Jetzt, wo sich der Frühling endlich durchgesetzt hat, gehe ich wieder regelmäßig zu Fuß zur Arbeit. Direkt am Weg liegt der Schwarzenbergplatz mit dem Hochstrahlbrunnen und dem Denkmal der Roten Armee. Seit einiger Zeit stehen auf der großen freien Fläche davor Hunderte schwarze Plastikübel mit ramponierten Sträuchern, Bäumchen und anderen Gewächsen. Zunächst wusste ich nicht so recht, was daraus einmal werden sollte. Nichts veränderte sich. Auch nach mehreren Tagen standen die kümmerlichen Kübelpflanzen unverändert kreuz und quer auf dem Platz herum. Nicht gerade eine Augenweide. Seit kurzem gibt es auch eine Holzhütte neben dieser Ansammlung von Plastikkübeln. Eine Infotafel an der Hüttenwand hat mich endlich aufgeklärt. Es handelt sich um ein "mobiles Labyrinth". Darauf wäre ich nie gekommen.
Nun ist ein Labyrinth zwar bekanntlich kein Irrgarten, trotzdem macht es nur Sinn und Spaß, wenn die Wände des Labyrinths halbwegs blickdicht sind. Bei diesem kann man allerdings quer von einer Seite zu andern durch alle Pflanzenwände durchschauen. Das wird sich auch nicht mehr auswachsen, weil man dafür schlicht die falschen Pflanzen gewählt hat.
Was soll das? Da es für diese innerstädtische Gstättn auch eine eigene Webseite gibt, informiere ich mich dort: "Ziel der Outdoor-Ausstellung ‚Sharing Heritage: Labyrinths in Europe‘ ist es, alle Menschen anzusprechen und einzuladen – unabhängig von Einkommen, Herkunft und sozialem Hintergrund. Durch den freien Eintritt und die Präsentation auf dem zentralen Schwarzenbergplatz schaffen wir ein inklusives und partizipatives Erlebnis - sowohl WienerInnen als auch TouristInnen begegnen sich hier."
Ein inklusives Erlebnis! Und partizipativ ist es obendrein. Respekt. Wer den politisch korrekten Slang so gut beherrscht und irgendein lachhaftes Projekt so gut vermarkten kann, der will vor allem eines: Förderungen. Allerdings scheint das nicht so recht geklappt zu haben. Auf der Seite erfährt man: "(…) weil es nun doch KEIN BUDGET (sic) für das Europäische Kulturerbejahr 2018 geben wird, müssen wir weiter Geld sammeln! Bitte unterstützt das Labyrinth am Schwarzenbergplatz mit einer Spende auf unser Vereinskonto:"
So ein Pech aber auch. Zumindest dürfte in das Möchtegern-Labyrinth nicht allzu viel Steuergeld geflossen sein. Immerhin. Ärgerlich ist an der Sache eher, dass alle größeren innerstädtischen Plätze in Wien permanent mit irgendwelchen Hütten, Buden, Bühnen, Stauden, Kinoleinwänden etc. vollgestellt werden. Kirchen, Museen, Theater und andere repräsentative Bauten brauchen, damit ihre Baukunst zur Geltung kommt, große freie Flächen. Werden die Sichtachsen verstellt, wird die sogenannten Lesbarkeit dieser Gebäude eingeschränkt.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Wiener Sozis die schönen Wiener Plätze immer irgendwie anders nutzen müssen. Schließlich sind all die bedeutenden Gebäude, die vor und um diese Plätze stehen, nicht von den Sozialisten gebaut worden. Sie repräsentieren eine andere Zeit, eine andere Weltsicht und eine andere Ideologie.
Das "Wiener Tagebuch" ist eine Kolumne von Werner Reichel mit Wiener Streifzügen und Erkundungen. Werner Reichel ist Autor und Chefredakteur von Frank&Frei – Magazin für Politik, Wirtschaft und Lebensstil.