Sonntagnachmittag. Ausflug mit meinem Jüngsten ins Technische Museum. Ich war schon länger nicht mehr da. Mit diesem Museum verbinde ich schöne Erinnerungen. Kindheitserinnerungen. Lange her. Jetzt leitet eine Pädagogin und Philosophin das Haus. Ich bin gespannt.
Gleich im Eingangsbereich hinter den Kassen ist einiges los, hoher Lärmpegel inklusive. Grund dafür ist eine Rutsche. Eine mit Geschwindigkeitsmessung. Wir sind schließlich im Technischen Museum. Kinder stehen Schlange und rutschen kreischend und möglichst schnell. Rundherum Mütter, Väter, ausgezogene Schuhe und Kinderwägen. Das Museum ist eine Art Indoor-Spielplatz für die Kleinen. Eh sympathisch, aber irgendwie eine Themenverfehlung.
Wir wenden uns nach links, in eine ruhigere Ecke. Dort erklärt mir eine Schautafel, dass es im "Sinn der historischen Genderbetrachtung" Aufgabe des Museums sei, Frauen in der Technik sichtbarer zu machen. Löblich. Irgendwie scheint das Museum diese Aufgabe aber nicht sehr ernst genommen zu haben. Beim weiteren Rundgang begegne ich relativ wenigen Ingenieurinnen, Erfinderinnen oder Technikerinnen. Aber vielleicht hat das ja auch einen ganz anderen Grund. Wer weiß.
Mein Sohn und ich wechseln in den ersten Stock, dorthin, wo die großen Generatoren stehen. Hier gibt es auch eine Ecke, die sich der Kernkraft widmet. Wobei das nicht ganz stimmt. Eigentlich geht es in diesem Teil des Museums um die Antiatomkraftbewegung. Hier gibt es alles, was das Herz eines Alt-Ökos höherschlagen lässt: Plakate, Sticker, Fotos und ein überdimensionaler Atomkraft-Nein-Danke-Button. Über die Atomkraft selbst erfährt man relativ wenig – wozu gibt es Wikipedia –, außer, dass sie sehr gefährlich ist. Gleich in Sichtweite steht Hainburg-Gedenkschrein mit Auhirsch Günther Nenning und anderen Helden der Öko-Bewegung in Lebensgröße. Im Technischen Museum werden die grünen Fortschrittsfeinde noch Ehren gehalten. Skurril. Die erneuerbaren Energien werden selbstredend fast ausschließlich positiv dargestellt. Von der desaströsen Energiewende in Deutschland erfährt man hier nichts.
Schnell weiter. Wir landen in einer Smart City, einer linken, urbanen Vision. Hier wird mit Multikulti-Weisheiten nicht gespart. Dieses sinnentleerte Geschwurbel erträgt man nur mit viel Humor. Politisch korrekte Prosa auf jedem Schild. Besonders gut gefällt mir dieses hier: "Ich bin da. Und wir sind Stadt. Städte leben von Zuwanderung. (…) Zuwanderung bringt Fremdes und Neues in die Stadt. (…) Ein Universum an Träumen und Ängsten (…)" Und so weiter. Ich hole schnell meine Eintrittskarte aus der Hosentasche. Ja, da steht es, ich bin im Technischen Museum.
Wir wechseln in den anderen Flügel. Ein weißer Ford Transit parkt direkt neben dem 120 Tonnen schweren LD-Tiegel aus einem alten VÖEST-Werk. Komisch, denke ich, Autos sind doch in den oberen Stockwerken zu sehen. Hat sich wohl verfahren. Doch es ist ein ganz besonders Kleintransporter. Er hatte einem ungarischen Schlepper gehört. Und warum steht er jetzt im Museum? Ein Taferl klärt auf: "Doch Technik wird auch dazu benutzt, um Grenzen illegal zu überschreiten – ein Beispiel dafür ist ein Schlepperauto." Aha. So gesehen könnte man eigentlich alles in dieses Museum stopfen. Punschkrapferl, Blumentöpfe, Zahnstocher, Radiergummi, Kartoffelschäler. Hat auch alles was mit Technik zu tun.
Mein Sohn wird ungeduldig. Verständlich. Wir gehen in den nächsten Stock. Hier widmet sich ein Flügel der Arbeitswelt. Klingt nicht sehr spannend, wir gehen trotzdem rein. Es handelt sich um ein Art Arbeiterkammer-ÖGB-Flagshipstore. Wer sich dort länger als eine Stunde aufhält, der singt beim Nachhauseweg die Internationale. Freiwillig. Zu sehen ist etwa ein alter großer Schreibtisch mit dem Schildchen: "Wer im Chefsessel eines großen Unternehmens sitzt – und das ist meist immer noch ein Mann – erhöht seinen Spitzenstatus seit jeher mittels Prestigemerkmalen, die selten funktionale Bedeutung haben." Aha. Gewerkschafts-Insiderwissen.
Wir flüchten. Nach so viel Ideologie wollen wir einfach nur die Oldtimer sehen. An die alten Automobile habe ich die besten Erinnerungen. Wir irren herum, finden sie nicht. Alle weg? Nicht ganz. Nach einigen Minuten sind wir am Ziel. Es ist ein Autoecke. Die österreichische Automobilgeschichte zusammengedrängt auf engsten Raum. Die wenigen verbliebenen Exponate stehen wie in einer Parkgarage eng aneinandergereiht. So eng, dass man sie nicht richtig betrachten kann. Selbst der berühmte Marcus-Wagen wird völlig lieblos präsentiert, als wäre es irgendein Auto. Hätte Siegfried Marcus ein Windradl oder ein Lastenfahrrad zusammengeschraubt, ja dann. Aber so.
Es ist eine Schande. Die Museumsmacherinnen scheinen eine Aversion gegen den motorisierten Individualverkehr zu haben. Nicht ganz, denn der innigen Beziehung von Alban Berg zu seinem "Wagerl", einem alten Ford A, wird viel Platz eingeräumt. Es geht um die emotionale Beziehung, die man zu einer Maschine haben kann.
Ja, dieses Museum widmet sich allen Aspekten der Technik, dem emotionalen, ökologischen, künstlerischen, geschlechtsspezifischen, sozialen, politischen und so weiter. Nur auf eins hat man dabei vergessen: auf die Technik selbst. Alles ist ideologisch aufgeladen, überall drängen die Museumsmacherinnen dem Besucher ihre linke Ideologie auf.
Eigentlich wollte ich meinen Sohn ein bisschen für Technik begeistern, mit penetranter linker fortschritts- und technikfeindlicher Volkspädagogik ist er ohnehin jeden Tag konfrontiert. Österreichs legendäre Erfinder, Konstrukteure, Ingenieure, Wissenschaftler und Maschinenbauer hätten sich wahrlich etwas anderes verdient. Nächsten Sonntag machen wir wieder etwas Sinnvolles.
Das "Wiener Tagebuch" ist eine Kolumne von Werner Reichel mit Wiener Streifzügen und Erkundungen. Werner Reichel ist Autor und Chefredakteur von Frank&Frei – Magazin für Politik, Wirtschaft und Lebensstil.