Wir kennen sie alle, und nach ihrem Tod nun wirklich alle: Nicht irgendeine, sondern: "DIE" Nöstlinger, DIE weltberühmte österreichische "Nobelpreisträgerin für Kinderliteratur" (ORF-Lob).
"Willst du geschimpft werden, musst du heiraten. Willst du gelobt werden, musst du sterben." Dieser sozialkritische Satz hat es zwar nie in den literarischen Zitatenschatz geschafft: Stammte er doch aus dem Munde eines katholischen Pfarrers, den er mir als Ministrant nach jeder gehaltenen Toten-Laudatio zuraunte. Zudem war der Dechant aufgrund eines Gelübdes (falls er als Landser die Kesselschlacht von Stalingrad überleben sollte) in den Stand eines katholische Geistlichen konvertiert. Das traf freilich den Zeitgeist der 70er Jahre nicht …
Da hatte die Nöstlinger mehr Geworfenheits-Glück: Deren "Erfolg (…war) überwältigend": Hätte doch ihr erstes Buch "den Zeitgeist durch seinen witzig-aufmüpfigen Ton" getroffen "und den Prototyp eines emanzipatorischen Kinderbuchs" repräsentiert. (Die Zeit) In linken Kreisen war die Schreiberin deswegen schon zu Lebzeiten eine Koryphäen-Heilige: "Mit ihr hat Österreich eine seiner international bedeutendsten literarischen Stimmen verloren. (Kleine Zeitung)" So versuchte sich Ex-Wirtschaftsprofessor und nunmehriger Bundespräsident Van der Bellen als Literaturkritiker-Banause.
Was aber rechtfertigt zu solchem Lobhudelei-Enthusiasmus, dass schon eine Schlagzeile ihr, der Nöstlinger, gewaltige Zivilcourage unterstellt? "Sie hat auf den Gurkenkönig gepfiffen." (einer ihrer Buchtitel – Die Presse) Wowh! So als hätte ein kommunistischer Dissident zu Stalins Zeiten auf den großen Diktator "geschissen": "Revolution im Keller" titelte überschwänglich Die Presse.
Die Handlung ist so trivial-klischeehaft wie banal: Ein gewisser Kumi-Ori-König "und ein richtig arroganter Ungustl" terrorisiert eine Familie, nachdem die Erdäpfel ihn aus dem Keller vertrieben hatten. Auf diesen klischee-triefenden Alt-68er Stoff soll die Nöstlinger übrigens aufgrund einer Kinderfrage gestoßen sein: Was ist der Unterschied zwischen Putsch und Revolution? Da werden Linke natürlich hellhörig-fiebrig: Ging "es (doch bei ihr immer) um Auflehnen gegen unsinnige Regeln." (Die Presse)
"Sie konnte sehr frech sein, ohne Angst vor der damals üblichen körperlichen Züchtigung … Die Mutter hielt ihr Moralpredigten über Ordnung und gutes Benehmen – während der Vater im Hintergrund Grimassen schnitt. Er lehrte sie, sich vor blindem Gehorsam zu hüten." (ORF)
Nachsatz: Was hat das Einlernen von gutem Benehmen mit blindem Gehorsam zu tun?
Aus dem Geiste dieser Pseudo-Revoluzzerei heraus woben dann altlinke Möchtegern-Kulturkritiker unermüdlich an einem literarischen Provinzmythos: Deren "Kinderbücher waren von einem antiautoritären Erziehungsstil geprägt. Wichtig war ihr immer der Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung." (Die Zeit)
Genau dieses Gutmenschen-Weltverbesserungs-Narrativ verabschiedet sich nun aber aus dem öffentlichen Diskurs: "Ich bin so traurig! – Mittlerweile" sei "sie verzweifelt über den Rechtsruck in Europa." (Süddeutsche Zeitung) Oder auch: "In den 1970ern sei sie noch überzeugt gewesen, dass alles besser werde, dass die Aufklärung unaufhaltbar sei." (ORF)
Zerschellt ist dieses Geschwafle von einer besseren Welt unter sozialistischer Ägide an der real existierenden Verfassung von Macht und Korrumpierung durch diese selbst: So "konstatierte sie einen kontinuierlichen Verlust an Empathie in der Gesellschaft." (ORF) Auch war sie von "eine(r) leichte(n) Entfremdung" zur sozialdemokratischen Polit-Nomenklatura befallen: "Ich frag alle meine Freunde, die in der SPÖ sind: Wer sind denn die Linken? Ich krieg keine Antwort drauf." (Kurier)
Wahrscheinlich mag sie wohl an jene linken Kretins a la Gusenbauer, Faymann oder Kerns Sohn gedacht haben, die mittlerweile als gestandene Sozi-Kapitalisten Kohle nur so anscheffeln.
Und die Geschichte ist ein gleichgültig rollendes Rad …
"Meine eigene Kindheit ist schon eine historische … Es ist alles sehr, sehr anders geworden, und ich verstehe es nicht mehr. Wie soll ich denn wissen, was Kinder bewegt, wenn sie einen halben Tag über dem Smartphone sitzen?" (Der Standard)
Aus dieser Einsicht heraus habe sie auch kurz vor ihrem Tode mit dem Schreiben aufgehört. Immerhin trat sie so (wohl unbewusst) in die Fußstapfen eines wirklichen Literaten und Sprachphilosophen: "Die Worte zerfielen mir im Mund wie modrige Pilze." (Hugo von Hofmannsthal: "Chandosbrief") Dessen Gedankenwelt hat sie damit aber nur gestreift, wie der Sternschnuppenschweif die Nähe der Sonne.
Stolz war sie vor allem darauf, "nie erzieherisch wirken" zu wollen (Die Presse). Mit dieser Aussage verhält es sich allerdings so wie mit der Aufforderung, nicht an einen rosaroten Elefanten denken zu dürfen. Denn ganz im Gegenteil waren deren verschriftliche Fließbandprodukte in höchstem Maße links-pädagogisch indoktrinierend: "Anbiederndes, Belehrendes oder einen erhobenen Zeigefinger suchte man vergeblich, dafür umso mehr realistische Milieuschilderung, Sozialkritik." (ORF)
Allein schon das permanente Insistieren auf ihre proletarische Herkunft wirkt peinlich: Als die ewige Tellerwäscher-Mär aus proletarisch-kleinen Verhältnissen heraus und die Erfolgsleiter hinauf; womit bewiesen werden sollte, dass die wahren Genies immer schon unentdeckt im Proletenmillieu geschlummert hätten. Fehlen darf freilich auch nicht die Mutter-Courage-Erzählung vom gefährlichen Widerstand gegen die Nazis.
"Sie selbst war ein armes Kind, schämte sich dafür, im Parterre zu wohnen … Und den ganz armen Leuten war sie wirklich nahe, ohne Gefühlsduselei, ohne Sozialromantik: Sie war in der Wolle gefärbte Sozialdemokratin, beide Eltern hatten unter den Nazis gelitten, ihre Mutter (eine Kindergärtnerin: Anmerkung) hatte sich frühpensionieren lassen, um die Kinder nicht mit NS-Liedern indoktrinieren zu müssen … Die Mutter verheizte noch unter dem NS-Regime ein Buch über Hitler vor ihren Augen im Ofen." (Kurier)
Wohw! Diesen passiven Widerstand gegen die Nazidiktatur konnte man damals dann in ganz Wien riechen. Und: Frühpensionierung gehört auch heute noch in unserem Sozialsystem in gewissen Kreisen zu Zivilcourage. Höchst wahrscheinlich gehört in Zeiten der Gutmenschen-Meinungsdiktatur zum Schreiben meiner Nöstlinger-kritischen Zeilen mehr Mut.
Nachsatz: Gerade ihre Mutter wäre ein Vorbild dafür gewesen, dass man seine eigenen Kinder wohl besser nicht in staatlich indoktrinierten Schulen den ganzen Tag über sozialisieren lassen sollte, egal ob unter Nazi- oder Gutmenschen-Doktrinen.
Erspart blieb ihr zumindest die totale Einsamkeit in der von ihr beschworenen Egomanen-Single-Selbstverwirklichungs-Welt: Immerhin hatte sie noch das Privileg, sich gegen die bürgerliche Ehe (1957 geschieden, 2. Ehe 1959, zwei Töchter) opponierend in eine Revoluzzer-Feministen-Kinder-Scheinwelt zu verflüchtigen, in der sich die jetzigen gescheitert-vereinsamten Möchtegern-Karriere-Femos unauflöslich verstrickt haben. "Und die Emanzipation der Frau sei ebenfalls noch längst nicht so weit, wie sie sein könnte – gerade was die Gehälter betrifft. Sie selbst habe schon bald gewusst, dass ihr ein Leben als Hausfrau und Mutter zu wenig sei." (ORF)
Dass sich diese Alt-68er Welt überdehnt hat, ahnte aber auch sie: Als bekennende Kettenraucherin ist sie mit stolzen 81 Jahren aus dem Leben verschieden. Mit der postmodernen Welt der Emanzipation hatte sie nur kokettiert. Die links-antiautoritäre Suppe, die sie literarisch mitgekocht hat, müssen jetzt ihre linken Fans auf Therapiesitzungen als Alleinerzieherinnen auslöffeln.
"Ihre … Protagonisten waren meist alles andere als Heile-Welt-Kinder … . Ihre Figuren - sei es das dicke Scheidungskind in ’Gretchen Sackmeier‘ - boten eine breite Identifikationsfläche." (ORF) Den von ihr selbst elegisch betrauerten Untergang jener Kindheit hat sie selber herbei- und dann mit zu Ende geschrieben. Eine Kindheit (freilich zu keinen Zeiten friktionslos), die früher aber immerhin noch ein tiefes Atemholen vor der heraufdämmernden Zeit des Erwachsenwerdens bedeutete. Gerade auch durch das unheilvolle politische Wirken jener Nöstlingers gibt es diese Kinderzeit nicht mehr.
"Sprachlich eröffnete (sie) für viele Kinder … neue Welten, … sprach sie ihr Publikum mit einem witzig-antiautoritären Ton an, so manche Schimpftirade – von "Strebsau" … bis zum "Hundsarsch" – sorgte … beim jungen Lesepublikum für Begeisterungsstürme." (Der Standard – s.u) Als ob man Kindern erst Vulgärausdrücke beibringen müsste! Konservative Erziehung zielte früher eher darauf ab, diese Ur-Vulgärsprache zu zivilisieren.
Insofern war Nöstlinger die Vorreiterin jener antiautoritären Erziehung, die heute (gerade in den von ihr so glorifizierten Unterschichtsvierteln) das Schulsystem kollabieren lässt: "Nöstlinger hat mit ihren Geschichten über rebellische Mädchen, vorlaute Buben und lässige Omas Generationen von Kindern und deren Eltern begeistert." (Der Standard) Wohl auch gerade deswegen, weil diese keinen Zugang zu qualitativer Literatur finden konnten.
Selbst- und tiefere Gesellschaftskritik blieben Nöstlinger fremd. Denn gerade die von ihr betrauerte "fehlende Empathie" liegt auch in einem sozialistisch aufgeblähten Wohlfahrtsstaat begründet, in dem alles selbstverständlich geworden ist und wo etwa die vermutliche Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens (durch Opfer-Refjutschies) achselzuckend zur Kenntnis genommen wird (Nöstlinger war von 97-98 Ehrenvorsitzende von SOS-Mitmensch).
"So fand sie es ’unfassbar‘, dass das Wort ‚Opfer‘ zum gängigen Schimpfwort geworden sei und Mobbing an der Tagesordnung stehe. Gewalt habe es auch früher unter Kindern gegeben, aber nicht so weit verbreitet, nicht so selbstverständlich." (ORF) Gerade von Linken wird immer wieder dieses Bonmot inflationär bemüht: Am Anfang steht die politische Verrohung der Sprache, dann folgt die Verrohung in der Gesellschaft. Aber gerade diese Sprachverrohung hat die Nöstlinger selber befördert: "Damals war es ein Problem, wenn in einem Kinderbuch einer den anderen als Trottel beschimpft hat." (ORF) Gerade darauf ist sie aber bis heute immer stolz geblieben.
Aber es hatte tatsächlich einmal eine Zeit gegeben, wo Vulgärismen an sich für Kunst gehalten wurden. "Ihr erstes Buch ’Die feuerrote Friederike‘, trägt das sozialistische Rot schon im Titel." (ORF) In diesem Buch "erzählt (sie) von einer sehr politisch gefärbten Utopie: In den geheimnisvollen Land arbeitet jeder so viel, wie er möchte. Alles wird geteilt, es gibt schöne Schulen." (Die Presse) Trotzdem wird die Friederike gemobbt …
Gerade diese ehemals beschworene Sozialutopie hat sich nun aber ins dystopische Gegenteil verkehrt. Denn wer (wie die unseligen Alt-68er) stolz darauf ist, jener Kinderzeit der Freiheit (etwa als Abwesenheit von Sexualisierung) den Garaus gemacht zu haben, darf am Schluss nicht jammern. (Heute diskutieren schon Volksschüler über die Vorteile von Selbstbefriedigungs-Vibratoren.)
So wird darauf verwiesen, dass "sie sich mit markigen Wortmeldungen einen Ruf als ruppiges ’Gewissen des Landes‘" geschaffen habe: "Vor vierzig Jahren hab’ ich als unmoralische Instanz gegolten, wegen dem, wie ich Kinder agieren lasse, wie ich sie reden lasse." (Kurier)
Mein aufrichtiges Beileid gilt trotzdem all jenen, die die Nöstlinger lieb(t)en. Auch weil irgendwann für jeden die Zeit kommt, wo man nur mehr vor etwas Respekt haben kann: vor dem Tod.
"Niemand will sterben. … Und dennoch ist der Tod das Schicksal, das wir alle teilen. Niemand ist ihm jemals entkommen. … Weil der Tod wahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens ist. … Er räumt das Alte weg, um Platz für Neues zu machen. Gerade jetzt sind Sie das Neue, aber eines Tages, es ist gar nicht so lange hin, werden Sie langsam zum Alten gehören und weggeräumt werden." (Steve Jobs)
Mit Nöstlingers Tod geht die degenerierte Utopie von der kindlich-naiven Aufmüpfigkeit um jeden Preis einem Ende entgegen. Ganz im Sinne Friedrich Schiller: "Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab".
Im Sinne von Heinrich Heine stehe ich allerdings nicht an, mich vor Nöstlingers Leben und ihrem Erfolg zu verneigen: "Denn jeder einzelne ist schon eine Welt … . Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte."
Heine war freilich eine Poet, die Nöstlinger nicht. Sie bleibt eine Zufalls-Schreiberin aus der Gnade einer zufällig verspäteten Geburt heraus, deren materielles Überleben durch einen linken Zeitgeist garantiert wurde: "Im Brotberuf … schrieb sie Drehbücher für den ORF und moderierte eigene Sendungen". (Wikipedia). Wie so viele aus ihrem linken Umkreis mittlerweile arg unter Verdacht geratene Staatskünstler im sozialen Auffangbecken ORF auch.
In Wirklichkeit ist die österreichische Pipi-Langstrumpf-Apologetin in all ihrer unterdurchschnittlichen links-infiltrierten Gesinnungs-Schrift-Setzerei eine provinziell-skurrile und unterdurchschnittliche gebildete Wiener Proletarier-Figur geblieben, die durch die Gnade eines linken Zeitgeists nach oben gespült wurde. Nichts beweist diesen Umstand besser als die primitiv-vulgäre Twitter-Aussendung eines künstlerisch unterbemittelten Möchtegern-Kabarettisten: "Die Kondolenz-Karikaturen von den Blaunen (sic!) für die wunderbare Christine Nöstlinger mögen scheißen gehen. Alles, was sie schrieb, ist das Gegenteil von dem, was ihr vorvegetiert, ihr A...figuren." (Chmelar)
Dieses sprachliche Vulgär-Nöstlinger-Niveau konnte der linke Gutmenschen-Staatskünstler Chmelar nie transzendieren, auch nicht in seinem realen Leben: So hatte er es als Ex-Moderator (2000) in die heimischen Klatschspalten gebracht, als er freimütig bekannte, früher zusammen mit seinem Jugendfreund (just dem ehemaligen Haider-FPÖ-Kurzzeit-Justizminister Michael Krüger) unzählige Schönheitsköniginngen "geschnackselt" zu haben: "Die Miss Vienna haben wir uns geteilt. Zuerst ich im Schlafzimmer, dann du im Wohnzimmer." (Wiener Zeitung) Solche sexistischen Frauenfeindlichkeiten wurden dabei von Linken locker übersehen.
Und ganz ehrlich: Um diese Primitivo-Welt ist es nun wirklich nicht schade. Denn diese Zeit hatte wie jede andere Zeit ihre Zeit gehabt und: Ihre gesellschaftliche Chance vertan.
Nöstlinger erhielt zu Lebzeiten mehr als zwei Dutzend (v.a. Gutmenschen-) Preise. Was hatte es mit diesen in Wirklichkeit auf sich?
"Künstlertum heißt in Österreich für die meisten, sich dem Staat, gleich welchem, gefügig zu machen und sich von ihm aushalten zu lassen lebenslänglich." Es "ist ein … verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit … Preisen gepflastert und mit … Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet." (Thomas Bernhard: "Holzfällen")
Dr. Elmar Forster ist Lehrer und lebt(e) seit 1992 als Auslandsösterreicher in Ungarn, Prag, Bratislava, Polen, Siebenbürgen (Rumänien).