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Wertschätzung des Wettbewerbes

Wann ist in Europa die Institution des Wettbewerbes entstanden? Was waren die Voraussetzungen für die Entstehung und für die Verbreitung des agonalen Denkens? Welche Folgen einer Kultur des Wettstreites wurden als Vorteile erkannt? Wie steht es heute um die Wertschätzung des Wettbewerbes?

Schon bei den Mythen erzählenden Dichtern des antiken Griechenland gibt es eine Reflexion über das Wettspiel (Agon), über Strategie, über List, über Taktik, über eine Wettspielethik und über den Gedanken einer Wettbewerbsfairness. Die Epen Homers haben die Wertvorstellungen der Griechen – vor allem ihr agonales Denken – maßgeblich beeinflusst.

Die Griechen hatten Freude im Aufspüren von Unterschieden und von Gegensätzen auf kleinstem Raum. Sie schätzten das Lernen im Wettbewerb. Die Vielfalt setzte das Denken in Bewegung. Auch die ionischen Naturphilosophen beschritten den Weg des Suchens nach Erkenntnis über den offenen Wettstreit der Fragen, der Hypothesen, der Kritiken und der Widerlegungsversuche.

In den Epen Homers ist die Wettstreitkultur mit einer Wertschätzung des Gewinnens, aber auch mit den Überzeugungen verbunden, dass Sieg und Niederlage nicht über den Wert eines Menschen entscheiden und dass es Gerechtigkeit im Urteil gegenüber den Verlierern geben soll.

Bei allen "Wettspielen" (Sport, Musik, Theater, Philosophie-Dialoge, Demokratie) war es den Griechen wichtig, vor dem Publikum zu zeigen, wer mit seinen Leistungen der Beste ist. Die "Teilnehmer" wollten siegen und damit Ansehen erwerben. Sie strebten nach Auszeichnung, nach Ruhm und nach Ehre. Erfindungs- und einfallsreich, mit Wissen, mit Können und mit List versuchten sie, sich mit anderen zu messen, Herausforderungen als Chancen zu nutzen sowie Mühen zu erdulden, um sich im Wettspiel zu bewähren. Sie wussten, dass ihr Streben auch vergeblich sein kann, aber ihr Zweifel war stets mit dem Versuch verbunden, es trotzdem zu probieren.

Die Griechen der Antike lebten nach dem Motto: "Werde, der du bist, durch Lernen im Wettstreit!". Das Vorherrschen einer Wettstreitkultur verlangte von ihnen vor allem zu lernen, wie man mit Unsicherheit, mit Spannung und mit Risiko umgehen soll. Der einzelne "Bürger" hatte die Möglichkeit, sich selbst seinem Leistungswillen und seiner Verantwortungsfähigkeit entsprechend zu fordern und sein Können zu zeigen. Im Wettstreit konnte er lernen, wie man durch Mühen Freude erlangen kann, wie ein Erfolg beflügelt, aber auch wie man seine eigenen Grenzen erkennen kann.

Die Griechen der Antike waren (z.B.: im Theater) immer wieder mit "Lernen durch Leiden" und mit dem "Lernen durch Scheitern" konfrontiert. Ihr agonales Denken war aber stets auch verbunden mit dem Respekt gegenüber den großen Leistungen anderer. Das förderte das Ansehen und die öffentliche Wertschätzung der "Könner" und der Erfolgreichen.

Im Bereich der Wirtschaft war es Hesiod, der zuerst über die wohlstandsfördernden Folgen eines Leistungswettbewerbes reflektierte: "Der Wettbewerb weckt zur Arbeit. Der Nachbar läuft mit dem Nachbarn um die Wette nach Wohlstand. So nützt dieser Wettstreit den Menschen". Durch das vorbildhafte Streben nach Verbesserung und durch die ständigen Bemühungen der Menschen entstehe im offenen Wettbewerb "schrittweise (nicht durch Entwürfe!) Großes"!

In der attischen Polis gelang es, die Kultur des Wettstreites mit einer Kultur des Miteinander-Redens und des Miteinander-Handelns im Interesse der Gemeinschaft zu verbinden. Es gab eine Anerkennung der Freiheit und der Gleichheit der "Bürger" vor dem Gesetz sowie (im Gegensatz zu heute) eine Akzeptanz von Leistung und von "Könnerschaft". Auch ein Wechsel von Herrschen und Beherrschtwerden sowie der Respekt vor den Ämtern auf Zeit waren damals selbstverständlich!

Was können wir, die heute vor der Herausforderung einer "Intensivierung des Wettbewerbes in Wirtschaft und Politik" stehen, von der Agonistik der Griechen der Antike lernen?

Kultur entwickelt sich im offenen Wettspiel! Jedes Wettspiel erfordert klare Spielregeln, welche die Freiheit und den Wettbewerb schützen sowie eine Wettbewerbsethik und eine positive Wettbewerbsgesinnung.

Angesichts des offensichtlichen Steuerungsversagens des Staates ist die Frage zu stellen, warum in diesem Land noch immer so viele Politiker Angst vor dem agonalen Denken, vor mehr Wettbewerbsfairness und vor mehr Steuerung über den Wettbewerb (vor einer wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft und vor einer wirklichen Wettbewerbsdemokratie) haben.

Josef Stargl ist AHS-Lehrer in Ruhe und ein Freund der Freiheit.

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