Am 26. Jänner 2017 verkündete der damalige Innenminister die Zerschlagung eines Salafisten-Netzwerks. 14 Personen wurden daraufhin in Untersuchungshaft genommen. Heute sind alle wieder frei. Nicht, weil sie ihre Strafen abgesessen hätten. Nein, weil die Staatsanwaltschaft Graz ihren Ermittlungsaufträgen nicht nachkam – so berichtet "Die Presse".
Die Staatsanwaltschaft Graz ist auch jene Ermittlungsbehörde, die den Prozess gegen die sogenannten Identitären führt, in dem unter anderem der umstrittene Verhetzungsparagraph zur Anwendung kommt.
Der Eindruck ist ein fataler: In Graz werden die Salafisten freigelassen und diejenigen, die "Islamisierung tötet" rufen, vor Gericht gestellt.
Paradoxie am Rande: die Opposition von SPÖ bis NEOS kritisiert die Anwendung des Verhetzungsparagraphen als Gesinnungsstrafrecht, der Generalsekretär des ÖVP-geführten Deregulierungsministeriums verteidigt ihn gegenüber einem tadellosen Armin Wolf in der ZIB 2. Ich hoffte immer, dass man ohne SPÖ der Meinungsfreiheit zum Durchbruch verhelfen und die Verhetzungsbestimmung auf ihren gewalttätigen Kern reduzieren könne.
Schon bei den BVT-Hausdurchsuchungen hatte man den Eindruck, dass die staatsanwaltschaftliche Perspektive sehr eingeschränkt sein kann. Heute ist das Speichern zu vieler Daten verpönt, während in früheren Zeiten das Gegenteil – das Unwissen – zum Vorwurf gemacht wurde. Wenn nun das Bundesamt tagelang lahmgelegt wird – auch Handys der Beamten wurden "sichergestellt" –, erscheint die Staatssicherheit im Namen des Strafprozessrechts gefährdet. Fiat justitia pereat mundus. Gerechtigkeit muss sein, mag die Welt auch zugrunde gehen – meinten schon römische Doktrinäre. Die Staatsraison auszublenden, um der verpönten Politik jede Einflussmöglichkeit zu nehmen, kann ganz ordentlich nach hinten losgehen.
Dass es beim Justizbereich an vielen Ecken und Enden krankt, wird immer offensichtlicher: Eine designierte EUGH-Richterin zieht sich plötzlich zurück, die Bescheide hinsichtlich der Schließung von Moscheen werden dahingehend gehoben, dass diese nun wieder offen sind.
Es ist unübersehbar: Die Regierung, die sich auf die Sicherung der Außengrenze konzentriert, hat eine offene juristische Flanke. Nach dem Beerdigen toten Rechts scheint es hoch an der Zeit, den Deregulierungsminister hintanzustellen und wieder einen Justizminister zu installieren.
Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er Abgeordneter im Nationalrat gewesen.