Jetzt sollen also die verbissenen linken Mobilisierungsversuche in Chemnitz eindrucksvoll gefruchtet haben. Aber wie war’s denn dann dort wirklich?
Ich konnte die Direktübertragung auf einem der vielen anlassbezogenen Gratiskanäle erst zum Auftritt zweier deutscher Rapper-Kopien sehen. Die beiden Büblein mühten sich freilich umsonst ab. Sie waren so bodenlos schlecht, dass ein Eminem sie nicht einmal im Vorprogramm sein Konzert ramponieren ließe. Ihre Aufmüpfigkeit hatte die ganze Authentizität übersaturierter Wohlstandswirrköpfe. Total erbärmlich.
Gegen Ende des bisher Durchlittenen wurde Verstärkung geboten. Ein Mädchen kam hinzu, deren gutes Aussehen ihren Mangel an Stimmkraft und Timbre nicht im Entferntesten kompensieren konnte. Mit aller Kraft der Verstärkeranlagen schallte in den Abend: "Ich bin schwarz!" Das wurde bejubelt, obwohl die optische Evidenz den Ausruf eklatant Lügen strafte. Ihre Hautfarbe war, was die Franzosen ‚café au lait‘ nennen.
Dann aber, dann ging’s doch richtig ab, oder? Bühne frei für Veteranen des deutschen Punk-Rocks. Kundige wissen, dass Punk von Stümpern erfunden wurde, die Rock ’n’ Roll spielen wollten, ohne musikalisch zu sein und ohne ihre Instrumente zu beherrschen. Der Schlagzeuger hämmert und klopft nur hektisch, die Gitarristen machen strumm-strumm, der Sänger kräht seinen pubertären Weltschmerz in Schimpfworten hinaus, die gesellschaftskritisch gemeint sind.
Genau das boten auch die Toten Hosen. Allerdings hat deren Frontmann Campino-Frege längst ein Alter erreicht, in dem sogar Spätpubertäres nur noch lächerlich wirkt. Umso mehr hampelte er als hilfloses Imitat seines Halblandsmanns Mick Jagger auf der Chemnitzer Bühne herum. Peinlicher geht’s nicht.
Das Publikum wollte sich aber um jeden Preis bei der kostenlosen Sause unterhalten, also jubelte, klatschte, zuckte und wippte es aus Leibeskräften.
Was waren das denn für Leute, die ihren Müll auf einem weiten Chemnitzer Wiesenplan hinterließen? Sie muteten wie überalterte Kindergartenfratzen an, die ohne jemals erwachsen geworden zu sein und irgendetwas geleistet zu haben, schon pensionsreif fürs Wohlfühlrundumpaket sind. Die Menge machte aus #wirsindmehr ein offenkundiges #wirsindgarnichts.
Das Mobilisieren von ernstzunehmenden Menschen sieht wahrlich anders aus.
Pikant ist, dass sogar der deutsche Bundespräsident für den Konzertbesuch geworben hatte. Macht sich dieser alberne Mann mit solchem Kunstverständnis nicht mit armseligen Ramschhändlern gemein, die in stinkenden Nebenstraßen ihren Pofel verhökern? Hat der Blick aus Bellevue ihm so sehr die Klarsicht der Wirklichkeit getrübt?
Bezeichnenderweise spielt ein Kernelement der Chemnitzer Montagspleite in der veröffentlichten Meinung überhaupt keine Rolle: die abgefeimte Geschäftemacherei. Die noch großen Schwundmedien bauschen die Erbärmlichkeiten zu einem sensationellen Ereignis auf, um Quote zu schinden und ihre immer mehr angewiderte Leserschaft bei der Stange zu halten Den Erzstümpern auf der Bühne kamen ihre Auftritte umso gelegener, als sie mit ihren jämmerlichen Hervorbringungen aller Art bei den pubertären Schlappis wieder kräftig abkassieren können. Wieviele werden nun ihr nicht selbst verdientes Geld zum weiteren Kauf von Schund und Pofel hinausschmeißen und sich dabei noch gut vorkommen, weil ihnen ja vorgegaukelt wurde, das alles diene einem edlen Anliegen?
Mir kommt vor, nichts tut jetzt mehr not, als den profitsüchtigen -Berufsheuchlern und überbezahlten Volksverdummern mit dem Aufdecken ihrer Raffgier ordentlich in die Parade zu fahren. Das ist übrigens auch ein echtes Thema der gesellschaftlichen Mitte.
Christian Walderdorff ist Jurist mit Studien der Philosophie und am Dolmetschinstitut. Anschließend Einjährig-Freiwilliger und an der London School of Economics im Bereich politische Philosophie. Seither Operationsbasis London mit Ausritten in andere europäische Städte. Er publiziert sonst vorwiegend auf Englisch.