Der 2. August 2018 ist ein denkwürdiges Datum im Kampf um Meinungs- und Gesinnungsfreiheit in Österreich und Europa: Der bekannte Aktivist und Islam-Aufklärer Reinhard Fellner, der in erster Instanz in einem Verfahren, das einer politischen Farce gleichkam, für seine Aufforderung zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Islam wegen "Verhetzung” verurteilt worden war, wurde vom Berufungssenat des Oberlandesgericht Wien freigesprochen, das erstinstanzliche Urteil somit aufgehoben.
Zur Erinnerung: Reinhard Fellner hatte sich Anfang 2017 mit seiner Organisation "Soziales Österreich” an der Begutachtung des "Strafrechtsänderungsgesetzes 2017” beteiligt und zu diesem Zweck eine Stellungnahme an die zuständige Abteilung des Justizministeriums sowie an die Parlamentsdirektion gesendet. Letztere hatte die Veröffentlichung des Textes auf der Homepage des Parlaments vorgenommen, wobei Fellners Zustimmung dazu nicht eingeholt worden war.
Im Zuge einer kurzen Darstellung hatte Reinhard Fellner unter anderem angeregt, angesichts des massenhaften Eindringens muslimischer Migranten das Phänomen sexueller Übergriffe gegen Frauen bei öffentlichen Veranstaltungen zu beachten sowie die Frage zu untersuchen, inwieweit Missbrauch von Frauen, Kindern und Tieren "etwas mit dem Islam zu tun” haben würde. Die Passage wurde vermutlich aus Kreisen der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) inkriminiert und zur Anzeige gebracht. Die Staatsanwaltschaft eröffnete bereitwillig das Verfahren.
Nach mehreren Versäumnissen im Vorverfahren entglitt die Tagsatzung im Hauptverfahren zu einer Vorführung, die eher einem politischen Tribunal als einer Gerichtsverhandlung glich. Beantragte Zeugen wurden nicht zugelassen, Gutachten (von Prof. Ley und vom Autor dieses Gastkommentars) wurden unterdrückt, die Notwendigkeit des Schutzes der "Religion Islam” vor Kritik wurde außer Frage gestellt und dem Angeklagten wurden pauschal sinistre Intentionen unterstellt. Insbesondere wurde die Verfolgung des Zieles der "Anstachelung zum Hass” durch Reinhard Fellner zur unumstößlichen Tatsache stilisiert.
Reinhard Fellner wurde somit am 17. November 2017 nach § 283 "Verhetzung” zu 3 Monaten Gefängnis bedingt auf drei Jahre, und damit de facto zu einem dreijährigen einschlägigen Schweigegebot verurteilt. Gezielt wurde somit ein weiteres Signal der politischen Generalprävention gesetzt: Wer immer sich kritisch in der Öffentlichkeit mit dem Islam auseinandersetzt, läuft Gefahr, dafür strafrechtlich drakonisch belangt zu werden.
Reinhard Fellner nahm die mühevolle (und finanziell belastende) Herausforderung auf sich, gegen das Urteil zu berufen und damit auch für die Meinungsfreiheit in Österreich zu kämpfen. Fellners Rechtsvertretung, die bekannte Wiener Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Dr. Eva Maria Barki, brachte zunächst eine qualitätvolle schriftliche Berufung und eine Stellungnahme zur Berufungsbeantwortung der Oberstaatsanwaltschaft ein, in der die zahlreichen formalen Unzulänglichkeiten des erstinstanzlichen Urteils nachgewiesen wurden. Mit einem fulminanten Plädoyer in der Tagsatzung vor dem Berufungssenat des Oberlandesgerichts zerlegte sie am 2. August Schritt für Schritt die Grundlagen und unausgesprochenen Annahmen des Urteils, sodass sich dessen vermeintliche Rechtmäßigkeit in Luft auflöste.
Barki schockierte zunächst mit einigen außerordentlich harten kritischen Aussagen zum Islam bzw. dessen politischer Applikation, um diese sogleich als aktuelle Zitate prominenter Politiker in der öffentlichen Auseinandersetzung zu deklarieren – von Bundeskanzler Sebastian Kurz bis zum dänischen Ministerpräsidenten Lars Rasmussen. Sie berichtete über zahlreiche in Europa stattfindende Entwicklungen, in denen kulturelle Standards aggressiv zugunsten islamischer Wertvorstellungen verändert werden. – "150 Scharia-Gerichte in England: Wollen wir das?” Und sie zeigte, dass Fellner in der Bekämpfung radikaler islamischer Einrichtungen stets mit staatlichen bzw. öffentlichen Einrichtungen eng zusammengearbeitet hat und so ein verlässlicher Verteidiger des gesamtösterreichischen Gemeinwohls sei.
In formaler Hinsicht verwies sie darauf, dass Fellners Ausführungen das im Verhetzungsparagraph geforderte Kriterium einer qualifizierten Öffentlichkeit nicht aufweisen würden. Schließlich entwickelte sie das alles entscheidende Argument, nämlich dass die Meinungsfreiheit durch Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert sei und die Judikatur des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) klar mache, dass Meinung generell auch dann zulässig sei, wenn sie unangenehm ist, verstört oder auch nur die Position einer Minderheit wiedergeben würde. Objekte der Kritik können durchaus auch Religionsgemeinschaften sein. Überhaupt keine Schranke der Kritik würde es geben, wenn sich der Gegenstand der Meinungsäußerung im öffentlichen Interesse befinden würde.
Es war erkennbar, dass der Berufungssenat, der aus drei Richterinnen bestand, sehr wohl von den prägnanten Ausführungen von Dr. Barki beeindruckt war – wenn auch nicht in einheitlicher Richtung. Nach einer etwa 15-minütigen Beratung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung: Das erstinstanzliche Urteil wurde aufgehoben. In der Begründung wurde ausdrücklich auf wichtige Argumente Dr. Barkis verwiesen. Beobachter mutmaßten, dass der Entscheidung wohl eine 2:1-Abstimmung der Senatsmitglieder vorausgegangen war.
Die Entscheidung ist mindestens ein wichtiges Signal im Gefüge der Justiz, insbesondere was die Meinungs- und Religionsgesetzgebung betrifft. In den letzten Jahren hatte sich nämlich eine lange und mittlerweile üppige Tradition entfaltet, in der Gerichte systematisch zur schrittweisen Beseitigung der Meinungs-, Gesinnungs- und Wissenschaftsfreiheit eingesetzt wurden, um auf diese Weise einer politischen Agenda die Bahn zu brechen.
Die Behinderung der verfassungsmäßig verbrieften Freiheiten durch österreichische Gerichte hatte durchaus eine asymmetrische Ausrichtung, d.h. sie verlief stets zu Ungunsten der Verteidiger europäischer Traditionen und Wertvorstellungen, die auf dem Boden des Christentums, des klassischen Liberalismus und Konservativismus verankert sind. Und sie beförderte damit eine Agenda, die mit den Zielsetzungen der widerstandslosen Öffnung der Staatsgrenzen und der kritiklosen Toleranz gegenüber fremden Kulten und Gebräuchen, insbesondere gegenüber dem Islam, einhergeht. Es besteht kein Zweifel: Das Projekt der "Multikulturellen Gesellschaft” und all ihrer Konsequenzen ist durch eine Gerichtsbarkeit unterstützt worden, die in vielerlei Hinsicht Züge einer ausgeprägten Politjustiz trug.
Diese Gerichtsbarkeit hat eine mittlerweile lange Kette von Opfern hervorgebracht, deren "Verbrechen” ausschließlich darin bestand, nachweislich belegbare kritische Aussagen über nicht-christliche Religionen oder Lebensweisen zu tätigen. Stellvertretend für die Gruppe der strafrechtlich Verurteilten seien hier nur die Namen von Elisabeth Sabaditsch Wolff und Dr. Alfons Adam genannt.
Die praktischen Instrumente, mit denen die genannten Personen gezüchtigt wurden, sind die Paragraphen 188 und 283 – "Herabwürdigung religiöser Lehren” und "Verhetzung”. Eine systematische rechtsphilosophische Analyse zeigt aber, dass die in diesen Paragraphen dogmatisierten Tatbestände bestimmte Voraussetzungen ihrer berechtigten Formulierung haben, um juristisch korrekt und rechtsstaatlich schlüssig zur Anwendung gebracht werden zu können. Diese Voraussetzungen werden meist nicht offengelegt und sollen daher im Folgenden genannt werden:
"Herabwürdigung religiöser Lehren” setzt u.a. voraus:
- dass eine juristisch belangvolle Unterscheidung zwischen "Herabwürdigung” einerseits und etwa Kritik, Ablehnung, Geringschätzung oder Zurückweisung andererseits vorgenommen werden kann;
- dass die "religiösen Lehren”, um die es jeweils geht, bekannt, also unzweifelhaft offengelegt worden worden sind (dies ist z.B. im Fall des Islam in Österreich bis zum heutigen Tag nicht der Fall);
- und dass es der jeweilige Gott (die Götter) aus der Sicht der betreffenden Religionsgemeinschaft überhaupt nötig habe (haben), durch den säkularen Staat vor "Herabwürdigung” bewahrt zu werden.
"Verhetzung” (definiert als "Anstachelung zum Hass”) setzt voraus:
- dass es nachweisbar ist, oder es zumindest eine anerkannte psychologische Theorie dafür gibt, dass durch die Darbietung von Feststellungen bzw. Informationen "Hass” erzeugt werden könne;
- dass Hass ohne jede weitere Definition als Straftatbestand formulierbar ist;
- dass es mithilfe juristischer Methoden möglich sei, zwischen Hass einerseits und etwa (berechtigter) Aversion, Widerwillen oder aber Angst andererseits zu unterscheiden;
- und dass es eine haltbare (etwa psychologische) Theorie gibt, die nachweisen würde, dass Hass automatisch zu verbaler Aggression bzw. zielgerichteter körperlicher Gewalt führt oder Anlass gibt (was § 283 ausdrücklich insinuiert).
Eine unvoreingenommene und emotionslose Reflexion würde zeigen, dass die hier angeführten Voraussetzungen allesamt nicht zutreffen bzw. existieren. Die in ihnen enthaltenen Überlegungen sind politischer bzw. ideologischer Natur, jedenfalls keineswegs juristischer. Sie haben daher im Strafregime eines Staates, der das Prädikat "Rechtsstaat” verdienen will, nichts, aber auch gar nichts, verloren.
Daraus kann sich nur eine einzige Schlussfolgerung ergeben: Die ersatzlose Beseitigung der §§ 188 und 283 aus dem österreichischen Strafrecht. Die Konzeption dieser Paragraphen stammt aus der Ideenwelt der Inquisition. Rechtliche Konzepte, mit denen die Protektion bestimmter Religionen, Ideologien oder gesellschaftlicher Minderheiten in einem so dramatischen Ausmaß zulasten anderer Grundrechte der Freiheit vorgenommen wird, sodass letztere damit de facto beseitigt werden, und es damit keine Meinungs-, Gesinnungs- und Wissenschafts-Freiheit mehr gibt, sind regelmäßig Begleiterscheinungen totalitärer Diktaturen und mit den Prinzipien einer offenen Gesellschaft freier Menschen nicht vereinbar.
Die Aufhebung der Verurteilung Reinhard Fellners am 2. August 2018 hat in einer wohl wichtigen, aber kleinen Sequenz die Ehre des Rechtsstaates der Republik Österreich wieder aufpoliert. Das ist erfreulich und kennzeichnet einen Feiertag für die Freiheit. Es kann aber auf Dauer nicht angehen, dass Menschen, die sich in selbstloser, in keiner Hinsicht am eigenen Vorteil orientierten Weise für das Gemeinwohl und die Erhaltung einer dem christlich-europäischen Wertefundament verpflichteten Kulturordnung einsetzen, der Willkür eines Strafgerichts ausgesetzt sind, dessen Akteure sich nur allzu oft als ideologisch motivierte Politiker im Talar begreifen.
Die österreichische Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Berechtigung der Meinungs- und Gesinnungsparagraphen (also der Paragraphen 188 und 283) einer seriösen Evaluierung zu unterziehen. Eine solche kann nur dazu führen, dass diese Tatbestandsmonster beseitigt werden. Die Bundesregierung ist aufgerufen, ohne weitere Verzögerung tätig zu werden.
Meinungsfreiheit – jetzt! Denn es gibt keine Freiheit, wenn sie nicht stets aufs Neue erworben wird.
(Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie und Islambeauftragter des Wiener Akademikerbundes.)