Italien: Sargnagel des Eurosystems - und /oder "erfolgreich" durch Erpressung?

Kundige Analysten wie Hans-Werner Sinn, ehemaliger Chef des Münchner ifo-Instituts und Euro-Kritiker, oder der an der Donau-Universität Krems unterrichtende Ökonom Gottfried Haber warnen seit geraumer Zeit vor den Gefahren, die dem Eurosystem durch die Verschuldung Italiens drohen. Das schöne Land trägt mittlerweile eine Schuldenlast von 133 Prozent des BIP. Das ist eine Summe, die aller Voraussicht nach nicht ohne Enteignung der Gläubiger abzutragen sein wird. Es knirscht im Gebälk.

Hat der Schuldenexzess im vergleichsweise unbedeutenden Griechenland die Eurozone schon an die Grenze der Belastbarkeit befördert, wird eine "Rettung" des im Hinblick auf seine Wirtschaftsleistung rund siebeinhalbmal größeren Italiens selbst die von ihrer Genialität überzeugten Geldalchemisten der EZB vor unlösbare Probleme stellen. Die EZB-Granden haben ihr Pulver nämlich längst verschossen – ganz anders als ihre wesentlich smarteren Kollegen von der US-FED. Diese haben sehr zum Verdruss von Präsident Trump, der eine orthodox-keynesianische Schuldenpolitik betreibt, schon vor zwei Jahren damit begonnen die Zinsen anzuheben, um sich dadurch Spielraum für den nächsten Wirtschaftseinbruch zu schaffen. Dass die EZB, dank jahrelang gepflogener Konkursverschleppungspolitik heute faktisch "nackt" dasteht, erweist sich angesichts der momentanen Lage alles andere als günstig.

Denn gegenwärtig brennt der Hut, da die linken Populisten von der "Cinque Stelle"-Bewegung in der italienischen Regierung keineswegs gewillt sind, auf ihr kostspieliges Wählerbestechungsprogramm zu verzichten, das aus Steuersenkungen, Lebensarbeitszeitverkürzungen und Geschenken für Arbeitsunwillige (der Einführung eines gegenleistungsfreien "Bürgergeldes"), bestehen soll. Das eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent des BIP vorsehende Budget wurde von EU-Wirtschaftskommissar Moscovici, obgleich selbst ein in der Wolle gefärbter Linker, rundweg abgelehnt. Er spricht von einem "Präzedenzfall" und zeigt sich im Hinblick auf die möglichen Folgen eines Nachgebens nicht geneigt einzulenken. Andererseits wollen die Linkspopulisten in Italien vor ihren Wählern nicht das Gesicht verlieren. Die Fronten scheinen beiderseits verhärtet.

Es geht um viel. Zu Ende gedacht um nicht weniger als um den Erhalt der europäischen Esperantowährung. Das wissen die Machthaber in Italien natürlich ganz genau und sie pokern entsprechend hoch. Erinnern wir uns: "Whatever it takes", hatte EZB-Chef Mario Draghi in der 2012er- Eurokrise angekündigt unternehmen zu wollen, um den Euro zu erhalten. Das hat er auch getan. Und es hat bisher geklappt, so hoch der Preis (insbesondere für die Sparer) auch war. Kehrseite der Medaille: Draghis Worte klingen seinen fidelen Landsleuten heute noch im Ohr, was sie ganz offensichtlich dazu veranlasst, stur an ihren ruinösen Budgetplänen festzuhalten. Zahlen werden – dank "whatever it takes"-Erhalt des Euro schließlich eh alle anderen.

Die Herren Draghi & Genossen wissen, dass nicht wenige italienische Euroskeptiker lieber heute als morgen zur Lira zurückkehren würden, um aus dem für das Land wirtschaftlich verheerenden Währungskorsett herauszukommen. Nach der von der EU-Nomenklatura unerwarteten Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, wäre ein Austritt Italiens aus der Eurozone mutmaßlich der Anfang vom Ende ihres Traums von einem aus Brüssel dirigierten europäischen Imperiums. Und das ist das Allerletzte, was die glühenden Zentralisten zwischen Madrid und Berlin und von Macron bis Draghi zuzulassen gewillt sind.

Die Spitzen der EU werden also – eifrig unterstützt von der EZB – dem mafiosen Erpressungsversuch der italienischen Regierung zweifellos nachgeben. Um das Gesicht zu wahren, wird man halt ein paar belanglose Bedingungen formulieren und der wirtschaftspolitisch sinnfreien Geldverbrennungsaktion der Italiener im Übrigen tatenlos zusehen. Bezahlen werden – wie das im Sozialismus so ist – nicht die Gesinnungstäter, Versager und Hallodris, sondern die arbeitssamen Leistungsträger.

Im Falle des zentralistisch-kollektivistischen Projekts der EU werden das primär die leider von allen guten Geistern verlassenen Deutschen sein – zumal deren schwer angeschlagene Regierung dem anmaßenden Auftreten der Schuldnerländer nichts entgegensetzen wird. Die ist ja gegenwärtig ausschließlich mit sich selbst beschäftigt – und auf den Erhalt von Posten und Pfründen konzentriert.

Fazit: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Optimisten sollten daran denken, Gold zu kaufen. Pessimisten werden eher in Konservendosen und Munition investieren.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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