Nichts wäre besser geeignet, die Bildung der neuen schwarzblauen Regierung zu charakterisieren, als dieses Sprichwort. Wer an die Bildung der seit geraumer Zeit ersten Regierung ohne sozialistische Beteiligung große Erwartungen geknüpft hatte, wurde durch die bisherigen programmatischen Ankündigungen vermutlich herb enttäuscht.
Bei aller Kritik positiv zu vermerken ist immerhin das hohe Maß an Professionalität, mit der die Koalitionäre die Verhandlungen führten und in beachtlich kurzer Zeit mit einem Ergebnis aufwarten konnten, das sogar vor dem gestrengen Urteil des Bundespräsidenten Van der Bellen, der ja bekanntlich kein Freund der Blauen ist, Bestand hatte. Offensichtlich wurden im Zuge der Koalitionsverhandlungen Konsultationen mit der Hofburg gepflegt, um allfällige Peinlichkeiten abzuwenden.
Immerhin hat das Staatsoberhaupt das Recht, bestimmten Personen die Angelobung als Minister zu verweigern. Darauf wollten es beide Seiten nicht ankommen lassen. So bekleidet etwa den sensiblen Posten des Außenministers die zwar von der FPÖ nominierte Ex-Diplomatin, vielfache Buchautorin und Nahostexpertin Karin Kneissl, die aber keinerlei Bindungen zu dieser EU-kritischen Partei aufweist.
Im Bereich von Immigration und Sozialmissbrauch ist mit etwas Bewegung in die richtige Richtung zu rechnen, da es hier um Kernanliegen der erstarkten Freiheitlichen geht.
Viel mehr Blumen lassen sich der neuen Regierung fürs Erste allerdings beim besten Willen nicht streuen. Denn die im Wahlkampf von ÖVP und FPÖ angekündigten Vorstöße zur Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den beruflichen Standesvertretungen, zur Aufwertung direktdemokratischer Elemente, zur Stärkung des Subsidiaritätsgedankens und zu einer mit freiem Auge als solche erkennbaren Steuerreform, wurden entweder schon wieder begraben, auf die lange Bank geschoben oder derart vage formuliert, dass daraus wohl schwerlich etwas Rechtes werden wird.
Das darf indes nicht verwundern, denn Österreich ist ein im schlechtesten Sinn des Wortes konservatives Land. "Des hamma immer scho´ so g´macht" und "Da könnt´ ja a jeder kommen", bilden den Kernbestand der alpenländischen Politkultur. Im Zweifel bleibt immer alles beim Alten. Jede namhafte Veränderung gewohnter Gegebenheiten und Rituale, gerät zum gefährlichen Abenteuer. Wer es etwa wagt, eine Verwaltungs- oder Pensionsreform anzupacken, die diesen Namen tatsächlich auch verdient, riskiert, schon ein paar Tage später als politische Leiche donauabwärts zu treiben. Wer die "wohlerworbenen Rechte" der zahleichen Privilegienritter im Lande Metternichs (Beamte, Mitarbeiter der im Dunstkreis des Leviathans werkelnden Betriebe – allen voran die des staatlichen Rundfunks, Kammerbedienstete und Bürokraten in den Sozialversicherungen, etc.) anzutasten beabsichtigt, stößt schnell auf den entschlossenen Widerstand gewerkschaftlich bestens organisierter Wählerscharen. Das könnten sich zwar die Freiheitlichen, die von roten, schwarzen und rotschwarzen Regierungen jahrzehntelang erfolgreich von steuerfinanzierten Futtertrögen ferngehalten wurden und hier daher nichts zu verlieren haben, nicht aber eine "staatstragende" Partei wie die ÖVP leisten, die unter den Genannten ihre, neben ein paar Bauern, verbliebene Kernwählerschaft versammelt.
Die Macht des Faktischen und die Tyrannei des Status quo, limitieren den Spielraum der neuen Regierung auf ein Minimum. Das gewaltige Ausmaß der Staatsschulden zwingt nämlich einerseits zur budgetären Mäßigung, verhindert andererseits aber den angekündigten "großen Wurf" zur Entlastung der Steuerzahler. Außerdem formieren sich bereits von den Medien unterstützte Oppositionskräfte, die vor einer "ungerechten" Entlastung der "Reichen" warnen. Am Ende werden sich, so steht zu fürchten, wieder diejenigen, die schon jetzt keine direkten Steuern bezahlen, aus Gründen der "sozialen Gerechtigkeit" über die Ausbezahlung von Negativsteuern freuen dürfen. Ein deutliches Signal an die Selbständigen und "Besserverdiener im Lande, die seit Jahrzehnten fiskalisch gnadenlos über den Tisch gezogen werden, war bislang jedenfalls nicht zu erkennen.
Die traditionell linkslastigen Medien – insbesondere der dunkelrote ORF – werden sich konsequent als zuverlässige Opposition positionieren und kein gutes Haar an den von der neuen Regierung auf den Weg gebrachten Vorhaben lassen – welche auch immer es sein mögen.
Ob die größeren Gefahren für den smarten Jungstar Sebastian Kurz in seiner neuen Rolle als Kanzler eher von den "Außenfeinden" der inner- und außerparlamentarischen Opposition oder doch eher von Heckenschützen aus den strukturkonservativen Reihen der eigenen Partei drohen, muss sich erst herausstellen. Kurz wäre nicht der erste ÖVP-Chef, der von seinen eigenen Parteifreunden abmontiert wird.
Die außerparlamentarischen Kräfte sind anno 2017 jedenfalls erheblich schwächer als noch im Jahr 2000, als Kanzler Schüssel die gesamte, damals stark rotgefärbte EU gegen sich hatte und wegen wütender Proteste unterirdisch zu seiner Angelobung schreiten musste. Jetzt dagegen sorgten gerade einmal 5.500 Demonstranten mit ebenso intelligenten wie originellen Parolen à la "Klassenkampf statt Vaterland" oder "Strache, Basti, raus" für Krawall. Ein guter Teil davon übrigens eher unpolitische Schüler, die von linken Schuldirektoren und Lehrern als Regimekritiker instrumentalisiert wurden – ein Skandal der besonderen Art. Die Nerven der Volksfront liegen blank, wie es scheint.
Es ist naturgemäß verfrüht, ein seriöses Urteil über die Politik der Regierung abzugeben. Immerhin ist es als positiv zu werten, dass es keine rote Beteiligung gibt. Inwieweit allerdings die Sozialisten in den nun die Regierung stellenden Parteien die vielen notwendigen Reformen unterbinden werden, bleibt abzuwarten. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist besser als gar nichts. Als Libertärer in Österreich ist man ja mittlerweile sehr bescheiden geworden.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.