Knalleffekt im Ramadan

Warum die öffentlichkeitswirksam angekündigten Maßnahmen der Regierung nur sehr teilweise funktionieren werden, und warum deshalb das Islamgesetz jetzt sofort reformiert werden muss.Der 8. Juni 2018 wird in jedem Fall in die Politikgeschichte der Republik Österreich eingehen. Zur ungewöhnlichen Uhrzeit, um 8.00 Uhr Früh, präsentierte die Regierung ein Paket von Maßnahmen und Vorhaben, mit denen Missbräuche und staatsfeindliche Umtriebe, die sich in Teilen der islamischen Community etabliert hatten, abgestellt werden sollen. Mit Statements von Bundeskanzler Kurz, Vizekanzler Strache, Kanzleramts- (und damit Kultus-)minister Blümel sowie Innenminister Kickl wurde dieses Anliegen mit einem Ausmaß an personeller Präsenz und Entschlossenheit präsentiert, das in der zweiten Republik kein Beispiel hat.

Das Thema "Staat und Islam" auf diese Weise öffentlich zur interministeriellen Causa prima zu machen, ist bemerkenswert und verdient großes Lob. Die enorme mediale Resonanz (von Perchtoldsdorf bis Washington) dieser Inszenierung gibt der Regierung in ihrer Öffentlichkeitsarbeit ebenso recht wie die durchwegs zustimmenden Reaktionen einer ansonsten reflexhaft nörgelnden Opposition. Beides signalisiert insbesondere, dass der weitaus überwiegende Teil der österreichischen Bevölkerung jede Art der Beschwichtigung, ja Herumlügerei über gewisser Zustände und Ereignisse innerhalb der islamischen Community endgültig satt hat und die erkennbar wachsenden Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Alltagskultur nicht mehr hinzunehmen bereit ist.

Die Darstellungen der Regierungsmitglieder gingen, besonders jede für sich genommen, zweifellos genau in die richtige Richtung. Kurz: "Die Idee des Islamgesetzes (2015) war es, politischen Auslandseinfluss durch das Verbot der Auslandsfinanzierung (islamischer Gemeinschaften, Anm.) zu verhindern." Strache: "Es geht darum, den radikalen politischen Islam zu bekämpfen. Hasspredigten und der Missbrauch des Religionsunterrichtes zur Indoktrination müssen unterbunden werden." Blümel: "Illegale Moscheenbetriebe müssen untersagt und notfalls geschlossen werden. Das Kultusamt muss die Gesetzeskonformität der Einrichtungen prüfen." Kickl: "ATIB (Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich, Anm.) verstößt gegen das Gesetz. Imame werden aus dem Ausland finanziert. Verschiedene Vorgänge in den Vereinen sind als politisch radikal einzustufen."

Folgende Schritte hat die Regierung als unmittelbar bevorstehende bzw. bereits in Bearbeitung befindliche Maßnahmen angekündigt:

  1. Schließung einer Moschee im 10. Bezirk in Wien, in der der "Wolfsgruß" in Verwendung sei, die die rechtsextreme Ideologie der Grauen Wölfe vertreten würde. Die Moschee sei illegal, hier gebe es sogar eine Meldung der IGGiÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich).
  2. Auflösung der "Arabischen Kultusgemeinde". Diese hätte einen "salafistischen Hintergrund" und würde damit den politischen Islam repräsentieren. Ein Auflösungsbescheid des Kultusamtes würde bereits vorliegen.
  3. Aufhebung von aktuellen Aufenthaltstiteln von (ATIB-)Imamen bzw. Verweigerung der Neuausstellung bzw. Verlängerung, da diese aus dem Ausland besoldet werden, was gegen das Auslandsfinanzierungsverbot verstoßen würde. Aktuell ginge es um elf Fälle, insgesamt um vierzig.
  4. Das Kultusamt sei mit der Überprüfung der Moscheenbetriebe im Hinblick auf mögliche weitere Fälle der Auslandsfinanzierung (auch unter Berücksichtigung allfälliger Umgehungskonstruktionen) sowie der Prüfung von Aktivitäten beauftragt, die den Prinzipien der "positiven Grundeinstellung von Staat und Gesellschaft in Österreich" verstoßen könnten. Darunter könnten "salafistische Positionen" oder bestimmte Umtriebe in der Jugendarbeit ("Kriegs-Nachstellung im Kindergarten") fallen.
  5. Aus den Untersuchungen können sich weitere Schließungen von Moscheen und anderer Einrichtungen ergeben.

Die Maßnahmen scheinen auf den ersten Blick überzeugend und vernünftig. Kaum jemand in Österreich würde sich nicht wünschen, dass sie Erfolg haben. Allerdings fragt man sich, ob und inwieweit ihre Umsetzung realistisch ist. Dies hängt in erster Linie von der Vollzugsgrundlage, die die Behörde zu legalem Handeln berechtigt, ab. Diesbezüglich wurden von den Ministern folgende Gesetze genannt bzw. auf folgende Behörden verwiesen, die den Vollzug umzusetzen hätten:

  • Das Islamgesetz 2015. Umsetzungsbehörde ist primär das Kultusamt, das dem Bundeskanzleramt als Abteilung untersteht.
  • Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, dessen Vollzugskompetenz das Innenministerium ausübt.
  • Das Vereinsgesetz. Es wird von den Landesvereinsbehörden exekutiert, die dem Innenministerium unterstehen.

Bevor die Haltbarkeit der Vollzugsgrundlage und der Wahrscheinlichkeitsgrad der Durchsetzung der angekündigten Maßnahmen untersucht werden, sei folgende Bemerkung eingefügt:

In den letzten Jahren wurden behördlicherseits mehrere Versuche in Angriff genommen, um der stetigen, wildwüchsigen Ausdehnung des Islam-Sektors, der Radikalisierung vieler seiner Protagonisten und der Verschränkung mit den politischen Zielsetzungen in- und ausländischer Organisationen und Handlungsträger Einhalt zu gebieten. Darunter waren ganz ähnliche Versuche wie die jetzt verkündeten. Es ist wahr, dass diese nicht so öffentlichkeitswirksam und keineswegs mit derart massivem politischem Willen unterlegt und betrieben wurden, wie dies diesmal der Fall ist. Faktum ist aber, dass keiner dieser Versuche auch nur irgendeinen Erfolg zeitigte. Vielmehr haben die Umgehungsmaßnahmen, die Umleitung und Verlagerung von Aktivitäten in unterschiedliche, immer zahlreicher werdende institutionelle Substrate und der faktische (politische und externe) Druck auf die Behörde zur Kooperation bei diversen Kompensationsmaßnahmen stets dazu geführt, dass der Islamsektor letztlich gestärkt und stabilisiert wurde, und meist auch vergrößert aus solchen Versuchen der "Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit" hervorgegangen ist.

Dies war (zumindest aus der Sicht derer, die den säkularen Staat verteidigen wollten) auch einer der Gründe für die Initiative zur Erneuerung der Islamgesetzgebung, die schließlich zum Beschluss des neuen Islamgesetzes 2015 führte. Dieses wird von der Regierung nunmehr als wichtigste Ressource zur Durchsetzung der angestrebten Ziele betrachtet. Das genau ist der Schwachpunkt des Projektes. So sehr die Regierung in Bezug auf diese ihre Ziele zu unterstützen und für ihre enorme Initiativkraft zu loben ist, muss ihre Einschätzung der instrumentellen Ebene als weitgehend unrealistisch begriffen werden.

Der erforderliche Beleg für diese Feststellung muss sich in der folgenden Analyse überwiegend auf bloße Behauptungen beschränken, da die Darstellung der komplexen legistischen, institutionellen, islamspezifischen und politischen Gefüges, dessen grundlegendes Verständnis hier erforderlich wäre, in diesem kleinen Aufsatz nicht erbracht werden kann. Es sei allerdings versichert, dass die entsprechende Analyse vorliegt. Hier also nur ein bloßes "Filtrat" davon:

Die langjährigen Initiatoren der Erneuerung des Islamgesetzes hatten bereits seit fast einem Jahrzehnt drei Prinzipien vorgeschlagen, die den Islamsektor entsprechend den Interessen der Republik neu ordnen und die Erhaltung des religiösen Friedens im Land sicherstellen sollten:

  1. Die Verpflichtung zur Offenlegung der Glaubensgrundlagen (inkl. deutschsprachiger Übersetzung von Koran und Ahadith), um einen Maßstab für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit den Gesetzen und Sitten des Landes zu besitzen.
  2. Die Auflösung des unkontrollierbaren Wildwuchses an Einrichtungen des islamischen Religionsvollzuges, der sich quantitativ und inhaltlich jeder Kontrolle durch die Behörde und jeder Verantwortung durch die gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft entzieht. Damit verbunden das Verbot des Moscheen-Betriebes in Vereinen.
  3. Das Verbot der Finanzierung österreichischer Islam-Einrichtungen durch ausländische Staaten oder Einrichtungen/Organisationen ("Auslandsfinanzierung"), um radikalisierenden Einfluss von außerhalb Österreichs einzudämmen.

Diesen Vorschlägen scheint im Islamgesetz 2015 auch entsprochen worden zu sein. Dies ist allerdings nur auf einer nominellen, terminologischen Ebene der Fall, während die konkrete legistische Konstruktion die genau gegenteilige Wirkung hat:

Ad 1. Die "Offenlegung" wurde im Islamgesetz so normiert, dass sie keine Verpflichtung gegenüber dem Staat, sondern eine sog. "innere Angelegenheit" der Glaubensgemeinschaft darstellt, weil sie nämlich als Teil deren "Verfassung" ausgefertigt wird. (§ 6) Das Kultusamt hat demgemäß ein siebenseitiges, vollkommen inhaltsloses Pamphlet als "Lehre" der IGGiÖ akzeptiert, in dem sogar Sklaverei verharmlost wird, und das nach außen völlig unverbindlich ist.

Ad 2. Aufgrund scheinbar bedeutungsloser Nebensätze (in § 8) werden neben der Glaubensgemeinschaft und den "Kultusgemeinden" implizit sehr wohl auch Vereine als Trägereinrichtungen von Moscheen zugelassen. Damit wird der Moscheen-Wildwuchs sogar noch geschützt, indem er durch die Zwischenschaltung der "Kultusgemeinden" dem Behördenzugriff entzogen wird.

Ad 3. Das Verbot der "Auslandsfinanzierung" besteht im Islamgesetz erstens nur indirekt ("finanzielle Eigenständigkeit", § 6 Abs. 2) und zweitens nicht für Vereine. Die Absurdität der Folgen des Islamgesetzes geht so weit, dass die Behörden (Kultusamt und Vereinsbehörden) die Unterstellung der bosnischen Moscheen in Österreich unter die (saudi-arabisch dominierte) bosnische Religionsbehörde RIJASET 2016 ganz offiziell gestattet hat (gestatten musste?).

Zu den genannten Defiziten kommt u.a. noch ein Faktum, das den betreffenden (politischen und behördlichen) Handlungsträgern offenbar völlig unbekannt ist. Das Islamgesetz 2015 hat nämlich die Festlegung des Islamgesetzes 1912 aufgehoben, nach der der Islam "eine gesetzlich anerkannte Religion" ist. "Der Islam" selbst ist nicht Gegenstand des Islamgesetzes. Dieses normiert jetzt nur noch die Zulassungsbedingungen islamischer Glaubensgesellschaften. Nachdem diese aber laut Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis 1988) keinen Alleinvertretungsanspruch (mehr) haben, können andere Gruppen die korporative Religionsfreiheit in jeder beliebigen Rechtsform aufnehmen und bei Bedarf einfach behaupten, dass sie eine Lehre vertreten, die von der der IGGiÖ abweicht. Und nachdem kein Gesetz die Vereinsform ausschließt, ist dies eben auch in Form eines Vereines möglich.

Unter Nutzung des dargestellten rechtlichen Rahmens hat sich die Realverfassung des Islam-Sektors in Österreich in folgender Konstellation ausgebildet:

Das "Dach" des Islam-Sektors bildet die gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft IGGiÖ. Sie ist der "politische Player" in Österreich, besorgt die Öffentlichkeitsarbeit, macht den "interreligiösen Dialog" zur Beschwichtigung, organisiert den Religionsunterricht und stellt Forderungen an den Staat. "Unter" ihr stehen "Kultusgemeinden", die nach dem Gesetz gleichzeitig Mitglieder der IGGiÖ und "Personen öffentlichen Rechts" sind. Viele von diesen wurden von den Einrichtungen der dritten Ebene, den Moscheenvereinen, überhaupt erst gegründet, um einerseits unter dem Schirm der IGGiÖ sozusagen in Ruhe gelassen zu werden, und andererseits ungestört ihr rituelles Eigenleben entfalten zu können. Das System könnte also als "Konzernholding des Islam" bezeichnet werden.

Die Ebene der IGGiÖ ist eine zutiefst politische. Ihre "Hocharistokratie" gliedert sich in zwei Machtbereiche, den arabischen und den türkischen. Letzterer zerfällt wieder in das Reich von ATIB (untersteht der türkische Religionsbehörde Dijanet) und der "Islamischen Föderation" (Milli Görüs). Die vielen kleinen ethnisch und national assoziierten Moscheen arrangieren sich mit dem religionsgesellschaftlichen Dach der IGGiÖ auf die eine oder andere Weise. Die jetzt in der Kritik stehende und vor der Auflösung stehende "arabische Kultusgemeinde" mit insgesamt 10 Moscheen ist eben gerade nicht Teil des arabischen Sektors der "IGGiÖ-Hocharistokratie". Sie ist – zum Unterschied von letzterer – beispielsweise keineswegs Bestandteil des Moslembrüder-Netzwerkes in Österreich. Diese "arabische Kultusgemeinde" steht nicht unter der Botmäßigkeit der IGGiÖ und ist daher von dieser "zum Abschuss" freigegeben. Ähnliches gilt für die zur Auflösung freigegebenen "Nasim Abu-Moschee" im 10. Bezirk, die eine Abspaltung von den "Grauen Wölfen" repräsentiert und daher deswegen auch nicht durch die IGGiÖ-Führung gebilligt wird.

Es gibt auf der Basis der hier kurz angerissenen rechtlichen und institutionellen Verhältnisse eine Vielzahl von Möglichkeiten, die von der Regierung jetzt angekündigten Maßnahmen bzw. Verfügungen zu hintertreiben bzw. sich ihnen zu entziehen. Sowohl die IGGiÖ als auch die betroffenen Kultusgemeinden und Vereine haben diesbezüglich bereits unmissverständliche Ankündigungen gemacht. Eine "mathematische Prognose" der nun einsetzenden Entwicklungsschritte kann daher nicht erstellt werden. Wohl aber kann ohne großes Fehlerrisiko eine qualitative Prognose der Entwicklungen der nächsten Monate (und Jahre) vorgenommen werden.

Dieser sollen aber noch drei Bemerkungen vorangestellt werden:

  1. In der Begründung der Maßnahmen (insbesondere der Auflösungen) wird auf den § 4 Abs. 3 des Islamgesetzes verwiesen, in dem tatsächlich von einer eingeforderten "positiven Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" die Rede ist. Aber erstens gilt dies nur als Zulassungskriterium (und nicht für die Auflösung) und zweitens hat es für die Frage von Vereinen überhaupt keinen Belang. Der Begriff "Grundeinstellung" ist überdies kein juristischer Begriff, sondern bestenfalls ein Interpretationskriterium. Es sei übrigens an dieser Stelle davor gewarnt, diesen Begriff zu einer juristischen Kategorie hochzustilisieren. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass er – ähnlich wie jetzt schon der Begriff "Hass" im Verhetzungsparagraphen – zu einem willkürlich einsetzbaren Instrument gegen politische Kritiker jeder Art zum Einsatz gebracht werden könnte.
  2. Der Begriff "salafistische Positionen oder Ansichten" ist ebenfalls denkbar schlecht als Kriterium der Suche nach "Auflösungsgründen" geeignet. Hier rächt sich der seit Jahren allzu lässige Umgang mit wichtigen Begriffen in der öffentlichen Islamdiskussion. "Salafistisch" wird umgangssprachlich mittlerweile als Ausdruck für "terroristisch" verwendet. Obwohl der islamische Terrorismus nicht selten von salafistisch inspirierten Aktivisten betrieben wird, ist die Konnotation dennoch unsinnig. Salafismus ist nämlich nichts anderes als die exterritoriale Variante des (saudischen) Wahabismus, und dieser wiederum ist eine politische Ausprägung des Hanbalismus. Die hanbalitische Rechtsschule ist aber nichts weniger als eine der vier sunnitischen Rechtsschulen, die von der islamischen Glaubensgemeinschaft in ihrer "Lehre" als anerkannte Denkrichtung vorgestellt wurde, was auch vom Kultusamt bescheidmäßig anerkannt werden musste. Auch der sogenannte "Salafismus" eignet sich also schlecht als formales "Auflösungskriterium".
  3. Schließlich werden auch bestimmte einschlägige Verhaltensweisen und Ereignisse als Sachverhalte vorgeführt, die eine Auflösung rechtlich begründen würden. Das Nachstellen kriegerischer Gemetzel durch Kleinkinder im Kindergarten mag wohl dem sittlichen Empfinden des Durchschnittsösterreichers widersprechen, begründet jedoch keinen Auflösungsbescheid. Gegen welches Gesetz sollte es auch verstoßen? Vielleicht mag es das widerspiegeln, was manche unter dem "politischen Islam" verstehen, aber dieser ist noch weniger juristisch zu fassen als alle vorher angeführten Konzepte. Es gibt nämlich schlechterdings keinen "politischen Islam" und zwar u.a. deshalb, weil es auch keinen "nicht-politischen Islam" gibt. Könnte man ernsthaft behaupten, dass die mit der westlichen Gesellschaftsordnung am wenigsten zu vereinbaren islamischen Interdikte, wie die Blutrache, die Polygamie und das Schlagen der Ehefrau (nach Sure 4, 34) Ausdruck eines "politischen" Konzepts sind? Statt dem Phantom des "politischen Islam" hinterher zu laufen, sollte das Rechtsregime, in dem der Staat mit dem islamischen Sektor kommuniziert, den Muslimen besser klarzumachen versuchen, welche Bestandteile des islamischen Glaubensgutes in Österreich grundsätzlich nicht verwirklicht bzw. umgesetzt werden können und dürfen. Jetzt nicht, und auch in Zukunft nicht.

Nach all den gedanklichen Vorbereitungen ist es an dieser Stelle an der Zeit, eine qualitative Prognose für die Umsetzbarkeit der von der Regierung angekündigten Maßnahmen zu wagen:

  1. Die Chancen für die Auflösung der "Arabischen Kultusgemeinde" stehen gut. Als Kultusgemeinde kann sie nur existieren, wenn sie als Bestandteil der Glaubensgesellschaft von dieser akzeptiert wird. Da sie von der IGGiÖ als unbotmäßiger Fremdkörper betrachtet wird, ist ihre Beseitigung so gut wie gewiss. Dies gilt allerdings keineswegs für die ihr zugehörigen Moscheenvereine, die sich vermutlich neu und ganz anders organisieren werden. Im übrigen muss die Behörde hier aufpassen, dass sie nicht einfach zum Erfüllungsgehilfen der IGGiÖ wird.
  2. Die Moscheenvereine werden rechtskräftig derzeit nicht aufgelöst werden können, außer diejenigen, die im Sinne einer beweglichen Kriegsführung auf den Bescheid-Einspruch verzichten und sich einen neuen Verein gründen. Wesentlich ist hier, das das Vereinsgesetz, und das ist ihre alleinige Vollzugsgrundlage, keine Ressource gegen religionsvollziehende Vereine bereithält und auch ein Verbot von Finanzierungen aus dem Ausland nicht kennt.
  3. Die negative Beendigung von Erstantragsverfahren oder Verlängerungsverfahren betreffend Aufenthaltsgenehmigung von Imamen wird – aber wohl auch nur in sehr bescheidenem Ausmaß – funktionieren. Aber Moscheenkomplexe haben vielfältige Möglichkeiten, ausländische Dotationen zu kanalisieren. Einem türkischen Imam, der formal von einer österreichischen Rechtsperson bezahlt wird, kann wohl kaum vorgeworfen werden, dass er kein legales Einkommen im Sinnes des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes bezieht, auch wenn dieses indirekt aus ausländischen Quellen finanziert wird (was er nicht wissen muss). Im übrigen verfügt das Dijanet (das türkische Religionsministerium) über 117.000 Mitarbeiter, aus deren Fundus die Religionsdiener im Rotationsprinzip nach Österreich geschickt werden können, und zwar in so schnellem Wechsel, dass die Behörde in Österreich nicht annähernd mit der Schaffung einer Vollzugrundlage nachkommt.

Die in dieser Analyse zum Ausdruck gebrachten Bedenken dienen keineswegs der Kritik des Regierungsanliegens an sich oder auch nur einer Relativierung. Ganz im Gegenteil kann die Wertschätzung einer derartigen Initiative der türkis-blauen Koalition gar nicht genug zum Ausdruck gebracht werden. Kritische Anmerkungen dienen aber der Ausbildung einer realistischen Sicht des Ausmaßes an Erfolg, das diesem Projekt unter den gegenwärtigen Voraussetzungen beschieden sein dürfte. Und sie dienen vor allem der Einsicht in die unbedingte Notwendigkeit einer Neugestaltung der rechtliche Grundlagen des Umgangs der Republik mit dem Islam, seinem kollektiven Vollzug und seinen Einrichtungen. Nur eine solche Neugestaltung kann die Erfolgsaussichten insgesamt steigern.

Das Islamgesetz 2015 ist, entgegen seinem öffentlichen Image, eine mehr als unzulängliche Vollzugsgrundlage. Aber sein derzeitiger Zustand ist keineswegs gottgegeben. Die Ansätze einer wirksamen Renovierung sind inzwischen ausführlich diskutiert worden und liegen bereit. Die Regierung hat sich schließlich in ihrem eigenen Koalitionsabkommen darauf festgelegt, das Islamgesetz zu novellieren. Sie sollte es angehen.

Islamgesetz erneuern – jetzt, und nicht irgendwann!

Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte politische Ökonomie und Islambeauftragter des Wiener Akademikerbundes.

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