Das Lob eines Lehrers kann eine vertrauensfördernde pädagogische Maßnahme sein, um einen Schüler dahin zu bringen, dass er es verdient. Der Wunsch des Schülers, ein Lob zu verdienen, soll seine guten Absichten stärken und seine Leistungen verbessern.
"Lob verleiht Flügel". "Wer Lob sät, wird Leistung ernten". Lob kann als Herausforderung im Rahmen eines "Förderns durch Fordern" dienen.
Es gibt in den Schulen ein hilfreiches und belehrendes Lob, das die Jugendlichen dazu anregt, sich des Lobes würdig zu erweisen, aber es gibt auch die ("gut gemeinte") Täuschung durch ein unverdientes und ungerechtes Lob.
Es gibt sogar Schulen, in denen Schüler wegen ihrer sozial(istisch)en Kompetenz, wegen "Teamfähigkeit" gelobt werden, wenn sie den Vorrang des Kollektivs, die "Einschmelzung des Einzelnen", Homogenität in der Gruppe, Zwangssolidarität, ein harmonisches Lösen von Problemen sowie eine (sach)konfliktlose und wettbewerbsfreie Gemeinschaft akzeptieren, befürworten und propagieren.
Individual-, wettbewerbs- und sozialethische Überzeugungen, die sich an Selbständigkeit, an Eigenverantwortung, an Zivilcourage, an Eigenleistungen, an Vielfalt und an einem offenen Austragen von Konflikten im geistigen Wettstreit mit Argumenten für bessere Lösungen orientieren, sind in diesen Schulen leider nicht des Lobes würdig.
Permanentes "falsches Lob" dient nicht der Anerkennung von wirklich erbrachten Leistungen, sondern bloß als List (im Dienste einer Ideologie) oder als "Umverteilungsinstrument".
Wenn auch jene Schüler, die keine entsprechenden Leistungen (Ergebnisse!) erbringen, ständig gelobt werden, dann dient Lob nicht mehr der Erkenntnis von Wirklichkeit, der eigenen Grenzen und der Bescheidenheit, sondern der Eitelkeit, der Überheblichkeit, der Verführung zu Realitätsverlusten und der Konstruktion von Scheinwelten. Ungerechtes Lob bewirkt einen Verlust an Urteilskraft, Selbsttäuschung und Selbstgefälligkeit.
Zahlreiche Schüler, die ein Lob auf Grund ihrer Leistungen nicht verdienen und trotzdem immer wieder (verbal und mit besseren Noten) gelobt werden, entwickeln eine Kritikempfindlichkeit und eine Unfähigkeit, die Wahrheit zu ertragen. Sie trauen sich zu viel zu und wollen immer mehr unverdientes Lob in Anspruch nehmen. Wenn sie dieses Lob dann nicht erhalten, dann werden sie unzufrieden und verhaltensoriginell!
Immer mehr überforderte Jugendliche (auch die durch Unterforderung überforderten Schüler!) in den Wiener Schulen sind Opfer einer Lobumverteilungsspirale im Dienste einer egalitaristischen Ideologie. Die gezielte Umverteilung von Lob an leistungsunwillig(er)e und leistungsschwächere Schüler höhlt nicht nur den Fairnessgedanken aus und benachteiligt die leistungsbereiteren und leistungsfähigeren Schüler, sondern führt (im Rahmen einer Prinzessinnen- und Prinzenerziehung) auch zu einem unsozialen Verhalten.
"Lernen durch Lob" kann gelingen, wenn Lob (als sinnvolle Investition) auch bescheiden macht und wenn die Jugendlichen das Lob als Impuls für bessere Leistungen betrachten. Sogar ein "Lob der Erkenntnis des Nichtwissens" kann ermutigen, das Vertrauen fördern.
Erasmus von Rotterdam hat die Torheit gelobt, die Illusion und den Selbstbetrug. Er wusste, dass "die Welt getäuscht sein will" und er erkannte "die Würze und die Stärke der Torheit". Erasmus war davon überzeugt, dass "Toren glücklich sind" und, dass es "ein Vorrecht der Toren sei, die Wahrheit sagen zu dürfen"!
Es gibt auch ein Lob der Wahrhaftigkeit. Schüler mit Hausverstand sagen den Autoritäten auch die Wahrheit!
Freiheitsliebende Schüler wissen, dass ein Lob ihre Freiheit einengen kann, da mit dem Lob auch Erwartungen der Lobenden verbunden sein können. Trotzdem sind diese Jugendlichen machtlos gegenüber dem Lob. Auch sie können nur zuhören und das Lob ertragen lernen, wenn sie gelobt werden. Falls sie das Lob zurückweisen, dann vermuten ihre Mitschüler und ihre Lehrer möglicherweise, dass sie noch mehr gelobt werden wollen.
Josef Stargl ist AHS-Lehrer in Ruhe und ein Freund der Freiheit.