In der deutschen "Welt" erschien ein Artikel unter dem Titel "Ausland lobt Deutschlands Umgang mit Flüchtlingen". Nachdem diese Meldung auf den ersten Blick nicht mit dem Bild korreliert, welches man beim Lesen internationaler Zeitungen gewinnen kann, sollte man sie hinsichtlich Urheber, Zeitpunkt der Aussendung, angestrebte Wirkung und Relevanz der Inhalte untersuchen:
Der Verfasser der Studie ist eine Organisation namens GIZ, über die es im Artikel weiter nur die Information gibt, es handle sich um die "Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit". Ein Blick auf deren Homepage lässt Besitzverhältnisse und Zielrichtung der Organisation erkennen: Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Die "GmbH unterstützt die Bundesregierung, ihre Ziele in der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung zu erreichen".
Die GIZ beschreibt sich auf ihrer Homepage selbst mit: "Hauptauftraggeber der GIZ ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)". Und weiter: "Das BMZ ist zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) Gesellschafter der GIZ und stellt mit Staatssekretär Dr. Friedrich Kitschelt den Vorsitzenden des GIZ-Aufsichtsrates". ( https://www.giz.de/de/html/index.html) Die Gesellschaft kann also nicht wirklich als der deutschen Regierung fernstehend bezeichnet werden. Die Studie ist daher eine von der Regierung mittels Steuergelder bezahlte Auftragsarbeit. Dass der Artikel unmittelbar nach Antritt der neuen Regierung veröffentlicht wurde, weist nach, dass man die eingeschlagene Richtung der Regierungsarbeit als absolut richtig sieht und gnadenlos weiter umsetzten will.
Im Text wird angeführt, dass für die Studie "in 24 Ländern dafür insgesamt 154 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu ihrem Bild von der Bundesrepublik befragt wurden". Über die Auswahl der befragten Personen kann man nur Vermutungen anstellen, ob eine Studie, die auf 154 befragten Personen beruht, wirklich relevante Aussagen über die Meinung des "Auslandes", also des Rests der Welt, erbringen kann, wie der Titel "Ausland lobt Deutschlands Umgang mit Flüchtlingen" nahelegt, scheint aber eher unwahrscheinlich.
Etwas dick wird dann auch beim Untertitel aufgetragen: "Doch das Ausland blickt in dieser Frage anerkennend auf Deutschland – und fordert von der Regierung, eine weltweite Führungsrolle zu übernehmen". Durch das (ursprüngliche, später entfernte) Bild wurde gezeigt, wie Merkel diese Regierung souverän dominiert, indem sie nachdenklich über den beiden diskutierenden Parteiführern der Koalitionspartner schwebt. Hier nimmt der Personenkult bereits groteske Züge an. Man beansprucht schon eine globale Führungsrolle für Deutschland und seine Kanzlerin!
In der FAZ wird die Studie auch mit einem Artikel unter dem Titel "Deutschlands Ansehen in der Welt wächst" gewürdigt, der Text ist etwas anspruchsvoller formuliert, zeigt aber grundsätzlich in dieselbe Richtung. Auch der Anspruch auf eine Führungsrolle in der demokratischen Welt wird, wenngleich auch etwas vorsichtiger formuliert: "Deutschland wird als Vertreter der westlichen Werte in der Welt gesehen. Allerdings fordern viele, das Land müsse als solches stärker in Erscheinung treten". Wer diese "viele" sind und wie hoch ihr Anteil an der ohnehin geringen Gesamtsumme ist, wird nicht näher erläutert.
Dass eine demokratisch gewählte Regierung über eine von ihr abhängige Gesellschaft eine Studie bestellen und bezahlen kann, die den Anschein der Unabhängigkeit erwecken soll, aber reine Propaganda verbunden mit einem grotesken Personenkult darstellt und darüber hinaus der Wahrnehmung der interessierten Bürger völlig widerspricht, zeigt, dass Deutschland am Weg von der Demokratie in die Diktatur schon ein gutes Stück vorangekommen ist. In dieselbe Kerbe schlagen die Klatschorgien bei diversen Parteitagen für die Bundeskanzlerin und die Titulierung "Mächtigste Frau der Welt" (http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/angela-merkel-frauenthemen-sind-ihre-sache-nicht-a-1466772 und https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Das-war-Angela-Merkels-Weg-zur-maechtigsten-Frau-der-Welt-id50621861.html), die sich als Vertreterin in Brüssel den "Mächtigsten Parlamentspräsidenten aller Zeiten" gehalten hatte (https://www.welt.de/politik/ausland/article156776864/Schulz-nach-Brexit-Votum-fuer-eine-echte-EU-Regierung.html). Ein Vergleich des "Mächtigsten Parlamentspräsidenten aller Zeiten" mit dem "Größten Feldherr aller Zeiten" ist natürlich nicht beabsichtigt. Auch der Vergleich der Dauer ihrer Amtszeit mit der von Helmut Kohl, Adenauer und einem Reichskanzler aus Österreich zeigen, dass man in Deutschland eine gewisse Vorliebe für starke und möglichst lebenslang regierende Führer hegt.
Zu diesem Befund kommt eine weit fortgeschrittene Einschränkung der Meinungsfreiheit. Bisher wurde sie noch weniger durch Gefängnisstrafen durchzusetzen versucht, wohl aber durch Verstoßung aus der hellen Gesellschaft in die Dunkelgesellschaft. Inzwischen werden bereits Gefühlsäußerungen unter Strafandrohung gesetzt. All dies steht im erkennbaren Widerspruch zur beanspruchten Rolle als Verteidiger der Demokratie in der Welt. Mit einiger Sicherheit können wir der Parabel vom Geisterfahrer auf der Autobahn folgend, Deutschland als den wahren Geisterfahrer identifizieren.
Es ist aber keinesfalls Absicht des Autors, Kritik am deutschen Volk und an deutscher Politik zu üben! Die in den letzten Jahrzehnten in Österreich regierenden Parteien haben möglicherweise mit denselben Mechanismen auf Kosten der Steuerzahler die Medien in ihrem Sinne beeinflusst, was noch zu untersuchen wäre. Auch die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist in Österreich als laufender Prozess zu beobachten, allerdings jetzt beschränkt auf Medien und den privaten Bereich. Mit einiger Sicherheit sitzen wir also in diesen beiden Punkten im Glashaus, bezüglich des Personenkults, Gott sei Dank, eher nicht.
Jedenfalls sollte Österreich keinesfalls denselben Fahrstreifen benutzen wie Deutschland, weil doch die größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass die deutsche Selbsteinschätzung mit der internationalen Einschätzung des Landes erheblich im Widerspruch steht. Außerdem wäre eine Generalüberholung und anschließend die laufende Pflege unserer Demokratie zur Beseitigung nicht nur der hier angeführten Mängel dringend nötig.
Rupert Wenger war Offizier des Bundesheeres als Kompanie- und Bataillonskommandant in der Panzertruppe und später Analyst in einer Dienststelle des Verteidigungsministeriums.