Als unheilvoll-schwangerer Cassandra-Rufer in zuhörerleerer Wüste – so muss sich der (vor dem neuen Zeitgeist benommene) österreichische grüne Bundespräsident Van der Bellen (VdB) fühlen. Seine öffentlichen Statements zu allerlei-haften Themen wirken kraftlos-verkommen, wie aus der Zeit gefallen. Auch sein medialer Flankenschutz, der ORF-Willfährigkeits-Journalismus, hat sich abgenutzt.
Ein neuer Diskursstil, gespeist aus der Implosionsenergie des alternativ-linken Narrativs vom Multikulti-Internationalismus, hat sich etabliert. Im Habitus eines Sektierer-Predigers "warnt" der Bundespräsident "angesichts der Flüchtlingsdebatte eindringlich vor einem Rückfall in Nationalismen: Europa" – so seine fatale Einschätzung – stehe "an einem Scheideweg". (ORF zitiert VdB)
Drei unendlich lange Jahre benötigte für diese Einsicht (ausgehend vom Refjutschie-Katastrophenjahr 2015) der (mittlerweile auch geistig) Emeritierte aus dem Tiroler Kaunertal. Doch in seinem heimelig-machtverliebten Amtsraum, dem Maria-Theresia-Zimmer in der kaiserlichen Wiener Hofburg gelten eben andere Zeitmaßstäbe. Und die Geschichte ist ein nachhaltig-rollendes Rad. Auch blieb Van der Bellen insgeheim ein verschroben-postmoderner josephinistisch-aufgeklärter Absolutist: Dem Irrtum nachhängend, "alles für das Volk, aber nichts durch das Volk" vervollständigen zu müssen. (Woran schon Maria Theresias Sohn grandios scheiterte und umso mehr gehasst wurde… Wollte er doch beispielsweise eine Recycling-Fallsarg einführen.)
Unter dieser Prämisse hatten nämlich gerade er (und seine libertinär-nihilistischen Kompagnons im fernen Brüssel) jene Flüchtlings-Welle geifernd-wohlwollend beäugt: Nun wird diese Besserwisser-Ignoranz ("Was die Flüchtlinge uns bringen ist wertvoller als Gold." - Ex-EU-Parlamentspräsident Martin Schulz) von deren fatalen gesellschaftlichen Nachwirkungen liquidiert.
Langsam dämmert es ihnen allen: "In einer ’alles andere‘ als einfachen ‚weltpolitischen Situation‘ drohe der EU und Österreich ein Bedeutungsverlust." (ORF zitiert VdB) Wann war die weltpolitische Situation denn je einfach? 1914, 1918, 1933, 1939, 1945, 1956, 1961, 1968, 1989, 2008, 2015? Doch legt sich Unser-Herr-Bundespräsident die Krise des alt-linken Welterklärungsmusters freilich mit pseudo-weltmännisch-lässigem Weitblick relativierend zurecht: "Klimawandel und der drohende Handelskrieg mit den USA seien zudem größere Probleme." (ORF) Leider liegen den Österreichern die Auswirkungen der Refjutschie-Crisis eben wie das Hemd näher als die Hose. An dieser typisch menschlichen Verfasstheit, nämlich zuallererst auf real greifbare Bedrohungen zu reagieren, implodiert nun das mentale Gespinst vom Hyper-Internationalismus, das sich während der letzten Jahrzehnte des Wohlfahrtsstaates (von 1968-2015) wie ein Sumpfdotter-Geblümst selbst hypertrophiert hat.
Dunkle Vorahnungen scheinen selbst dem Präsidenten nicht verschont geblieben: "Europa müsse sich entscheiden: … Weitermachen wie bisher und zusehen, wie die EU … auf der Weltbühne an Bedeutung verlier(t)?‘" (ORF zitiert VdB) Doch genau diesen Bedeutungsverlust hatte gerade er vor kurzem noch beflissentlich befeuert.
Seine verspätete Erkenntnis kommt zu spät; auch deshalb, weil ihr keine Selbstkritik zu Fuße liegt. Der insgeheime Wunsch "Weitermachen wie bisher" betrifft doch vor allem die nun überholte geistige 68er-Verfasstheit der westlichen Gutmensch-Eliten mit ihrer ersatz-religiösen Welcome-Open-Border-Politik. Wie aber hätte es denn möglich (gewesen) sein sollen, "ein starkes Europa (zu) wollen, das in der Welt gehört wird, weil es mit einer Stimme spricht"? (VdB) Genau diese altbacken-linken Brüsseler Chefideologen nahmen nicht einmal Europas eigene Grenzen wahr und ernst; getrieben von der Wahnidee, ein supranationalistisches Multikulti-Gebilde in die Wege zu leiten, das mit der 2000-jährigen Kulturgeschichte Europas nichts mehr zu tun haben wollte.
Kritische Meinungen diesbezüglich ("Länder haben Grenzen. Was keine Grenzen hat, ist kein Land." - Orban) wurden entweder lächerlich gemacht oder mit Gumensch-Flüchen überzogen. Keine noch so theatralisch wiederholte Weltverbesserungs-Rhetorik kann das mehr kaschieren: "Er selbst wolle ein starkes, vereintes Europa, (…). ’Ich hoffe, dass der ‚Brexit‘ uns allen eine ausreichende Warnung ist.‘" (ORF zitiert VdB) Meint er damit sich selbst? Haben doch gerade die katastrophalen Auswirkungen der Open-Border-Politik ja mit zum Brexit geführt…
Und so fordert Van der Bellen plötzlich genau das, was er am Höhepunkt der Refjutschie-Crisis 15, in Aussicht auf ein links-alternatives Endsiegs-Phantasma verweigert hatte: Zusammengehörigkeit – auch mit dem Osten Europas. Nun auf einmal müsse "in all diesen Fragen die EU (…) gemeinsam vorgehen", weil "bei der Migration die Gefahr eines Dominoeffektes durch nationale Alleingänge" bestehe. (ORF - VdB)
Doch ist Geschichte auch berühmt für ihren Sarkasmus: Erst durch eine Jahrtausend-Refjutschie-Crisis war der wohlstands-anästhesierte Westen zum Aufwachen genötigt. Und es ist gerade dieser Dominoeffekt des Grenzen-Dichtmachens, der Europa zumindest noch einmal eine letzte Chance am Scheideweg zwischen Selbstbesinnung oder Selbstaufgabe eröffnet.
Als Spätvertreter eines (gnadenlos gescheiterten) Gutmensch-Weltbildes zieht Van der Bellen mittlerweile die Philanthropen-Fahne selber langsam ein: So "verwies auch er darauf, dass die Zahl der Schutzsuchenden deutlich zurückgegangen und die Lage ’unter Kontrolle‘ sei. Es sei aber legitim und sinnvoll, sich auf mögliche künftige Entwicklungen vorzubereiten." (VdB) Nichts belegt deutlicher die Implosion alt-linken Denkens, als dass ein grün-linker Laisser-Faire-Polit-Phantast nun plötzlich den Law-and-Order-Begriff "Kontrolle über Flüchtlingsströme" für sich zu beschlagnahmen verbrämt.
Totgesagte leben länger
Dabei wurde doch nichts sehnlichst-aggressiver herbei beschworen als das Ende der europäischen Nationalstaaten. Noch im Dezember 2015 rief der sogenannte "freie" Schriftsteller Menasse couragiert zum "Kampfe gegen die Renationalisierung Europas" auf: "Die europäische Idee ist nicht ein friedliches Zusammenleben von Nationalstaaten", sondern "die Überwindung von Nationalstaaten. Solange es Nationalstaaten gibt, wird es Nationalisten geben, und solange es Nationalisten gibt, werden wir Probleme haben." Formuliert in mäßig-stilvoller Rhetorik.
Durchgesetzt hat sich aber nun gerade diese Re-Nationalisierung. Davon zeugt das immer hysterischer artikulierte Warngeheul alt-linker Soziologen (angesichts der Fußball-Begeisterungs-Psychose): "Nationalflaggenverkäufer dürften derzeit wieder gute Geschäfte machen … Überall schwenken Fußballfans stolz ihre Fahnen." (ORF) Entgeistert malen Gutmensch-Pamphletisten den erneuten Ausbruch dieses Nationalismus-Teufels an die Wand: "Harmlos" wäre "das laut Experten aber nicht. Denn die Grenze zwischen Patriotismus und Nationalismus" wäre eben "fließend." (ORF) So als hätte die Herrschaft des Bösen die Welt längst wieder im Würgegriff - wie zu Adolfs Zeiten…
Die rassistischen Beleidigungen gegenüber dem schwedischen Mittelfeldspieler Durmaz, türkischer Abstammung, werden somit als Menetekel gedeutet: Weil er im WM-Spiel jenen Freistoß verursacht hatte, der zum 2:1-Sieg für Deutschland führte, wurde er in Sozialen Netzwerken rassistisch angefeindet. So hilflos, wie auf Terroranschläge mit dem Aufstellen von Teddys zu antworten, kramt der ORF im ewig-gleichen altbacken-linken Begriffs-Sammelsurium herum: "Die Antwort seines Teams: Fuck Racism." (ORF)
Aus dieser Hilflosigkeit heraus werden sodann sogenannte Experten aufgereiht, um zu belegen "wie schnell Fanpatriotismus in Nationalismus und Rassismus umschlagen" könne, und wie "die positive Bezugnahme auf das eigene Heimatland der Kern" für "patriotische als auch nationalistische Einstellungen" wären. (Nationalismusforscher(!) Brentin gegenüber ORF)
Allein: Dieses Gut-Menschen-Schlecht-Gewissen affiziert niemanden mehr. Wer war doch noch einmal Johannes Rau? "Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet." (ORF zitiert Rau) Nie gehört? Doch, der war einmal deutscher Bundespräsident (1999-2004).
Sogar eine neue Berufssparte gibt es mittlerweile innerhalb der Soziologenzunft, den "Fankulturforscher" (ORF): Wir alle müssten eben "wachsam sein …, wie unsere Begeisterung für … Nationalmannschaften keine Bühne für Nationalismus oder Rassismus darstellt". (ORF zitiert Soziologe Pilz via "DieZeit")
Doch findet dieser Selbstkasteiungs-Schuldkomplex keine Opfer mehr. Beim besten Willen sind nämlich die katastrophalen Folgen der Open-Border-Politik einfach nicht mehr zu übersehen: In Fremdkulturen-Nischen haben sich längst aggressive Neozyten breitgemacht: Kriminelle arabische Familienclans, Kurdendemos gegen Türken oder umgekehrt, Pro-Erdogan-Aufmärsche, innerkulturell-rassistische Messerstechereien zwischen afghanischen und tschetschenischen Jugendgangs, Ausschreitungen ausländischer Fußballfans, tschetschenische Sittenwächter auf der Jagd nach Oben-Ohne-Badenden …
Und: All diese mögen sich partout nicht an das Multi-Kulti-Bullerbüh-Glaubensbekenntnis vom "Wir-sind-jetzt-aber-mal-alle-tolerant-zueinander!" halten. Dazu braucht es auch keine Fußballweltmeisterschaften, "bei (denen) soziologisch gesehen … eine starke Verbundenheit mit … einer Nation entstehe", weswegen "jeder Sieg … so zu einem anschaulichen Exempel für die … Überlegenheit der eigenen Nation" würde (ORF – Mutz).
Von neuem schlägt das Hegelsche Geschichtspendel wieder zurück. In Wirklichkeit sind die Warnungen linker Soziologen vor dem Schreckgespenst "Nation" ("vor einer Enttabuisierung nationaler Symbolik und Re-Etablierung nationalistischer Denkmuster" – ORF zitiert Brentin) nichts anderes als das Eingeständnis tief verwurzelter, urmenschlicher Territorial-Reflexe und Abwehrmechanismen gegen das Fremde an sich. Ja mehr noch: Durch die Verdrängung und Verteufelung dieser Ur-Überlebensmechanismen erfahren diese jetzt einen gewaltigen politischen Backslash:
"Der Aufschwung der politischen Rechten … führt zwangsläufig zu einer kritischeren Auseinandersetzung mit der Banalität nationaler Symbole und der Normalisierung von Nationalstolz." (ORF - Brentin) Außer ein paar (um ihre Einkommensquelle und Reputation zitternden) linken Soziologen, Schriftsteller oder Politiker kümmert das freilich kaum mehr jemanden. Die Karawane ist längst schon an ihnen vorbeigezogen, als bellende Hunde wurden sie zurückgelassen in einer zuhörer-entleerten Wüste.
Auch der verzweifelte Appell an die multi-ethnische Zusammensetzung von "Nationalmannschaften" mit "Migrationshintergrund" als "Spiegelbild demografischer Realitäten" (ORF – Brentin) verhallt im Leeren. Und langsam dräut es auch den härtest-gesottenen Mutikulti-Frenetikern: "Das Vorhandensein multipler Identitäten wird oft als Illoyalität oder gar Staatsverrat gesehen." (ORF - Brentin) Das wurde jedenfalls den deutschen Nationalspielern Özil und Güdogan vorgeworfen, nachdem sie mit dem türkischen Ministerpräsidenten posiert hatten. Sowie die Einsicht, dass "nationale Fußballteams (plötzlich wieder) sehr zeitgemäß" wären (Brentin).
Vom Untergang der "Pax Romana" zum postmodernen Wohlstands-Paradies
Anthropologen wissen folgendes eigenartige Verhalten des modernen Menschen hintergründig zu interpretieren: Betritt ein Zugreisender zuerst ein freies Abteil, macht er es sich darin erst einmal gemütlich. Dringt ein Fremder in dieses von ihm somit beanspruchte Territorium ein, wird dieser als potentiell feindlicher Eindringling beargwöhnt, der sehr wahrscheinlich an der anderen Ecke Platz nimmt. Nach einer kurzen Kennenlernphase wird obiges Abschottungs-Verhalten auf alle weiteren Eindringlinge übertragen.
Man kann jetzt natürlich diesen Urinstinkt für primitiv erachten. Wenn da nur nicht dieser Silvester-Vergewaltigungs-Reigen 2015/16 auf dem Domplatz zu Köln gewesen wäre und sich wie ein historisch-banalisiertes Deja-Vue-Erlebnis (von Alarichs Plünderung des antiken Roms) ins postmoderne Kollektiv-Gedächtnis eingebrannt hat (und auch nicht die vielen anderen Vergewaltigungen durch fremdländische Männer aus Fernkulturen mit anderen "Wert"maßstäben).
Wen wundert es also, wenn "die zunehmende nationale Abschottung und der politische Erfolg nationalistischer Parteien in ganz Europa nahelegen, dass im Sport an Nationalteams als dominante Form der gesellschaftlichen Repräsentation momentan kein Weg vorbeiführt." (ORF – Brentin)
Wie gesagt: Zurückgeblieben sind ein paar (durch nichts und niemanden zu bekehrende) Gutmensch-Soziologen, die weiterhin in die unendliche Gleichgültigkeit des Universums hinein ihren Sermon von der "Zukunft andere(r) Repräsentationsformen … über den Nationalstaat hinaus" (ORF – Brentin) herbei phantasieren.
Nichtsdestotrotz hat sich auch der postmoderne Mensch einen Instinkt bewahrt aus Gründen eines Daseins-Zustandes auf einem letztlich undurchsichtigen Planeten, auf dem man um seinen Platz kämpfen muss. Denn erst durch die Aushöhlung europäischer Nationalstaaten wurde ein Vakuum geschaffen, in dem andere Nationalismen um ihre Vormacht streiten. Wie nämlich soll dieser multi-ethnische neue Mensch denn gefälligst aussehen? Bei all den unzähligen globalen Verschiedenheiten politischer, religiöser, kultureller, klimatischer, sprachlicher, rassischer, historischer Natur, die wiederum nur neue Gruppen-Identitäten schaffen.
Mit der Refjutschie-Crisis 2015 endet im abgeschottet westeuropäischen Wohlstands-Anything-Goes-Schlaraffenland jene krisen-befreite Nachkriegsepoche (mit ihrem Höhepunkt von 1968-2015). Historisch vergleichbar mit der antiken Friedensordnung, der Pax Romana (27v. – 180 n. Chr.), welche eine sagenhafte Stabilität, Sicherheit und Wohlstand im römischen Reich installierte.
"Weshalb (aber) hat die reiche, hochentwickelte römische Zivilisation dem Druck armer, barbarischer Nachbarn nicht standgehalten"? (Demand): Waren es "Dekadenz", eine "im Wohlstand bequem gewordene Gesellschaft, die das süße Leben des Einzelnen erstrebte, aber den vitalen und aktiven Germanenhorden nichts entgegenzusetzen hatte"? Das Schlüsselwort: gescheiterte Integration: "Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten und als eigenständige handlungsfähige Gruppen organisiert waren, verschob sich das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf." (Demand)
Ob Europa nach dem ersten antik-römischen den zweiten, den christlich-abendländischen Kulturkollaps aufhalten kann, wird die Geschichte weisen… Vieles spricht dagegen:
Etwa dass selbst nach den Kölner Silvester-Übergriffen nicht einmal konservative Denkschulen couragiert genug zur Wahrheit waren: Demand’s Abhandlung "Untergang des Römischen Reichs - Das Ende der alten Ordnung" (21.1.2016) wurde nämlich nach den Kölner Silvester-Sexübergriffen aufgrund politisch-korrekter Ängste zurückgezogen, der "Text könnte (…) von böswilliger Seite (…) missinterpretiert werden." (Chefredakteur der von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebenen Zeitschrift "Die politische Meinung", die den Text eigens mit Blick auf die Flüchtlingskrise bestellt hatte. (ebenda)
Dr. Elmar Forster ist Lehrer und lebt(e) seit 1992 als Auslandsösterreicher in Ungarn, Prag, Bratislava, Polen, Siebenbürgen (Rumänien).