Justizminister Josef Moser hat berichtet, dass 5.800 Vorschläge zur Abschaffung alter Gesetze eingelangt seien. 2.500 Gesetze wolle er tatsächlich streichen lassen. Gleichzeitig äußerte er sich kritisch zum sogenannten Golden Plating (nunmehr: Gold-Plating), also zur Übererfüllung von EU-Normen. Es solle einen Gesetzesvorschlag geben, der sich gegen Gold-Plating wendet. Dabei hat er offensichtlich übersehen, dass es genau so ein Gesetz bereits gibt. Schon im ersten Paragrafen des Deregulierungsgrundsätzegesetz 2017 heißt es: "Bei der Vorbereitung der Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Union ist darauf zu achten, dass die vorgegebenen Standards nicht ohne Grund übererfüllt werden."
Wenn ein Minister im gleichen Atemzug, mit dem er die Abschaffung von 2.500 Gesetzen ankündigt, die Einführung eines Gesetzes ins Auge fasst, das es schon gibt, hat dies eine unfreiwillig komische Note. Wie oft soll man denn ein Gesetz beschließen, bis es jeder kennt?
Ein Gesetz gegen Gold-Plating ist populistischer Gesetzesschmuck. Genau so könnte man ein Selbstbindungsgesetz beschließen, dass Gesetze kurz, verständlich und lesbar sein sollen – außer das Gegenteil ist gut begründbar. Würde man einen solchen Corporate Governance Kodex für Nationalratsabgeordnete ernst nehmen, dürfte ein Regulierungsungetüm wie das neueste Datenschutzgesetz niemals den Weg ins Bundesgesetzblatt finden.
Absichtserklärungen hinsichtlich der Ausgestaltung von Gesetzen mögen gut klingen, sind aber inhaltlich ohne Wert. In Wirklichkeit könnten sie genauso verwirrend sein wie jene Staatszielbestimmungen, die uns das juristische Destaster um die Dritte Piste eingebrockt hat. Richter eines Verwaltungsgerichts könnten solche Bestimmungen als Hilfe bei der Interpretation materiellrechtlicher Paragrafen heranziehen.
Dass die Streichung obsoleter Bestimmungen irgendwelche Erleichterungen in der täglichen Praxis bringen wird, darf übrigens bezweifelt werden. Totes Recht tut niemandem weh. Man könnte vielmehr fragen, was es mit der Differenz von 3.300 Gesetzen auf sich hat.
Josef Moser erweckt mit seinem quantitativen Zugang zur Justizpolitik den Eindruck, als würde er das zum Besten geben, was irgendein Studienabbrecher aus einer PR-Abteilung der Regierung gerade freigegeben und für gut befunden hat. Da könnte man auch einen drittklassigen Schauspieler zum Minister-Interview abkommandieren. Unabhängig vom propagandistischen Namen seines Ministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – das selbst die meisten Mitarbeiter nur mit nachdenklichen Stottern richtig und vollständig benennen können – ist Josef Moser vor allem eines: Justizminister. Mögen seine Präferenzen auch woanders liegen. Daher muss er sich auch um die Justiz kümmern.
So hätte man sich schon bei seinem Interview zur BVT-Affäre wünschen können, dass Josef Moser zum eigenartigen Zustandekommen des Hausdurchsuchungsbefehls Stellung nimmt. Es ist schlicht problematisch, wenn sich die Staatsanwaltschaft spätabends an den gerade Dienst versehenden Journalrichter wendet und auf die Unterschrift unter einen Hausdurchsuchungsbefehl mit den Hinweis drängt, dass 58 Polizisten und zahlreiche IT-Experten schon für den nächsten Tag in der Früh bereit stehen. Bei den möglichen weitreichenden – auch internationalen – Folgen – ist es einfach unbefriedigend, wenn der Minister scheinbar zustimmend auf die Gesetzeslage verweist, wonach eine nachträgliche Information genügt. Der Minister ist nach wie vor oberster Weisungsgeber und könnte diese Angelegenheit durchaus zum Anlass nehmen, den Leitern der Staatsanwaltschaften ins Gewissen zu reden.
Vielleicht hat Josef Moser die eingangs erwähnten Themen aber auch deshalb gerade so spontan aufgeworfen, um von seinem schweren Stand im budgetären Verteilungskampf abzulenken. Derzeit macht er ja einen Schnellkurs in politischer Wirklichkeit und bekommt den Druck von oben (Finanzministerium) und unten (Standesvertretung) zu spüren.
Man darf nicht verkennen, dass die Richter zweifellos im Vertreten ihrer eigenen Interessen eine gute Übung haben. Solange das für die Ausbildung der Jungjuristen so wichtige Gerichtsjahr allerdings auf fünf bzw. sieben Monate abgespeckt ist und das eigentliche Übel bei Wirtschaftsstrafsachen in der überlangen, menschenrechtswidrigen und nicht selten existenzvernichtenden Dauer liegt, sollte jeder Minister mit Händen und Füßen dafür kämpfen, dass die notwendigen Mittel gegen dieses Staatsversagen bereit gestellt werden.
Josef Moser war ein ausgezeichneter Rechnungshofpräsident. Er wäre vermutlich auch ein sehr guter Finanzminister geworden. Ihm schließlich das Justizministerium zu geben ist fast so, als würde man mich zum Gesundheitsminister ernennen. Um im eigenen Ministerium anzukommen hat er noch einen langen Weg vor sich.
Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er Abgeordneter im Nationalrat gewesen.