Den Begriff des Placebos kennt man aus der Medizin: ein Arzneimittel, das keine gesundheitsfördernde, heilende Mittel enthält und deshalb höchstens durch die psychologische Selbsttäuschung wirkt. Dieses Phänomen ist auch des Öfteren in der Politik anzutreffen, insbesondere wenn es sich um emotional aufgeladene Themenkomplexe handelt. Die Verpackung zählt, nicht der Inhalt.
Die von der Regierung groß angekündigte, halbherzige "Moscheen-Schließung" im Juni 2018 – einen Tag, bevor man die Regierungsreise nach Israel antrat – und die Wiedereröffnung kaum zwei Wochen nach der medial inszenierten Schließung – sind nur ein Beispiel für eine derartige Placebo-Politik.
Nun möchte die Regierung eine Ausweitung des Verbots für die Verwendung von extremistischen Symbolen, nicht nur wie bis jetzt, aus dem Bereich des Nationalsozialismus, sondern auch von importierten reaktionären oder extremistischen Strömungen aus dem Ausland, welche seit Jahrzehnten das Vereinsrecht in Österreich missbrauchen.
So weit, so gut. Die Zuwanderung nach Österreich hat 1961 mit dem Raab-Olah-Abkommen begonnen. Fast 60 Jahre danach versucht zum ersten Mal eine Regierung, sich dieses großen blinden Fleckes anzunehmen. Ein erster positiver, wenn auch halbherziger Schritt in die richtige Richtung. Eine Mischung aus Blindheit, Naivität und Unwissen hat tiefe Abgründe entstehen lassen, wovon weder die überforderten Institutionen, wie Sicherheitsbehörden, Vereinsbehörde und schon gar nicht die Politik auch nur annähernd eine Ahnung haben, was sich hier im eigenen Land unter dem Missbrauch des Vereinsrechtes zusammengebraut hat.
In Österreich gibt es alleine über 400 sogenannte "Sport,- Kultur-, und Moscheevereine" von Personen und Gruppierungen, welche alleine aus der Türkei betrieben werden. Wenn man diesem Bemühen und den sportlichen sowie kulturellen Aktivitäten dieser Vereine die Ergebnisse nach 60 Jahren kultureller und sportlicher Aktivität entgegenstellt, dann müssten die aus der Türkei stammenden Mitbürger die sportlichsten und kulturell gebildetsten Mitbürger sein. Die Realität sieht leider anders aus.
Die Akzeptanz, das Image, das Bildungsniveau, der Grad der Integration der aus der Türkei stammenden Bürger ist im besten Fall mehr als ernüchternd, wenn nicht besorgniserregend. Es gibt in Österreich kaum eine andere Migrantengruppe, deren Image negativer ist, deren Integrationsbemühungen bei allen Umfragen die hintersten Plätze belegen, deren Bildungsniveau selbst in vierter Generation kaum von dem der ersten Gastarbeitergeneration zu unterscheiden ist, obwohl so viele "Sport,- Kultur,- und Moscheevereine" aktiv sind. Dabei handelt es sich dabei um jene Migrantengruppe, welche am längsten in Österreich lebt.
Was sind die Gründe dafür? Man wird unterschiedliche Antworten erhalten, je nachdem, wen man fragt.
Die Personen im Einflussbereich dieser reaktionären Vereine und Verbände sehen sich als Opfer von Diskriminierung und Rassismus. Dieser Opferstatus ist auch einer, welcher bewusst gepflegt wird. Man trachtet danach, die Anspannung zwischen der österreichischen Mehrheitsbevölkerung und diesen Gruppierungen aufrechtzuerhalten, obwohl man auf der Bühne der Öffentlichkeit dieses Faktum tunlichst zu verschleiern versucht.
Diese Mechanismen der Ausgrenzung sind Realität, keine Frage. Aber es hat auch seine Gründe, warum es diese gibt. Daran haben jene Türken und Kurden ihren gewichtigen Anteil, welche noch immer nicht im 21. Jahrhundert inmitten von Europa angekommen sind.
Wenn die Regierung nun glaubt, dass man reaktionäre Vereine und Verbände, welche selbst im Herkunftsland wegen verfassungsfeindlicher Umtriebe verboten worden sind, durch ein Verbot von Symbolen beikommen kann, dann fällt dies unter die Kategorie politisches Placebo und Inszenierung. Dieser Wildwuchs, welcher durch den Missbrauch des Vereinsrechtes zu einem Dauerzustand der österreichischen Gesellschaft geworden ist und deren Auswirkungen im Kindergarten, Klassenzimmer und im gesellschaftlichen Zusammenleben mittlerweile nicht mehr zu übersehen ist, bedarf einer tiefergehenden Herangehensweise.
Das Verbot von Symbolen, deren Verwendung und Darstellung sich schneller ändern als Gesetze, wird die Probleme mit diesen reaktionären Vereinen und Verbänden nicht lösen.
Wichtig wäre es, den Missbrauch des Vereinsrechtes konsequent abzudrehen, denn viele dieser Gruppierungen sind keine Vereine, sondern agieren als verlängerte politische Arme der Herkunftsländer.
Die Finanzquellen und Finanzströme gehören durch eine bessere Zusammenarbeit und Kontrolle seitens der Finanzbehörde, Vereinsbehörde und eine Entflechtung der Zuständigkeit zwischen Kultusamt und Innenministerium transparent gestaltet.
Gruppierungen, welche den Nährboden für Extremismus und Ausgrenzung aufbereiten und das österreichische Vereinsrecht missbrauchen, gehören aufgelöst. Die handelnden Akteure gehören mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen geahndet. Für all diese Maßnahmen bedarf es auch keiner großen Änderungen bei bestehenden Gesetzen, sondern bloß der Kooperation zwischen den Behörden.
Der bestehende gesetzliche Rahmen könnte diesem Treiben bereits ein Ende setzen. Die einzige Voraussetzung hierfür wäre politischer Wille und Mut, statt politische Alibihandlungen, wirkliche Problemlösungen.
Es ist längst überfällig, in Konfrontation mit diesen reaktionären Vereinen und Verbänden zu treten, wenn wir nicht noch mehr Generationen von Menschen verlieren möchten, welche in Österreich aufgewachsen sind.
Efgani Dönmez ist unabhängiger Abgeordneter zum Nationalrat. Er ist Oberösterreicher, türkischstämmig und mutiger Kritiker aller fundamentalistischen und antidemokratischen Tendenzen. Ein progressiver Vordenker und Verfassungspatriot, welcher abseits von Schubladendenken agiert.