In einem kürzlich veröffentlichten Papier der Denkfabrik "Agenda Austria" wird auf den Umstand hingewiesen, dass der Föderalismus Österreichs in steuerlicher Hinsicht absolut unterentwickelt ist. Ganze 2,7 Prozent der von den Bundesländern verbratenen Steuergelder werden von diesen selbst erhoben. Der Löwenanteil kommt aus dem Finanzausgleich, der die Mittelverteilung unter den Gebietskörperschaften regelt, und wird vom Bund eingetrieben. Bei den Gemeinden sieht es noch trister aus.
Dass die Länder, die weniger als drei Prozent Anteil an den Steuereinnahmen erheben, für 17 Prozent der Staatsausgaben verantwortlich sind, ist für die Agenda Austria ein offener Anreiz zur Geldverschwendung. Genauso ist es. Die Landehauptleute dürfen nach Lust und Laune Personal anheuern (etwa Lehrer), für deren Gehälter dann der Bund aufzukommen hat.
Das ist Irrsinn. Wer zahlt, soll anschaffen. Dafür soll er sich allerdings auch um die Mittel für seine Anschaffungen kümmern, sonst wird’s unnötig teuer. Die aufwendigsten Partys finden stets auf fremder Leute Kosten statt.
Tatsächlich hat der Föderalismus seinen Preis. Zentralismus, so scheint es auf den ersten Blick, ist wesentlich kostengünstiger. Nur eine Entscheidungsebene, weniger Personal, nur eine Größe für alle - passt. Warum etwa die Gemeinde Wien, in ihrer Eigenschaft als größter Zinsgeier der Welt, immer noch jede einzelne ihrer Wohnungen mit Küchen ausstattet, anstatt ebenso funktionelle wie kostengünstige Zentralküchen für die Bewohnerkollektive einzurichten, erscheint in diesem Lichte rätselhaft.
Weil der Zentralismus eine so brillante Idee ist, die übrigens Bundespräsident Van Der Bellen beim zurückliegenden Forum Alpbach mit so warmen Worten bedacht und im gleichen Aufwaschen der europäischen "Zwergstaaterei" eine entschiedene Absage erteilt hat – deswegen steht ja zum Beispiel Frankreich um vieles besser da als Liechtenstein –, funktioniert die EU so reibungslos, perfekt und beinahe gratis.
Auch bei der Debatte um die Reform der heimischen Sozialversicherung wurde mit den aus einer Fusion der derzeit 28 Versicherungsträger resultierenden Kosteneinsparungen argumentiert. Doch Kosteneinsparungen sind – im Dunstkreis der staatlichen Verwaltung verhält es sich nicht anders als auf der freien Wildbahn des Marktes – nur unter Wettbewerbsdruck zu realisieren. Kein Monopolist verschwendet, wenn die Kundschaft keine Alternativen hat, auch nur einen Gedanken an Kostensenkung oder Produktverbesserung – schon gar nicht dann, wenn er die Staatsgewalt hinter sich weiß, oder gar selbst die Staatsgewalt verkörpert.
Mangelnder Wettbewerb führt zu schlechten Produkten. Immer. Überall. Dass derartige Binsenweisheiten sich einer Mehrzahl von Politschranzen nicht erschließen, die ihr Lebtag nie einen wertschöpfenden Betrieb von innen gesehen, sondern sich seit den Tagen ihrer unbeschwerten Kindheit nur in geschützten Werkstätten geaalt haben, ist indes kein Wunder.
Aber es geht ja schließlich nicht um niemals erprobte Neuerungen. Die Regierung muss bei ihren Bemühungen um eine Föderalismusreform das Rad keineswegs neu erfinden. Sie kann sich am Beispiel unseres westlichen Nachbarn, der Schweiz, orientieren. Dort wird ein Föderalismus gelebt, der den Namen auch verdient. Bei den Eidgenossen wird von Gemeinden und Kantonen ein anteilsmäßig größerer Teil der Steuern erhoben als vom Bund. Ergebnis: Ein fiskalischer Wettbewerb zum Wohle der Bürger.
Aufgrund der Kleinräumigkeit der Strukturen (26 Kantone anstatt neun Bundesländer), fällt den Steuerzahlern eine "Abstimmung mit den Füßen" leichter als bei uns auf dem Balkan. Jeder Kanton, ja jede Gemeinde, hat sehr genau darauf zu achten, ihre Steuerschafe nicht allzu brutal zu scheren, andernfalls die eine Flucht in freundlichere Gefilde antreten könnten (und das auch tatsächlich tun).
Man kennt das Phänomen aus der Wirtschaft: Je größer ein Unternehmen wird, desto mehr ist es mit sich selbst beschäftigt. Ab einer gewissen Betriebsgröße widmet sich mehr als die Hälfte der Belegschaft nicht mehr der Forschung, Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb, sondern beschäftigt sich zunehmend mit Aktivitäten, die mit dem Betriebszweck nichts zu tun haben.
Auf Kundenwünsche, besonders dann, wenn diese sich häufig oder rasch ändern, können kleine und mittlere Betriebe schneller und flexibler reagieren als Unternehmensgiganten (sofern es sich nicht um solche in der Rüstungsindustrie handelt, die ihre Deals ausschließlich mit Staatsschergen abwickeln, denen es auf die Kosten traditionell nicht ankommt).
Dass Wettbewerb nur im Sektor der Wirtschaft gut, in der hoheitlichen Sphäre – speziell dann, wenn es um Steuern geht – aber schlecht wäre, ist ein von Etatisten aller Coleur oft und gern erzähltes Märchen. Steuerlicher Wettbewerb zeitige demnach angeblich "ruinöse" Folgen, weil er die Finanzierungsbasis des Staates aushöhle. Was für ein Unfug!
Die Schweiz ist der lebendige Beweis, dass eben das nicht der Fall ist. Das Land ist keinesfalls schlechter verwaltet als Österreich, finanziert sich aber mit um rund 10 Prozentpunkte geringeren Steuerlasten (von Steuerwüsten wie Frankreich, Dänemark und Belgien ganz abgesehen). Es gibt keinen plausiblen Grund zur Annahme, dass ein Wettbewerb unter Steuereintreibern nachteilige Folgen für die Besteuerten haben könnte. Geringere Steuereinnahmen zwingen den Staat vielmehr zu einer effizienten und schlanken Organisation und zum Verzicht auf den Wählerstimmenkauf mittels kostspieliger Brot-und-Spiele-Programme.
Der gegenwärtig nur im Bereich hoheitlicher Ausgaben existierende Föderalismus der Alpenrepublik ist durch einen Föderalismus bei den Einnahmen zu komplettieren. Das Modell der Agenda Austria sieht hierfür ein System von Zuschlägen zu den – in diesem Fall natürlich drastisch abzusenkenden – Bundessteuern vor, die von Ländern und Gemeinden erhoben werden können. Verschiedene Gemeinden, unterschiedliche Steuerlasten. Jeder potentielle Investor kann und wird sich unter diesen geänderten Umständen, genau wie jeder Häuselbauer (oder wie jeder Bürger der Schweiz schon jetzt) sehr genau überlegen, wo er sich niederlässt und sein Einkommen versteuert. Wer wird dabei wohl besser abschneiden: Ordentlich und sparsam gebarende Gemeinden oder sozialistische Pfuhle der Misswirtschaft?
Wer sich eine ehrliche Antwort auf diese Frage gibt, weiß auch, weshalb im durch und durch sozialdemokratisierten Österreich die heute über 20-Jährigen eine Umstellung des derzeitigen Systems auf eines mit echtem Steuerföderalismus sicher nicht mehr erleben werden.
Link zum Papier der Agenda Austria: https://www.agenda-austria.at/publikationen/echten-foederalismus-braucht-das-land/
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.