Während sich die gesamte Asyldiskussion meist bloß um neu ankommende Asylwerber dreht, wird außer Acht gelassen, dass sich tausende junge Männer bereits im Land befinden. Eine regelrechte Armada arbeitet aktuell daran, diesen auf Biegen und Brechen Asyl zukommen zu lassen. Da gegen jeden negativ ergangenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Beschwerde erhoben wird, sind es tatsächlich die Richter am Bundesverwaltungsgericht (BVwG), denen meistens das letzte Wort zukommt.
Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, dass es fast immer an den dortigen Richtern liegt, ob Asyl oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt wird oder nicht. Dies aus dem Grund, da es fast ausschließlich um Feststellungen des Sachverhaltes und nicht um rechtliche Erwägungen geht. Wird der Asylwerber im Falle seiner Rückkehr Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein? Mit anderen Worten: Es geht darum, ob der Richter die oft umfassend ausgeschmückten Geschichten, die fast immer mit tatkräftiger Unterstützung von hilfsbereiten NGOs kreativ konstruiert wurden, glauben will oder nicht. (Von diesen konstruierten Geschichten wird in einem weiteren Kommentar berichtet werden).
Positiv ist vorweg zu vermerken, dass sich, anders als vor noch zwei Jahren, am BVwG zaghaft eine ein wenig strengere Spruchpraxis zu etablieren scheint. Einige Richter erkennen den Ernst der Lage sehr gut und verfügen über einen sehr klaren, realistischen Zugang. Andere, meistens linken Parteien eng verbundene, müssen als eher ideologisch vorgeprägt bezeichnet werden. Sie stellen den relevanten Sachverhalt einfach unkritisch nach den Schilderungen des Beschwerdeführers fest und gewähren rasch den begehrten Status.
Jedoch haben selbst sehr professionell und kritisch vorgehende Richter mit einem dem Asylverfahren eigenen Problem zu kämpfen: Anders als bei gewöhnlichen gerichtlichen Verfahren, bei dem sich zwei Parteien gegenüberstehen und wo sich ein Richter mit den Argumenten beider Seiten befassen muss, erscheint bei Asylverfahren regelmäßig nur eine einzige Partei, nur die des Asylwerbers.
Dieser erscheint freilich nicht alleine, sondern mit einer Vielzahl von Unterstützern. Meist wird er begleitet von einem Rechtsanwalt und/oder anderen Rechtsberatern, von Vertretern von NGOs oder der Diakonie. Dazu gesellt sich oft noch eine Vielzahl von Verwandten, die an der mündlichen Gerichtsverhandlung oft lautstark und eifernd teilnehmen.
Hingegen glänzt die andere Seite, auf der ein Vertreter des BFA, somit die Vertretung der Republik Österreich sitzen sollte, durch gähnende Leere. Das BFA verweigert regelmäßig die Teilnahme an den Verhandlungen, verweigert es, die ihm zugedachte Rolle als Vertreter der Interessen des Staates wahrzunehmen, erscheint einfach nicht.
Es dürfte einleuchtend erscheinen, dass dies zu einer enormen Schieflage bei jeder Verhandlung führt, die bei allen anderen Gerichtsverhandlungen undenkbar wäre. Niemand widerspricht dem Vorbringen der Asylwerber (genauer gesagt: niemand widerspricht den von der NGO erfundenen und instruierten Geschichten), niemand macht auf Widersprüche aufmerksam, niemand sorgt dafür, dass die Interessen der Republik auch tatsächlich vertreten werden.
Dass es dadurch zu einer enormen Drucksituation auf den Richter kommt, scheint evident. Die ganze Masse an Personen im Verhandlungssaal vertritt faktisch die Interessen des Asylwerbers, mag auch tatsächlich nicht im Entferntesten ein ernsthafter Asylgrund vorliegen. Keine Menschenseele vertritt hingegen die Interessen des Staates und sorgt für eine Ausgewogenheit des Verfahrens. Der Richter ist enormem Druck ausgesetzt, er sieht sich alleine dem Asyl fordernden Beschwerdeführer gegenüber, der von zahlreichen Verwandten, Rechtsanwälten und NGO-Vertretern unterstützt wird.
Um sich dieses Ungleichgewicht zu verbildlichen, stelle man sich beispielsweise ein Strafverfahren vor, an dem nur eine Seite, nämlich der Angeklagte samt seinen Vertretern teilnimmt, bei dem aber kein Vertreter des Staates, kein Staatsanwalt anwesend ist. Es wäre unvorstellbar. Im Asylverfahren stellt es aber gängige Praxis dar.
Verweigert der Richter dennoch den begehrten Schutztitel, wird mit höchster Wahrscheinlichkeit Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und Verfahrenshilfe beantragt. Zu bezahlen hat es ohnehin der Steuerzahler. Für den Richter stellt dies eine unangenehme Situation dar. Einerseits ist sie mit Arbeitsaufwand verbunden, andererseits führt es zur natürlich unangenehmen Nachkontrolle der getroffenen Entscheidung und zu dem Risiko, dass das Erkenntnis aufgehoben wird. Nicht selten setzt man sich derart einer umfassenden Häme, insbesondere von ideologisch weit links ausgerichteten Richtern aus.
Gewährt hingegen der Richter einfach Asyl, macht er es sich leicht. Die Arbeit ist erledigt, der Akt ist vom Tisch, alle im Verhandlungszimmer sind zufrieden. Es gibt keine Revision, niemand überprüft die getroffene Entscheidung. Da niemand vom BFA zur Verhandlung erschienen ist, macht man sich dort üblicherweise noch viel weniger die Mühe, eine Amtsrevision zu erheben.
De facto besteht derzeit eine Lage, in der jeder Richter regelrecht genötigt wird, Asyl zu gewähren, will er sich das Leben selbst nicht unnötig schwer machen. Dies gilt sogar für jene Fälle, in denen Asyl in rechtlicher Hinsicht nicht einmal ansatzweise zustehen würde.
Die Medien produzierten vor kurzer Zeit aus diesem Umstand übrigens die vollkommen falsche Schlagzeile, dass sich aus dem Faktum, dass 50,4 Prozent der Asylanträge positiv abgeschlossen werden, ergebe, dass tatsächlich die Mehrheit "schutzbedürftig" sei. In Wahrheit sind es jedoch die vorhin angeführten Umstände, die diese Zahl und Schieflage bewirken. In Wahrheit wäre, je nach Auslegung der rechtlichen Grundlagen, nur in null bis zwei Prozent der Fälle Asyl zu gewähren.
Die Politik ist gefordert, diesen Missstand zu beheben und für ausgewogene Verfahren zu sorgen, die eines Rechtsstaates würdig sind.
Die Autorin hat aus Gründen ihrer exponierten beruflichen Stellung um Anonymität gebeten.