Der Christbaum: Eine kleine Kulturgeschichte

Autor: Ronald Schwarzer

Wir brauchen dringend ein gemeinsames Fundament für unsere Gesellschaft

Autor: Christian Klepej

Deutschlands gemütliche Machtergreifung von 2024/25

Autor: Leo Dorner

Wenn alle untreu werden

Autor: Dieter Grillmayer

Zeichen der Hoffnung für den Westen

Autor: Karl-Peter Schwarz

Rumänien als Probelauf für die Abschaffung der Demokratie in Europa?

Autor: Wilfried Grießer

Die Woken und ihre Geschichten

Autor: Karl-Peter Schwarz

Brandmauern gegen rechts: EU-Länder werden unregierbar

Autor: Werner Reichel

EU am Scheideweg: Markt- oder Planwirtschaft?

Autor: Andreas Tögel

Langsam, aber sicher wird die Freiheit in Europa rückabgewickelt

Autor: Christian Klepej

Alle Gastkommentare

Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Schächten und Gentechnik: Der Triumph einer neuen Naturreligion

Zwei scheinbar ganz unterschiedliche Kontroversen zeigen in diesen Tagen, wie sehr Europa seine Zukunft immer weiter zerstört, wie weit sich der Kontinent von der Werte-Hierarchie seiner (bis heute theoretisch gültigen) Verfassungen und Menschenrechtskonventionen entfernt hat. Siegreich ist ein dumpfer, aber enorm verbreiteter romantischer Glaube, der sich rund um Natur- und Tierschutz entwickelt hat.

Er setzt die Tiere mit dem Menschen gleich, wenn nicht gar darüber und erhebt sie zur obersten Ehre der Altäre – ähnlich wie es einst in der blutgetränkten Französischen Revolution mit der Göttin der Vernunft geschehen ist. Er glaubt, die Natur (oder in anderem Zusammenhang das Klima) auf irgendeinem als ideal angesehen Stand unveränderbar einfrieren zu können. Und er würde am liebsten (wenn auch selten offen ausgesprochen) den Menschen ganz von diesem Erdball eliminieren.

Beide in der Überschrift angesprochenen aktuellen Kontroversen haben eng mit einem Comeback von Jean-Jacques Rousseau und seinem diffusen "Zurück zur Natur" zu tun (also jenem Genfer Philosophen des 18. Jahrhunderts, der ganze – von Linken bis heute verschlungene – Bücher über Pädagogik und Kindererziehung geschrieben, aber seine eigenen Kinder gleich nach der Geburt angewidert ins Findelhaus weggegeben hat). Aber das sei nur am Rande erwähnt.

Man könnte die Entwicklung auch als den Triumph einer seltsamen Koalition aus grüner und Kronenzeitungs-Ideologie bezeichnen. Deren Werthierarchie ist aber auch in viele andere Lager tief eingedrungen, wie etwa in die Sozial- und Christdemokratie, und ganz besonders in jene Gruppierungen, die als rechtspopulistisch bezeichnet werden.

Diese neue Tier- und Naturreligion zeigt sich derzeit komprimiert bei den aktuellen Themen Schächten und Gentechnik, ist aber schon länger auch an einigen anderen gesellschaftlichen Phänomenen ablesbar gewesen. Wie an:

  • der rapiden Zunahme von sich prinzipiell nur vegan oder vegetarisch ernährenden Menschen (vor allem junge Mädchen), die den Tod der lieben Tiere ablehnen;
  • der ständigen Zunahme der Haus- und Kuscheltiere, aber auch der (eigentlich) verbotenerweise in Wohnungen gehaltenen exotischen Tiere bis hin zu Giftschlangen und Skorpionen;
  • der gleichzeitigen Abnahme der Kinderzahlen in Europa;
  • dem entsprechend dazu ständigen Längerwerden der Tierfutter-Regale und Kürzerwerden der Babynahrungs-Stellagen in Supermärkten;
  • der erstaunlichen Tatsache, dass man selbst in Kirchen immer öfter mitgenommene Hunde sehen kann;
  • den wachsenden Schwierigkeiten für Wissenschaftler, Tierversuche durchzuführen – selbst wenn diese zur Entwicklung neuer Medikamente dienen;
  • der Rückkehr von Bären und Wölfen nach Mitteleuropa und dem seit einiger Zeit verhängten Verbot, sie zu jagen. Das ist nicht nur mancherorts für Bauern zum eskalierenden Problem und zur Bedrohung ganzer Betriebe geworden. Das versetzt immer öfter auch harmlose Touristen in Angst und Schrecken, die im heurigen Wandersommer intensiver denn je durch große Schilder vor jenen Tieren gewarnt werden, deren Ausrottung einige Generationen davor noch als Sieg der Zivilisation über die Wildnis gefeiert worden war.

Vor diesem Hintergrund sind sowohl die Kontroversen um das Schächten wie auch um die jüngste Entscheidung des EU-Gerichtshofs zur Gentechnik mit Sorge zu sehen.

Die Gen-Richtlinie

Dieser EuGH hat jetzt die EU-Richtlinie zu genveränderten Organismen ("GVO-Richtlinie") entscheidend ausgeweitet. Während bisher die sehr restriktive EU-Verordnung nur für jene Genmutationen gegolten hat, wo durch Hinzufügung von Genbestandteilen anderer Lebewesen eine gewünschte Veränderung erzielt worden ist, so gilt die Verordnung ab jetzt auch für Genveränderungen durch sogenannte Genscheren, wo nichts Neues hinzugefügt wird, sondern nur einzelne Abschnitte ausgeschaltet werden. Dabei könnten diese Veränderungen genauso durch Mutation und klassische Züchtungen entstanden sein, sind also letztlich gar nicht als Werk der Genschere nachweisbar.

Das klingt zwar sehr technisch, ist aber ein schwerer Rückschlag für Europas Bauern und Wissenschaftler, aber auch  für die gesamte Gesellschaft. Denn solche Genveränderungen würden viele Vorteile bringen: Resistenzen gegenüber Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, was zu einer starken Reduktion des Gifteinsatzes auf den Feldern führen würde; sowie höhere und stabile Erträge, was angesichts einer ständig wachsenden Weltbevölkerung und einer ständigen Reduktion der landwirtschaftlich nutzbaren Böden ein weiterer wichtiger und vor allem ethisch bedeutsamer Pluspunkt wäre.

Die von vielen grün deformierten Politikern, NGOs und Medien geschürte Panik vor Genveränderungen ist umso absurder, als es in all den Jahren dieser Panik noch zu keiner einzigen schädlichen Auswirkung von Genveränderungen gekommen ist, sondern immer nur dunkel von eventuellen Risiken geredet wird.

Natürlich wird sich der Rest der Welt von China über Indien und Afrika bis Amerika keinen Deut um europäische Phobien kümmern und weiter in Sachen Genveränderungen forschen, wird weiter entsprechende Organismen anbauen und nutzen.

Damit fällt Europa in einem weiteren wichtigen Bereich gegenüber dem Rest der Welt dauerhaft zurück. Dass Europa einst jener Kontinent gewesen ist, der von den Universitäten bis zu den Nobelpreisen führend gewesen ist, wird bald nur noch eine ferne Erinnerung sein.

Dabei geht es ja nicht nur um die Ernährung (wo es egozentrierten Europäern noch gleichgültig sein könnte, dass in der Dritten Welt das Ernährungsproblem noch immer nicht ganz gelöst ist).

Dabei geht es nicht nur um das Niveau von Wissenschaft und Universitäten (wo nicht alle Europäer ihre Kinder an amerikanische – oder zunehmend auch chinesische – Unis schicken können, wie es EU-Richter und Abgeordnete aller Art können).

Dabei geht es nicht zuletzt auch um die Weiterentwicklung der Medizin durch neue und leistbare Medikamente (aber wiederum: Manche werden es sich im Krankheitsfall ja leisten können, in teuren US-Kliniken behandelt zu werden …).

Und wenn nicht nur ein paar grüne NGO-Freaks, sondern offenbar auch die EU-Richter und -Gesetzgeber meinen, man könne Europa frei von genveränderten Organismen halten, dann kann man dazu bloß heftig lachen. Nicht nur, weil die Genveränderungen der neueren Art eben im Nachhinein gar nicht mehr eindeutig beweisbar sind. Sondern auch weil die Vorstellung absolut lachhaft ist, die EU könne außereuropäische Samen fernhalten, wenn sie zugleich nicht einmal imstande ist, Millionen illegaler Migranten fernzuhalten.

Das Schächten

Das GVO-Urteil hat Ähnlichkeiten mit den seit Tagen tobenden Diskussion ums Schächten. Auch hier stößt man auf die neue Naturreligion. In diesem Fall kollidiert sie ganz frontal mit zwei alten Religionen, mit dem Judentum und dem Islam. Deren Gläubige pflegen seit jeher das Schächten von Tieren, also eine Tötungsart, bei der das Blut komplett aus dem geschlachteten Tier ausrinnen muss. Das ist für die Tiere mit Schmerzen vor dem Tod verbunden – vor allem, wenn meistens auch die vorherige Betäubung des Tieres verboten ist.

Mangels einschlägiger Kenntnisse lasse ich mich nicht auf die Frage ein, wieweit diese jahrtausendealte Tradition einst echte hygienische Bedeutung hatte (wie ja viele Vorschriften in diesen beiden Religionen). Jedenfalls aber gibt es heute keinen solchen Sinn des Schächtens mehr. Andererseits hat das Schächten jedoch jahrtausendelang niemanden gestört und ist für – manche – Angehörigen dieser Religionen offenbar sehr wichtig.

Heute aber kollidiert es mit einer dominant gewordenen Natur- und Tierreligion. Jedoch haben die Kulturen und Gesetzgeber bisher nicht geklärt, welche der beiden Grundrechte im Konfliktfall eigentlich wichtiger ist: Ist es die in allen westlichen Verfassungen stehende Religionsfreiheit einerseits? Oder sind es andererseits die sich immer mehr in die Kulturen und ihre Rechtssysteme einschleichenden Tierrechte?

Die Lösung, die angesichts dieses rechtlichen Vakuums zuletzt in Niederösterreich rote und blaue Landespolitiker versucht haben, ist jedenfalls unakzeptabel: Sie wollten genau den Genuss geschächteten Fleisches limitieren und alle legitimierten Konsumenten aufschreiben lassen, damit nur Moslems und Juden geschächtetes Fleisch essen dürfen. Das ginge aber nur, wenn man bis zum Gaumen hinein kontrollieren würde, wer solches Fleisch isst, also wenn man jeden einzelnen Konsumenten namentlich identifizieren würde.

Inzwischen hat man zwar irgendwie eingesehen, dass das ein schlimmer Irrweg hin zu einem totalitären und religionsfeindlichen Kontrollstaat wäre. Freilich gibt es weit und breit aber keine klare Orientierung, wie ein ordentlicher Ausweg aus dem rund um diese Kollision entstandenen Nebel ausschauen könnte:

  • Freigabe des Konsums geschächteten Fleisches für alle?
  • Oder Verbot für alle?
  • Oder Hinnahme des gleichheitswidrigen Rechtswirrwarrs, in dem Strafgesetze, wie eben ein Schächtverbot, nur für einen Teil der Bürger gelten?

Über alles sollte man offen nachdenken und reden, sich auch alle internationalen Beispiele anschauen, jenseits der von Christian Kern (mit noch dazu falschen Argumenten) ausgelösten dummen Parteipolemik. Einerseits sind ja unzweifelhaft etwa Steinigungen oder Menschenopfer in jedem Fall verboten – selbst wenn eine Religion sie vorsehen sollte. Andererseits hat das Schächten eben Jahrtausende niemanden gestört.

Abgesehen von der lächerlichen parteipolitischen Polemik rund um dieses Thema bleibt dennoch eine dunkle Vermutung: Dass man "Schächten" sagt und Judentum oder Islam meint, das aber nicht auszusprechen wagt. Dazu kann es nur zwei klare Antworten geben:

Erstens, jedem auch noch so getarnten Antisemitismus ist aus einer ganzen langen Reihe von Gründen klar entgegenzutreten, und sei er noch so gut getarnt. Punkt.

Und zweitens: An einem wörtlich – also gemäß Scharia und Koran – gelehrten oder ausgelebten Islam gibt es weit Schlimmeres zu kritisieren als das Schächten, zumindest wenn einem Menschen noch wichtiger sind als Hammel. Von den Tötungsaufrufen gegenüber Nichtmoslems oder Ehebrechern über die politischen und militärischen Eroberungs-Intentionen des späteren Mohammeds bis zur massiven Diskriminierung von Frauen.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung