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Herr Moser, Sie haben Handlungsbedarf!

Da darf man jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Der Grazer Massenprozess gegen 17 "Identitäre" ist zwar mit den von jedem vernünftigen Menschen erwarteten Freisprüchen (beziehungsweise zwei Mini-Verurteilungen im dreistelligen Euro-Bereich) zu Ende gegangen. Nach all dem, was da in den letzten Wochen vorgefallen ist, wäre es aber ungeheuerlich, würde sich der Justizminister jetzt auf den Standpunkt stellen: "Gut ist es gegangen, es ist eh nichts geschehen". In Wahrheit ist da sehr viel geschehen und sehr viel gar nicht gut gegangen. In Wahrheit zeigt sich sowohl auf rechtlicher wie auch auf personeller Ebene im Justizapparat großer und akuter Handlungsbedarf.

Josef Moser muss sich freilich endlich bewusst werden, dass er Justizminister ist und niemand anderer, weder ein sich als solcher gerierender Sektionschef noch eine Staatssekretärin im Innenministerium. Moser darf nicht mehr seine ganze Zeit für eine aussichtslose Föderalismus-Reform aufwenden. Er muss sich vielmehr den großen Problemzonen in der Strafjustiz zuwenden. Und wenn er das nicht selbst begreift, dann hat eben jene Partei, die ihn zum Minister gemacht hat, die Aufgabe, Österreich wieder einen amtierenden Justizminister zu beschaffen – auch wenn Parteichef Sebastian Kurz derzeit durch die EU-Präsidentschaft gleich mehrfach belastet ist.

Um nicht missverstanden zu werden: Eine Föderalismusreform, eine Entflechtung der verworrenen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, wie sie Moser anpeilt (und wie sie etliche Landeshauptleute ablehnen), wäre sogar sehr wichtig. Nur hat sie angesichts der Tatsache, dass die SPÖ im Bundesrat die notwendige Zweidrittelmehrheit blockieren kann, absolut keine Chance, selbst wenn mit den Neos in der ersten Kammer eine solche Verfassungsmehrheit herstellbar wäre. Die SPÖ ist ja in ihrer gegenwärtigen Verfassung und Führungsstruktur so total auf Destruktivität eingestellt, dass eine Zustimmung zu einer Verfassungsreform, die natürlich ein Erfolg der Regierung wäre, absolut nicht vorstellbar ist. Daher sollte Moser seine politischen Energien mehr auf jene Bereiche konzentrieren, für die ein Justizminister primär zuständig ist. Und wo Reformen ebenso möglich wie dringend sind.

Es kann einfach nicht sein, dass ein Grazer Staatsanwalt wie ein Berserker agiert, ohne dass das Konsequenzen hat. Für alle von mir befragten Juristen ist es jedenfalls eindeutig, dass dieser Monsterprozess grob fahrlässig und offenbar aus persönlicher Ideologie heraus – die mindestens so weit links steht wie die Identitären rechts –, aber ohne Vorliegen eines konkreten strafbaren Sachverhalts losgetreten worden ist.

Die Kosten des Prozesses für alle Beteiligten und vor allem für die Republik gehen mindestens in die Hunderttausende. Schon das Hauptverfahren hat zehn volle Verhandlungstage gedauert. Dazu kommen ein ebenfalls aufwendiges Vorverfahren und die ja ebenfalls von uns zu bezahlende Arbeitszeit der angeblich so überlasteten Staatsanwaltschaft, die bei wirklich großen Verbrechen wie der Medienbestechung auf Steuerkosten noch nie Anklage eingebracht hat. Dazu kommen die Verteidigungskosten der Angeklagten, die diese Kosten ja auch bei einem Freispruch nur zu einem Bruchteil ersetzt bekommen (und die sich im Gegensatz zu Angeklagten in sonstigen Großprozessen nur einen gemeinsamen Anwalt leisten konnten). Dazu kommen ihr Verdienstausfall sowie die ihnen zugefügten immateriellen Schäden. Und von der eventuellen Möglichkeit einer Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde durch den Staatsanwalt sei da gar nicht geredet.

Aber nicht nur diese durch den Staatsanwalt leichtfertig herbeigeführten Kosten sind ein Riesenskandal. Das sind auch viele der Äußerungen des Mannes während des Prozesses. Der Staatsanwalt hat das Fehlen konkreter Delikte durch Beschimpfungen wie "Feiglinge" oder "Pseudomoralisten" substituiert. Das sind aber keinerlei Delikte, selbst wenn diese Bezeichnungen zutreffen sollten. Noch deutlicher wurde der ideologische Hass des (ja im Namen der Republik auftretenden!) Anklägers durch die Behauptung, die Angeklagten seien "selbstgerechte, selbst ernannte Patrioten".

Mit Verlaub: Was für ein ungeheuerliches Denken spricht aus so einem Mann! Ist der noch geeignet, ein (überdies höchstrangiger) Staatsanwalt zu sein? Braucht man seiner Meinung nach, um ein Patriot zu sein, eine Ernennung, damit man nicht "selbst ernannt" ist? Und durch wen? Durch linke Staatsanwälte etwa? Und was soll der Vorwurf, dass jemand selbstgerecht sei? Gehört der nicht maximal in einen Beichtstuhl? Ist selbstgerecht zu sein nicht jedenfalls zehnmal besser und honoriger, als verantwortungslos einen solchen substanzlosen Monsterprozess auszulösen? Und ist nicht vor allem jemand, der seine Ideologie mit strafrechtlicher Brachialgewalt durchzusetzen versucht, viel eher ein Pseudomoralist als Menschen, die sich (wenn auch mit bisweilen unsympathischen Mitteln) für Österreichs Identität einsetzen?

Der Einsatz für Österreichs Identität ist immerhin ein Ziel, das neuerdings sogar der ORF in seiner Eigenwerbung propagiert. Und mit dem dieser sogar Zwangsgebühren zu rechtfertigen versucht.

Was konkret sollte aber nun der Justizminister tun?

  1. Er sollte intensiv prüfen, ob da nicht ein klassischer Fall von Amtshaftung und Amtsmissbrauch vorliegt.
  2. Er sollte – wenn das nicht zum Ziel führt – das Disziplinarrecht für Staatsanwälte entsprechend überarbeiten.
  3. Er sollte eine Novelle der Strafprozessordnung einbringen, die sicherstellt, dass eine Anklage nur dann eingebracht werden darf, wenn eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheint (das hat auch der renommierte Strafrechtsprofessor Fuchs jetzt in einem Kommentar zum Prozess vorgeschlagen).
  4. Er sollte sich weisere Menschen für den sogenannten Weisenrat und für die Funktion des Straf-Sektionschefs suchen, die auch den Mut hätten, von vornherein eine solche fahrlässige Aktion zu stoppen, statt sie aus Feigheit zu genehmigen, weil sonst vielleicht der "Falter" oder irgendwelche Grünen gegen sie hetzen könnten. Oder die gar dem Prozess nur deshalb zugestimmt haben, damit es einmal eine Judikatur zu neuen Paragraphen gibt - die aber offensichtlich vergessen haben, was es bedeutet, für solche rein juristischen Zwecke wochenlang auf eine Anlagebank und unter gewaltige Strafdrohungen gesetzt zu werden. Die also die Strafjustiz mit einem Glasperlenspiel verwechseln.
  5. Er sollte eine Novelle zum Strafgesetz einbringen, die alle dort in den letzten Jahren unter sozialistischem Druck hineingeschmuggelten Ansätze zu einem Gesinnungsstrafrecht wieder eliminieren. Er sollte also insbesondere den Verhetzungsparagraphen mit seiner absurden Strafdrohung für "Hass" auf das reduzieren, was wirklich zu bestrafen ist: also auf jede Zwangs- und Gewaltausübung, und auf jeden Aufruf dazu.
  6. Er sollte aus dem Verhetzungsparagraphen überdies alle gleichheitswidrigen Formulierungen hinausbringen, die jetzt zwar Moslems und Afghanen schützen, aber nicht Pfarrer, Bauern oder Unternehmer.
  7. Er könnte aber zugleich durchaus auch eine Verschärfung der rechtlichen Konsequenzen bei jeder Form von Aktionismus vorschlagen. Also bei vorsätzlicher Störung von Veranstaltungen und Versammlungen jeder Art, bei Schmierereien an Hauswänden, bei Besetzungen fremder Räume und Gebäude, bei nicht genehmigtem Plakatieren auf fremden Gebäuden. Eine solche Verschärfung müsste sich aber natürlich gegen Linke genauso richten wie gegen die Identitären. Dann könnten diese viele ihrer Aktionen nicht mehr setzen – aber ebensowenig könnten das dann Hausbesetzer, Greenpeace und andere NGOs …

Mit einer Realisierung dieser Punkte würde dann die Grazer Peinlichkeit sogar noch zu einem guten Ende führen. Damit hätte Moser seine bis jetzt höflich ausgedrückte eher unglückliche Ministertätigkeit sogar noch ins Positive gewandelt.

PS: Noch ein anderes Strafverfahren hat fast gleichzeitig den dringenden Bedarf einer Gesetzesänderung gezeigt: Ein gerade wegen einer brutalen Vergewaltigung zu 15 Jahren verurteilter Mann konnte sich auf dem Weg vom Landesgericht zum benachbarten Gefängnis auf der Straße von drei Polizisten losreißen. Weil zwei davon Frauen waren (eine kabarettreife Zusatzpointe, die aber nicht die Justiz, sondern die Wiener Polizeidirektion und die feministische Fiktion blamiert, eine Frau wäre ein genauso guter Polizist wie ein Mann). Weil die Polizisten darauf verzichtet hatten, ihm Handschellen anzulegen. Und weil sie den durchaus vorhandenen direkten, gebäudeinternen Weg vom Gericht zum Gefängnis nicht gehen durften, da sie Polizisten sind und nicht Justizwachebeamte. Dieses faschingsreife Verbot haben irgendwelche paragraphenreitende Juristen angeblich aus den Gesetzen herausgelesen. Da nicht immer ein mutiger Passant da ist, um einen solchen Ausbrecher wieder einzufangen helfen, und da manche österreichische Beamte nicht dem gesunden Menschenverstand folgen, sondern stur an ein dogmatisches Legalitätsprinzips glaubend nur Paragraphen, wird wohl nichts übrigbleiben, auch wegen dieser Absurdität Gesetze zu ändern. Damit auch hier wieder Vernunft und Common Sense in die Strafjustiz einkehrt.

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