach dem Zusammenbruch einer vor dem ersten Weltkrieg gerade beginnenden kapitalgestützten Altersversorgung durch den Verlust sämtlicher Ersparnisse 1918 und den Untergang der Infrastruktur und Industrie Mitteleuropas durch den zweiten Weltkrieg war es ein Gebot der Menschlichkeit, Kriegsveteranen sowie alters- und krankheitsbedingt Erwerbsunfähige durch ein Umlagesystem zu versorgen. Die Rückkehr zu einer kapitalgestützten Altersversorgung aber wurde verabsäumt.
Von den oben genannten 51,2 Prozent, die in der Analyse von 2015 noch 41,2 Prozent waren, machen nach Abzug der 25,7 Prozent für die Pensionen der Posten Arbeit rund 11 Prozent und der Posten Familien und Jugend 8,9 Prozent aus. Der Rest verteilt sich auf die etwas schwammigen Positionen Soziales, Konsumentenschutz, Gesundheit und Frauen. Bei etlichen dieser Positionen wird durch Politiker und Bürokraten selbstherrlich Steuergeld an kleine, aber laute Minderheiten umverteilt.
Bürokratien sind nicht deshalb fehlerhaft, weil sie nicht gewählt sind oder weil es an qualifiziertem Personal mangelt. Das Problem liegt in den Institutionen selbst. Sie zerstören das Gewinnstreben und verfügen über kein sinnvolles System, in dem eine ordnungsgemäße Wirtschaftsrechnung möglich ist. Alle echten Reformen sollten mit Plänen beginnen und enden, die darauf abzielen, das staatliche Engagement in allen Wirtschaftssektoren zu reduzieren und letztendlich zu beseitigen.
Was ist aber wirklich mit jenen, die
- aus Mangel an erwerbswirksamen Fähigkeiten dauernd oder
- wegen eines besonderen Not- oder Unglücksfalles temporär
in Not sind? Hier gilt es Grenzen zu definieren, und da gibt uns der ehemalige Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland eine gute Richtlinie: "Die Entwicklung zum Versorgungsstaat ist schon dann eingeleitet, wenn der staatliche Zwang über den Kreis der Schutzbedürftigen hinausgreift" (Ludwig Erhard "Wohlstand für alle" S 251).
Die Politik zieht mit dem Argument, Nutzen für alle zu stiften, wobei es sich allerdings meistens nur um Vorteile für eine kleine, aber laute Minderheit handelt, immer mehr Auf- und Ausgaben an sich und so wird den Steuerpflichtigen die Verfügungsgewalt über sein Einkommen entzogen. Zuerst gilt es also, ohne Schuldenaufnahme die finanzielle Möglichkeit zu schaffen, den Hilfsbedürftigen durch Hilfe zur Selbsthilfe beizustehen. Davon ist die Politik schon lange meilenweit entfernt.
Beispiele von schlechtem Wirtschaften gibt es mehr als genug. Hier ein Versuch, aus dem Status quo heraus eine Zielvorstellung zu formulieren. Am Beginn derselben steht die grundsätzliche Überlegung, dass es für die mittelbaren Staatsaufgaben bessere Lösungen geben muss. Das mit Marx und Engels begonnene gesellschaftspolitische Mega-Experiment kann getrost als gescheitert betrachtet werden.
Die über mehr als ein Jahrhundert systematisch erfolgte Erosion der Eigenverantwortung hat zu demokratischen Staatsgebilden geführt, die ein Merkmal gemeinsam haben. Dieses ist je nach Demokratieform stärker oder schwächer als der Teufelskreis zu erkennen, der gut in Colin Crouchs Buch "Postdemokratie" beschrieben ist. Vermutlich braucht es einer hereinbrechenden Katastrophe, dass wie einst Winston Churchill ein Politiker mit dem Versprechen von "Blood, sweat and tears" eine Wahl gewinnen kann, oder aber nach der Katastrophe einen Leopold Figl mit der Aussage "Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben … nur bitten, glaubt an dieses Österreich".
Seither hat sich dieses Österreich zu einem Versorgungsstaat gewandelt, statt zu einem schlanken, effizienten Staat mit einer glänzenden Zukunftsperspektive nach dem Muster der Österreichischen Schule der Nationalökonomie.
Tscho djelat
Das soll Lenin gesagt haben: Was tun? In Wien gibt es ein Sprichwort: "Wer zahlt, schafft an". Betrachten wir einmal die Bereiche, die der Staat an sich gerissen hat, unter dem Aspekt, dass der Steuerzahler nicht nur politisch bei Wahlen Einfluss nehmen kann, sondern selbst statt der Oppositionsparteien die Kontrolle ausübt sowie auf die Steuerpolitik direkten Einfluss nimmt.
Bezüglich der Altersversorgung wäre es durchaus möglich, einen bestimmten Prozentsatz des Einkommens per Gesetz vorzuschreiben, der in die eigene Altersversorgung zu fließen hat. Entsprechende Ansätze sind nicht neu. Das könnte eine Erlebensversicherung sein, aber auch die Investition in vermietbaren Wohnraum, Beteiligung an Unternehmen usw., auch in jeder denkbaren Kombination. Wohl liegt einem jungen Menschen das Alter so fern, dass er alles Mögliche im Kopf hat, aber nicht die eigene Altersversorgung, daher ist Kontrolle notwendig; aber auch das ist in einem Rechtsstaat nicht unbedingt eine Staatsaufgabe, er hat lediglich für entsprechende Rechtsvorschriften zu sorgen. Die Marktwirtschaft stellt dann ein reichhaltiges Angebot bei, das den Bedarf in freiem Wettbewerb deckt. Der Beweis der Einzahlung erfolgt in Form der Einkommensteuererklärung etwa nach dem Muster der schon jetzt bekannten Absetzbarkeit bestimmter Ausgaben, aber viel prägnanter. Das gleiche Prinzip könnte für zwei existenzsichernde Versicherungen zur Anwendung kommen, die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung.
Eine weitere wichtige mittelbare Staatsaufgabe ist die Bereitstellung einer funktionierenden Infrastruktur für das Transportwesen, also Häfen, Flughäfen, Schienen- und Straßennetz, aber auch für die Kommunikation. Gerade letztere gewinnt rasant an Bedeutung. Die Frage erhebt sich, ob es unbedingt erforderlich ist, dass die jeweiligen Unternehmen im Staatsbesitz sein müssen oder ob private Investitionen den gleichen Zweck erfüllen können.
Bildung ist die Zukunft für jede Gesellschaft, sie kann aber durchaus privat erfolgen. Immer wieder begegnet man dem Argument, ein Schulsystem, ausschließlich auf privaten Schulen basierend, ließe die Kinder minderbemittelter Eltern zurück und das stimmt bedingt. Auf die Kontrolle kommt es an. Diese erfolgt durch die Unternehmen, die Schulabgänger einstellen, sowie durch Aufnahmeprüfungen der weiterführenden Schulen und der Universitäten, in denen auch die Grundlagenforschung anzusiedeln ist.
Man stelle sich vor, jeder Steuerpflichtige hat folgende Steuern zu entrichten: Eine unbedingte Steuer zur Finanzierung der primären Staatsaufgaben, also die Gewährleistung der inneren, der äußeren und der Rechtssicherheit. Diese würde nach dem Modell der Agenda Austria ca. 17 Prozent des Einkommens ausmachen. Die zusätzliche Steuer – bitte nicht verwechseln mit Steuerermäßigung – für die persönlichen Belange wird mit mindestens 6 Prozent per Ordnungsgesetzgebung vorgeschrieben, wahlweise
Altersvorsorge: 2-4 Prozent
Krankenversicherung: 1-5 Prozent
Arbeitslosenversicherung: 1-2 Prozent
Jeder hat andere Präferenzen, und so wird der eine mehr Wert auf die Absicherung der Gesundheit, ein anderer auf die der Altersvorsorge legen. Über 7,5 Prozent hinausgehende Leistungen können wohl erbracht werden, sie werden aber nicht auf die Steuer angerechnet.
Des Weiteren schlagen vor jeder Wahl wahlwerbende Parteien – besser noch Kandidaten - eine erweiterte Zusatzsteuer in bestimmter Höhe (beispielsweise 16 Prozent) für Maßnahmen, die die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle sind, vor. Bei der Wahl bestimmt jeder Wähler, wie seine Steuern angewendet werden müssen, beispielsweise
Infrastruktur: 5-10 Prozent
Bildung: 8 - 12 Prozent
Nothilfe: 1-5 Prozent
Die Nothilfe ist sicher am wirksamsten im kleinsten Kreis, sodass direkte Zahlungen an entsprechende Organisationen wahrscheinlich die beste Wirkung hätten.
Nicht zugeordnet bezahlte Steuer wird durch die Regierung beliebig einem Bereich zugewiesen. Für Zusatzsteuern wäre der Staat nur insofern zuständig, als er den Ordnungsrahmen durch Gesetze und ein sehr hohes Maß an Rechtssicherheit und Ausgabentransparenz gewährleistet. Selbstverständlich erhöht sich durch die Zweckbindung der Leistungsdruck auf die gewählte Regierung und das ist auch gut so. Solange keine Zweckbindung von Steuern besteht, sind derartige Überlegungen einfach müßig.
Wie meistens dürfte hier der Teufel im Detail stecken, also sind die hier beschriebenen Modelle nur ein Skelett. Aber einen Versuch, den Steuerzahlern etwas mehr Einfluss einzuräumen, kann man wagen. Geht man davon aus, dass jeder so viel wie möglich in seine persönliche Absicherung, also Altersvorsorge, Kranken- und Arbeitslosenversicherung investiert, dann macht das maximal 7,5 Prozent seines Einkommens aus, aber nachdem sich das nicht jeder leisten kann, wird der Durchschnitt irgendwo zwischen 6 und 7,5 Prozent liegen. Weiters besteht die Verpflichtung, die erweiterte Zusatzsteuer mit mindestens 16 Prozent zu bedienen, somit ergeben sich jetzt
Unbedingt: 17 Prozent
Eigenvorsorge: 6 Prozent (Minimum)
Mittelbare Staatsaufgaben: 16 Prozent
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Summe: 38 Prozent
Heute beträgt die Staatsquote etwa 50 Prozent. Somit ist der Spielraum, der zur Aufarbeitung der Sünden der Vergangenheit genützt werden kann 10,5 bis 12 Prozent. Prinzipiell handelt es sich also um nichts anderes, als die Wiedereinführung der Zweckbindung, die von so mancher Regierung einfach mit einem Federstrich aufgehoben worden ist. Eine derartige Vorgangsweise brächte übrigens einen Vorstand oder Geschäftsführer sofort wegen Untreue vor das Gericht.
Der Einwand, mit diesem Modell ergäbe sich eine Schieflage, die manche vom Staat zu überwachenden Maßnahme bevorzugt, andere eventuell bis zur Undurchführbarkeit aushungert, ist natürlich ernst zu nehmen. Andererseits sollte es, nein muss es bei der Vielfalt der Steuerzahler mit unterschiedlichen Interessen einen Ausgleich geben.
Realisierbar ist das nicht in einigen Wahlperioden, es ist eher als Gedankenansatz für eine weitere Entwicklung der Demokratie auf ihrem Weg von den antiken Stadtstaaten zu einer sich asymptotisch dem Idealzustand nähernden Form des Zusammenlebens zu sehen.
Ludwig Plessner:im Sudetenland geboren, Militärakademie, Austauschpilot USAF, dann verschiedene Funktionen im JaboGeschwader, Angestellter bei ITT, GTE Sylvania, zuletzt Geschäftsführer Sylvania Österreich. Bis zum Unternehmenszusammenbruch Pilot und Marketingchef bei Vienair-Polsterer Jets.