Genosse Stalin lässt grüßen: Maßnahmenvollzug für Holocaustleugnung

Es ist in einem freiheitlichen Rechtsstaat irritierend genug, wenn ein Bürger ausschließlich wegen Holocaustleugnung über 13 Jahre inhaftiert ist, zumal er der wohl einzige Häftling des Landes ist, der bloß wegen Meinungsdelikten im berüchtigten Stein einsitzt. Noch irritierender ist es, wenn der Betreffende nach seiner jüngsten (inzwischen sechsten) Verurteilung wegen Leugnung des Holocaust – mit deren Rechtskraft wohl auf Nimmerwiedersehen – in den Maßnahmenvollzug gerät. Und dies, obwohl ihm von keiner Seite Gefährlichkeit beschieden wird.

Hinzu kommt, dass bereits strittig ist, wieweit der Akademiker Wolfgang Fröhlich, um den es im folgenden geht, die ihm zur Last gelegte Tat überhaupt begangen hat: Jener Passus des NS-Verbotsgesetzes, der die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellt, fordert nämlich deren öffentliche Begehung. Nun hat Fröhlich jedoch mindestens bei seinen letzten Verurteilungen stets nur private Briefe an Abgeordnete, Bischöfe, Gerichte u.ä. verfasst, in denen er den Holocaust in Abrede stellte. Zwar in sehr großer Zahl, aber vermutlich in einer Weise, die für den einzelnen Empfänger nicht erkennen lässt, nur einer von vielen Empfängern zu sein.

Ein solches Vorgehen unterscheidet sich doch grundlegend von einer öffentlich gehaltenen Rede oder Postings im Internet. Mit Recht hat daher auch der Strafverteidiger den Charakter einer öffentlichen Begehung bestritten.

Unstrittig ist ebenso, dass Fröhlich bislang keine Anstalten machte, sein Verhalten abzustellen und zuletzt auch aus der Haft heraus weitere solche Briefe versandte – viele allerdings an Justizorgane, was Zwecken einer Verteidigung dienen dürfte und die Strafbarkeit wiederum problematisch macht. Klar ist dennoch, dass die Justiz, wenn sie denn auf eine Tatbestandsmäßigkeit erkennt, Fröhlich nicht laufen lassen kann.

Wodurch aber wird nunmehr der Maßnahmenvollzug, sprich: die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, begründet? § 21 des Strafgesetzbuchs ist hierzu beängstigend vage. Gefordert ist lediglich, dass eine mit über einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte Tat unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangen wird und nach der Person des Täters, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er unter demselben krankhaften Einfluss erneut eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

 Regelmäßig landen nicht nur Mörder und Vergewaltiger, sondern auch Personen, die gefährlich gedroht oder genötigt haben, im Maßnahmenvollzug, aus dem sie nur schwer wieder herauskommen. Die Einweisung von Personen in geschlossene Anstalten für Meinungsdelikte ohne jeden Gewaltbezug ist hingegen nur aus dem Stalinismus bekannt und in Österreich ein Novum. Nicht von ungefähr ist trotz der vagen gesetzlichen Formulierung stets von Gefährlichkeitsprognosen die Rede, wenn es um die Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug geht.

 Das Verbotsgesetz selbst kennt sogar – auch für die Holocaustleugnung – einen erhöhten Strafrahmen von bis zu zwanzig Jahren Haft, der "bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung" zum Tragen kommt. Davon war jedoch auch im sechsten Verfahren gegen Fröhlich keine Rede. Womit auch von dieser Seite bestätigt ist: Wolfgang Fröhlich ist nicht gefährlich.

Fröhlich leide einem Gutachten zufolge lediglich an einer sich intensivierenden wahnhaften Persönlichkeitsstörung. Was wohl auf viele langjährig Inhaftierte zutrifft und speziell bei Fröhlichs Verfolgungsschicksal nicht verwundert. Wie sollte man auch falsche Positionen revidieren, wenn diese nicht im Diskurs auseinandergelegt, sondern bloß immer nur abgeurteilt werden? Nicht revisionistische Kommentatoren, sondern der Verteidiger in dem jüngsten Prozess meint übrigens, Fröhlichs Ausführungen würden "eine wissenschaftliche Befassung mit dem Thema darstellen".

Braucht es laut § 21 StGB keine Gefährlichkeit, so immerhin "schwere Folgen" einer zu befürchtenden neuerlichen Tat. Die Staatsanwältin bemerkt: "Der Rechtsstaat wird massiv erschüttert und gestört, wenn massenhaft derartige Theorien verbreitet werden." Dies sei "ein Schlag ins Gesicht für jeden Hinterbliebenen und den Rechtsstaat". Die Gefahr sei, so der vorsitzende Richter, dass durch weitere Schreiben des Mannes "labile Personen in seinen Einflussbereich gezogen werden".

Ginge es nicht darum, "schwere Folgen" zu konstruieren, könnte man nachgerade die angebliche Gefährdung des Rechtsstaats durch eine Handvoll Holocaustleugner im Reich wahnhafter Vorstellungen verorten. Der Rechtsstaat wird allenfalls dann durch Holocaustleugnung erschüttert, wenn er durch den Holocaust als eine Art Kontrastfolie begründet wird und man nicht mehr willens und in der Lage ist, ihn auf allgemeine Prinzipien zu gründen. Allerdings wird mit einer "Begründung" des Rechtsstaats durch den Holocaust alsbald Hitler zum Vater des Rechtsstaats. Was nichts Gutes für diesen verheißt.

Die wahre Erschütterung des Rechtsstaats liegt viel eher im unbefristeten Wegsperren irregeleiteter Meinungstäter. Zudem hat Fröhlich seine Briefe gerade nicht an labile Personen verschickt (geschweige denn Folder vor Berufsschulen verteilt), sondern ausschließlich an etablierte Entscheidungsträger in Politik und Justiz, die seinen Ausführungen wohl kaum etwas abgewinnen werden. Wenn labile Personen von Fröhlich beeinflusst werden, dann durch das verhängte Strafmaß und die (notwendige!) Berichterstattung darüber.

Für Wolfgang Fröhlich selbst bedeutet dieses Urteil nicht nur, dass er sich fortan unter Sexualstraftätern wiederfinden wird, die eine Hauptklientel des Maßnahmenvollzugs darstellen. Es bedeutet für ihn vor allem, auch nach Ablauf weiterer vier Jahre Haft nicht mehr freizukommen. Sollte er neuerlich den Holocaust leugnen, erspart die Justiz sich weitere Prozesse. Sollte er dies nicht (mehr) tun, reicht vielleicht auch dies nicht hin, um einen Gutachter von der Freilassung zu überzeugen, weil er nach seiner Freilassung ja sofort wieder den Holocaust leugnen könnte. Selbst wenn Fröhlich den Holocaust zugibt, war dies am Ende nur Schauspiel, denn seine "wahre" Persönlichkeit habe sich ja doch nicht geändert.

Wer im Maßnahmenvollzug landet, ist nicht mehr nur Juristen, sondern Psychiatern ausgeliefert. Was noch schlimmer ist. Es ist zu hoffen, dass Österreichs Justiz nicht auch noch stolz ist auf ihr Vorgehen.

(Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph und Buchautor.)

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